Welche Rolle spielt die Geschäftsfähigkeit bei Testamentsänderungen und -widerruf?
Die Geschäftsfähigkeit des Erblassers ist entscheidend für die Gültigkeit von Änderungen oder Widerrufen eines Testaments. Während die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich ist, muss sie auch bei späteren Änderungen oder Widerrufen gegeben sein. Vorbeugende Maßnahmen wie Vorsorgevollmachten und klare Regelungen im Testament können rechtliche Unsicherheiten vermeiden.
- Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit - die Grundlagen
- Die Bedeutung der Geschäftsfähigkeit bei der Testamentserrichtung
- Geschäftsfähigkeit bei Testamentsänderungen und -widerruf
- Besondere Herausforderungen beim Ehegattentestament
- Vorbeugende Maßnahmen zur Absicherung
- Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
- Praktische Handlungsempfehlungen
- Was tun, wenn die Testierfähigkeit angezweifelt wird?
- Fazit: Die zeitliche Dimension der Geschäftsfähigkeit
Wenn Sie ein Testament errichten, ändern oder widerrufen möchten, spielt Ihre Geschäftsfähigkeit eine entscheidende Rolle. Doch welche rechtlichen Folgen hat es, wenn Sie oder Ihre Angehörigen zum Zeitpunkt einer Testamentsänderung nicht mehr voll geschäftsfähig sind? Dieser Artikel erklärt Ihnen die rechtlichen Zusammenhänge und gibt praktische Hinweise für verschiedene Lebenssituationen.
Geschäftsfähigkeit und Testierfähigkeit - die Grundlagen
Bevor wir uns mit den Details beschäftigen, ist es wichtig, zwei grundlegende Begriffe zu verstehen:
Was bedeutet Geschäftsfähigkeit?
Die Geschäftsfähigkeit bezeichnet Ihre rechtliche Fähigkeit, gültige Verträge abzuschließen und Rechtsgeschäfte eigenständig vorzunehmen. Sie ist die Grundvoraussetzung für alle rechtlich bindenden Handlungen im Alltag[7].
Was ist Testierfähigkeit?
Die Testierfähigkeit ist hingegen speziell auf die Errichtung eines Testaments bezogen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, ein rechtsgültiges Testament zu erstellen. Nach § 2229 BGB ist eine Person testierunfähig, wenn sie aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, einer geistigen Behinderung oder einer Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung ihrer Willenserklärung zu verstehen oder nach dieser Einsicht zu handeln[7].
Wichtig zu wissen: Um testierfähig zu sein, müssen Sie mindestens 16 Jahre alt sein und die Bedeutung und Tragweite Ihres Testaments verstehen können[7].
Die Bedeutung der Geschäftsfähigkeit bei der Testamentserrichtung
Wenn Sie ein Testament errichten, ist Ihre Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung ausschlaggebend für die Gültigkeit des Testaments. Fehlt diese Fähigkeit, ist das Testament von Anfang an ungültig[7].
Wie wird die Testierfähigkeit geprüft?
Bei Zweifel an der Testierfähigkeit ist oft ein medizinisches Gutachten erforderlich. Dieses wird in der Regel von einem psychiatrischen Facharzt erstellt[7]. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich von der Testierfähigkeit aus, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel vorliegen.
Praxisbeispiel: Frau Müller leidet an beginnender Demenz, möchte aber noch ihr Testament erstellen. Um spätere Anfechtungen zu vermeiden, lässt sie sich vor dem Termin beim Notar von ihrem Hausarzt die Testierfähigkeit bestätigen.
Geschäftsfähigkeit bei Testamentsänderungen und -widerruf
Besonders komplex wird die Situation, wenn Sie ein bestehendes Testament ändern oder widerrufen möchten.
Grundregel: Auch für Änderungen ist Testierfähigkeit nötig
Für die Änderung oder den Widerruf eines Testaments benötigen Sie die gleiche Testierfähigkeit wie für die ursprüngliche Errichtung. Das bedeutet: Wer testierunfähig ist, kann sein Testament nicht mehr wirksam widerrufen[1].
Was passiert, wenn die Testierfähigkeit nachträglich verloren geht?
Haben Sie zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein gültiges Testament erstellt, später jedoch Ihre Testierfähigkeit verloren, bleibt das Testament weiterhin gültig. Allerdings können Sie es nun nicht mehr selbstständig ändern oder widerrufen[1][7].
Besondere Herausforderungen beim Ehegattentestament
Bei einem gemeinschaftlichen Testament (oft als “Berliner Testament” bezeichnet) ergeben sich besondere Herausforderungen, wenn ein Partner seine Geschäftsfähigkeit verliert.
Wechselbezügliche Verfügungen und ihre Bindungswirkung
Haben Sie und Ihr:e Ehepartner:in in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezügliche Verfügungen getroffen (z.B. sich gegenseitig als Erben eingesetzt), sind diese für beide Partner bindend[4].
Widerruf bei Geschäftsunfähigkeit eines Partners
Wenn ein:e Ehepartner:in geschäftsunfähig wird, ergeben sich folgende Konstellationen:
-
Der geschäftsunfähige Partner kann das Testament nicht mehr widerrufen[1].
-
Der noch geschäftsfähige Partner kann nach verbreiteter Meinung seine eigenen Verfügungen im gemeinsamen Testament noch widerrufen. Dies muss notariell beurkundet werden und dem anderen Teil (bzw. dessen rechtlichen Vertreter:in) zugestellt werden[1][2].
Praxisbeispiel: Herr Schmidt möchte nach der Demenzerkrankung seiner Frau das gemeinsame Ehegattentestament ändern. Er kann nur seine eigenen Verfügungen widerrufen, muss dies notariell beurkunden lassen und der rechtlichen Betreuer:in seiner Frau zustellen.
Rechtliche Vertretung bei Widerruf
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments auch dann möglich ist, wenn ein:e Partner:in nicht mehr testier- und geschäftsfähig ist. Allerdings muss der Widerruf bestimmte Formvorschriften einhalten und wirksam zugestellt werden[2].
Beachten Sie: Für die Entgegennahme des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments kann die Bestellung einer Ergänzungsbetreuer:in notwendig sein, wenn ein:e Partner:in geschäftsunfähig ist[5].
Vorbeugende Maßnahmen zur Absicherung
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, für den Fall vorzusorgen, dass Sie später Ihre Geschäftsfähigkeit verlieren könnten.
Vorsorgevollmacht und Patient:innenverfügung
Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie eine Vertrauensperson bevollmächtigen, Ihre Angelegenheiten zu regeln, falls Sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Dies kann auch Entscheidungen in Vermögensfragen umfassen.
Einzeltestament als Rückfalloption
Eine clevere Vorsorgestrategie beim Ehegattentestament: Sie können vor Abfassung des gemeinsamen Testaments ein Einzeltestament errichten, das ausdrücklich nur dann gelten soll, wenn das gemeinsame Testament von Ihrer:m Partner:in widerrufen wird und Sie selbst mangels Testierfähigkeit nicht mehr reagieren können[1].
Tipp: Fügen Sie im gemeinsamen Testament einen Hinweis ein, der für diesen Fall die Geltung des zeitlich früheren Einzeltestaments anordnet. Dies schafft rechtliche Klarheit[1].
Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
Auch für die Rücknahme eines Testaments aus der amtlichen Verwahrung ist Geschäftsfähigkeit erforderlich. Ist ein:e Ehepartner:in nicht mehr geschäftsfähig, kann der:die andere ein gemeinschaftliches Testament nicht mehr alleine aus der amtlichen Verwahrung entnehmen[8].
Praktische Handlungsempfehlungen
Basierend auf den rechtlichen Grundlagen empfehlen wir Ihnen folgende Schritte:
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Frühzeitig planen: Erstellen Sie Ihr Testament, solange Ihre Testierfähigkeit zweifelsfrei besteht.
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Notarielle Beratung: Bei komplexen Familienkonstellationen oder größerem Vermögen ist eine notarielle Beratung ratsam.
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Testierfähigkeit dokumentieren: Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit kann ein ärztliches Attest oder ein psychiatrisches Gutachten hilfreich sein.
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Vorsorgevollmacht erstellen: Regeln Sie frühzeitig, wer Sie im Fall einer Geschäftsunfähigkeit vertreten soll.
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Bei Ehegattentestament: Rückfalloption vorsehen: Ein vorsorglich errichtetes Einzeltestament kann sinnvoll sein.
Was tun, wenn die Testierfähigkeit angezweifelt wird?
Wenn nach dem Tod eines Menschen die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung angezweifelt wird, liegt die Beweislast bei den Zweifelnden[7]. Ein Testament kann nur für ungültig erklärt werden, wenn die mangelnde Testierfähigkeit nachgewiesen wird.
Praxisbeispiel: Die Kinder von Herrn Wagner zweifeln sein Testament an, weil er an Alzheimer litt. Sie müssen beweisen, dass er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits testierunfähig war. Ein notarielles Testament mit Vermerk zur Testierfähigkeit erschwert diese Beweisführung.
Fazit: Die zeitliche Dimension der Geschäftsfähigkeit
Entscheidend für die Gültigkeit eines Testaments ist die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung. Für Änderungen oder den Widerruf ist hingegen die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt dieser Handlung maßgeblich.
Bei einem Ehegattentestament entstehen besondere Herausforderungen, wenn ein:e Partner:in geschäftsunfähig wird. Der:Die geschäftsfähige Partner:in kann unter bestimmten Voraussetzungen noch Änderungen vornehmen, während der:die geschäftsunfähige Partner:in an die bestehenden Regelungen gebunden bleibt.
Durch vorausschauende Planung können Sie viele Probleme vermeiden und sicherstellen, dass Ihr letzter Wille auch dann Bestand hat, wenn sich Ihre gesundheitliche Situation verändert.