Welche Voraussetzungen gelten für einen wirksamen Testament-Nachtrag?
Ein wirksamer Testament-Nachtrag (Kodizill) muss schriftlich verfasst, eindeutig formuliert und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben sein. Bei fremdhändigen Nachträgen sind drei Zeug:innen erforderlich, während ein eigenhändiger Nachtrag keine Zeug:innen benötigt. Für maximale Rechtssicherheit empfiehlt sich eine notarielle Beurkundung und die amtliche Verwahrung des Dokuments.
- Was ist ein Kodizill überhaupt?
- Formelle Anforderungen für einen wirksamen Nachtrag
- Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Testament-Nachträgen
- Die rechtliche Wirksamkeit sicherstellen
- Praktische Empfehlungen für Ihren Testament-Nachtrag
- Sonderfälle bei Testament-Nachträgen
- Checkliste: Testament-Nachtrag wirksam erstellen
Ein Testament-Nachtrag (Kodizill) ermöglicht Ihnen, bestehende Regelungen in Ihrem Testament anzupassen, ohne ein komplett neues Testament erstellen zu müssen. Sie können damit einzelne Vermächtnisnehmer ändern, neue Gegenstände verteilen oder andere Anpassungen vornehmen. Damit der Nachtrag rechtswirksam ist, müssen Sie bestimmte formelle Voraussetzungen beachten.
Was ist ein Kodizill überhaupt?
Ein Kodizill (auch Testament-Nachtrag genannt) ist ein rechtliches Dokument, das Ihr bestehendes Testament ergänzt oder ändert. Im Gegensatz zum vollständigen Testament enthält es keine Erbeinsetzung, sondern nur Anpassungen einzelner Regelungen[1][6]. Historisch stammt der Begriff aus dem römischen Recht[7].
Gut zu wissen: Im deutschen Recht wird der Begriff “Kodizill” heute kaum noch verwendet, das Konzept des Testament-Nachtrags existiert aber weiterhin[7]. In Österreich wurde der Begriff 2017 durch “sonstige letztwillige Verfügungen” ersetzt[7].
Formelle Anforderungen für einen wirksamen Nachtrag
Damit Ihr Testament-Nachtrag rechtlich bindend ist, müssen Sie folgende formelle Anforderungen beachten:
Schriftliche Form ist ein Muss
Ein Testament-Nachtrag muss grundsätzlich schriftlich erstellt werden[1][2]. Mündliche Änderungen an einem Testament sind in der Regel nicht rechtswirksam (Ausnahme: Nottestament).
Unterzeichnung des Nachtrags
Der Nachtrag muss vom Erblasser (also von Ihnen) persönlich unterzeichnet werden[1]. Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst unterschreiben können, ist unter bestimmten Umständen eine bevollmächtigte Person möglich - hierzu sollten Sie jedoch rechtlichen Rat einholen.
Wichtig: Die Unterschrift sollte am Ende des Dokuments stehen und Ihren vollen Namen enthalten, um Zweifel an der Vollständigkeit des Nachtrags zu vermeiden[1].
Zeug:innen bei notariellen und öffentlichen Nachträgen
Wenn Sie Ihren Nachtrag öffentlich oder notariell errichten lassen, sind Zeug:innen erforderlich. Dabei gilt:
- Zeug:innen müssen mindestens 18 Jahre alt sein[8]
- Sie müssen geistig in der Lage sein, den Willen des Erblassers zu verstehen[8]
- Als Zeug:innen nicht geeignet sind:
- Alle Personen, die im Testament oder Nachtrag begünstigt werden[8]
- Ehepartner:innen, eingetragene Partner:innen oder Lebensgefährt:innen der Begünstigten[8]
- Eltern, Kinder und Geschwister der Begünstigten[8]
- Vertreter:innen, Gesellschafter:innen oder Angestellte von begünstigten Personen oder Organisationen[8]
Beachten Sie: Bei einem eigenhändigen Testament-Nachtrag, den Sie vollständig selbst handschriftlich verfassen und unterschreiben, sind keine Zeug:innen erforderlich.
Unterschiede zwischen privaten und öffentlichen Testament-Nachträgen
Der privat erstellte Nachtrag
Ein privater Testament-Nachtrag kann auf zwei Arten erstellt werden:
-
Eigenhändiger Nachtrag:
- Muss vollständig von Hand geschrieben sein
- Muss Ihre eigenhändige Unterschrift tragen
- Sollte mit Datum und Ort versehen sein
- Benötigt keine Zeug:innen
-
Fremdhändiger Nachtrag:
- Kann maschinell (z.B. am Computer) erstellt werden
- Muss von Ihnen eigenhändig unterschrieben sein
- Erfordert drei Zeug:innen, die bestätigen, dass der Nachtrag Ihrem Willen entspricht
Der öffentliche Nachtrag beim Notar
Ein notariell beurkundeter Nachtrag bietet höchste Rechtssicherheit:
- Sie erklären Ihren Willen gegenüber einem Notar oder einer Notarin
- Diese:r beurkundet Ihren Nachtrag
- Der Nachtrag kann direkt in die amtliche Verwahrung gegeben werden
- Die notarielle Form verhindert spätere Zweifel an der Echtheit
Die rechtliche Wirksamkeit sicherstellen
Damit Ihr Testament-Nachtrag rechtlich wirksam ist, müssen Sie folgende Punkte beachten:
Geistige Leistungsfähigkeit
Sie müssen zum Zeitpunkt der Erstellung des Nachtrags testierfähig sein, also die Bedeutung und Folgen Ihrer Anordnungen verstehen können[1]. Bei Zweifel an der geistigen Leistungsfähigkeit kann der Nachtrag später angefochten werden.
Klare und eindeutige Formulierungen
Achten Sie auf präzise Formulierungen ohne Mehrdeutigkeiten[1]. Vermeiden Sie vage Aussagen, die unterschiedlich interpretiert werden können. Beispiel:
Ungeeignet: “Meine Sammlung soll an Lisa gehen.”
Besser: “Meine Briefmarkensammlung (5 Alben im Wohnzimmerschrank) vermache ich meiner Nichte Lisa Müller, geb. am 12.03.1985.”
Ausdrücklicher Bezug zum Haupttestament
Der Nachtrag sollte klar Bezug auf das ursprüngliche Testament nehmen, damit die Zusammengehörigkeit erkennbar ist. Beispiel:
“Als Nachtrag zu meinem Testament vom 15. März 2023 verfüge ich hiermit folgende Änderungen: […]”
Praktische Empfehlungen für Ihren Testament-Nachtrag
Aufbewahrung
Bewahren Sie den Nachtrag zusammen mit dem ursprünglichen Testament auf, damit beide Dokumente gemeinsam gefunden werden können[1]. Am sichersten ist die amtliche Verwahrung beim Amtsgericht oder durch den Notar.
Wann ist ein komplett neues Testament besser?
Bei umfangreichen Änderungen kann es sinnvoller sein, ein neues Testament zu erstellen statt mehrere Nachträge anzuhängen:
- Wenn mehr als ein Drittel der Regelungen geändert werden soll
- Wenn Sie die Erbeinsetzung ändern möchten
- Wenn bereits mehrere Nachträge existieren und die Übersichtlichkeit leidet
Professionelle Beratung einholen
Lassen Sie sich bei der Erstellung eines Testament-Nachtrags fachkundig beraten[1]. Ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Erbrecht oder ein:e Notar:in können:
- Rechtliche Fallstricke vermeiden helfen
- Die korrekte Form sicherstellen
- Unklare Formulierungen verhindern
Sonderfälle bei Testament-Nachträgen
Gemeinschaftliche Testamente
Bei gemeinschaftlichen Testamenten (z.B. Berliner Testament) können Nachträge komplizierter sein. Das OLG Schleswig hat klargestellt, dass Verfügungen in einem Nachtrag nicht automatisch wechselbezüglich sind[4]. Wechselbezügliche Verfügungen können nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr einseitig geändert werden.
Internationaler Bezug
Haben Sie Vermögen im Ausland oder leben Sie nicht ständig in Deutschland? Dann sollten Sie unbedingt rechtlichen Rat einholen, da unterschiedliche Länder verschiedene Anforderungen an Testament-Nachträge stellen können.
Checkliste: Testament-Nachtrag wirksam erstellen
- ☐ Formerfordernis berücksichtigt (handschriftlich oder mit Zeugen)
- ☐ Klarer Bezug zum ursprünglichen Testament hergestellt
- ☐ Datum und Ort angegeben
- ☐ Eindeutige Formulierungen verwendet
- ☐ Mit vollem Namen unterschrieben
- ☐ Bei fremdhändigem Nachtrag: Drei Zeug:innen hinzugezogen
- ☐ Sichere Aufbewahrung zusammen mit dem Testament organisiert
Mit einem korrekt erstellten Testament-Nachtrag können Sie flexibel auf veränderte Lebensumstände reagieren und sicherstellen, dass Ihr letzter Wille genau so umgesetzt wird, wie Sie es wünschen - ohne den Aufwand, ein komplett neues Testament erstellen zu müssen.