Welche Rolle spielt die Geschäftsfähigkeit bei Testaments­änderungen und -widerruf?

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Zusammenfassung

Die Geschäfts­fähigkeit des Erblassers ist entscheidend für die Gültigkeit von Änderungen oder Widerrufen eines Testaments. Während die Testier­fähigkeit zum Zeitpunkt der Testament­serrichtung maßgeblich ist, muss sie auch bei späteren Änderungen oder Widerrufen gegeben sein. Vorbeugende Maßnahmen wie Vorsorge­vollmachten und klare Regelungen im Testament können rechtliche Unsicherheiten vermeiden.

Wenn Sie ein Testament errichten, ändern oder widerrufen möchten, spielt Ihre Geschäfts­fähigkeit eine entscheidende Rolle. Doch welche rechtlichen Folgen hat es, wenn Sie oder Ihre Angehörigen zum Zeitpunkt einer Testaments­änderung nicht mehr voll geschäfts­fähig sind? Dieser Artikel erklärt Ihnen die rechtlichen Zusammenhänge und gibt praktische Hinweise für verschiedene Lebens­situationen.

Geschäfts­fähigkeit und Testier­fähigkeit - die Grund­lagen

Bevor wir uns mit den Details beschäftigen, ist es wichtig, zwei grundlegende Begriffe zu verstehen:

Was bedeutet Geschäfts­fähigkeit?

Die Geschäfts­fähigkeit bezeichnet Ihre rechtliche Fähigkeit, gültige Verträge abzuschließen und Rechts­geschäfte eigenständig vorzunehmen. Sie ist die Grund­voraussetzung für alle rechtlich bindenden Handlungen im Alltag[7].

Was ist Testier­fähigkeit?

Die Testier­fähigkeit ist hingegen speziell auf die Errichtung eines Testaments bezogen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, ein rechtsgültiges Testament zu erstellen. Nach § 2229 BGB ist eine Person testier­unfähig, wenn sie aufgrund einer krankhaften Störung der Geistes­tätigkeit, einer geistigen Behinderung oder einer Bewusstseins­störung nicht in der Lage ist, die Bedeutung ihrer Willens­erklärung zu verstehen oder nach dieser Einsicht zu handeln[7].

Wichtig zu wissen: Um testier­fähig zu sein, müssen Sie mindestens 16 Jahre alt sein und die Bedeutung und Tragweite Ihres Testaments verstehen können[7].

Die Bedeutung der Geschäfts­fähigkeit bei der Testament­serrichtung

Wenn Sie ein Testament errichten, ist Ihre Testier­fähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung ausschlaggebend für die Gültigkeit des Testaments. Fehlt diese Fähigkeit, ist das Testament von Anfang an ungültig[7].

Wie wird die Testier­fähigkeit geprüft?

Bei Zweifel an der Testier­fähigkeit ist oft ein medizinisches Gutachten erforderlich. Dieses wird in der Regel von einem psychiatrischen Facharzt erstellt[7]. Die Rechtsprechung geht grundsätzlich von der Testier­fähigkeit aus, sofern keine konkreten Anhalts­punkte für Zweifel vorliegen.

Praxis­beispiel: Frau Müller leidet an beginnender Demenz, möchte aber noch ihr Testament erstellen. Um spätere Anfechtungen zu vermeiden, lässt sie sich vor dem Termin beim Notar von ihrem Hausarzt die Testier­fähigkeit bestätigen.

Geschäfts­fähigkeit bei Testaments­änderungen und -widerruf

Besonders komplex wird die Situation, wenn Sie ein bestehendes Testament ändern oder widerrufen möchten.

Grund­regel: Auch für Änderungen ist Testier­fähigkeit nötig

Für die Änderung oder den Widerruf eines Testaments benötigen Sie die gleiche Testier­fähigkeit wie für die ursprüngliche Errichtung. Das bedeutet: Wer testier­unfähig ist, kann sein Testament nicht mehr wirksam widerrufen[1].

Was passiert, wenn die Testier­fähigkeit nachträglich verloren geht?

Haben Sie zum Zeitpunkt der Testaments­errichtung ein gültiges Testament erstellt, später jedoch Ihre Testier­fähigkeit verloren, bleibt das Testament weiterhin gültig. Allerdings können Sie es nun nicht mehr selbstständig ändern oder widerrufen[1][7].

Besondere Heraus­forderungen beim Ehe­gatten­testament

Bei einem gemeinschaftlichen Testament (oft als “Berliner Testament” bezeichnet) ergeben sich besondere Heraus­forderungen, wenn ein Partner seine Geschäfts­fähigkeit verliert.

Wechsel­bezügliche Verfügungen und ihre Bindungs­wirkung

Haben Sie und Ihr:e Ehe­partner:in in einem gemeinschaftlichen Testament wechsel­bezügliche Verfügungen getroffen (z.B. sich gegenseitig als Erben eingesetzt), sind diese für beide Partner bindend[4].

Widerruf bei Geschäfts­unfähigkeit eines Partners

Wenn ein:e Ehe­partner:in geschäfts­unfähig wird, ergeben sich folgende Konstellationen:

  1. Der geschäfts­unfähige Partner kann das Testament nicht mehr widerrufen[1].

  2. Der noch geschäfts­fähige Partner kann nach verbreiteter Meinung seine eigenen Verfügungen im gemeinsamen Testament noch widerrufen. Dies muss notariell beurkundet werden und dem anderen Teil (bzw. dessen rechtlichen Vertreter:in) zugestellt werden[1][2].

Praxis­beispiel: Herr Schmidt möchte nach der Demenz­erkrankung seiner Frau das gemeinsame Ehe­gatten­testament ändern. Er kann nur seine eigenen Verfügungen widerrufen, muss dies notariell beurkunden lassen und der rechtlichen Betreuer:in seiner Frau zustellen.

Rechtliche Vertretung bei Widerruf

Das Oberlandes­gericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments auch dann möglich ist, wenn ein:e Partner:in nicht mehr testier- und geschäfts­fähig ist. Allerdings muss der Widerruf bestimmte Form­vorschriften einhalten und wirksam zugestellt werden[2].

Beachten Sie: Für die Entgegen­nahme des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments kann die Bestellung einer Ergänzungs­betreuer:in notwendig sein, wenn ein:e Partner:in geschäfts­unfähig ist[5].

Vorbeugende Maßnahmen zur Absicherung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, für den Fall vorzusorgen, dass Sie später Ihre Geschäfts­fähigkeit verlieren könnten.

Vorsorge­vollmacht und Patient:innen­verfügung

Mit einer Vorsorge­vollmacht können Sie eine Vertrauens­person bevollmächtigen, Ihre Angelegen­heiten zu regeln, falls Sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Dies kann auch Entscheidungen in Vermögens­fragen umfassen.

Einzeltestament als Rückfall­option

Eine clevere Vorsorge­strategie beim Ehe­gatten­testament: Sie können vor Abfassung des gemeinsamen Testaments ein Einzel­testament errichten, das ausdrücklich nur dann gelten soll, wenn das gemeinsame Testament von Ihrer:m Partner:in widerrufen wird und Sie selbst mangels Testier­fähigkeit nicht mehr reagieren können[1].

Tipp: Fügen Sie im gemeinsamen Testament einen Hinweis ein, der für diesen Fall die Geltung des zeitlich früheren Einzel­testaments anordnet. Dies schafft rechtliche Klarheit[1].

Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Auch für die Rücknahme eines Testaments aus der amtlichen Verwahrung ist Geschäfts­fähigkeit erforderlich. Ist ein:e Ehe­partner:in nicht mehr geschäfts­fähig, kann der:die andere ein gemeinschaftliches Testament nicht mehr alleine aus der amtlichen Verwahrung entnehmen[8].

Praktische Handlungs­empfehlungen

Basierend auf den rechtlichen Grundlagen empfehlen wir Ihnen folgende Schritte:

  1. Frühzeitig planen: Erstellen Sie Ihr Testament, solange Ihre Testier­fähigkeit zweifelsfrei besteht.

  2. Notarielle Beratung: Bei komplexen Familien­konstellationen oder größerem Vermögen ist eine notarielle Beratung ratsam.

  3. Testier­fähigkeit dokumentieren: Bei Zweifeln an der Testier­fähigkeit kann ein ärztliches Attest oder ein psychiatrisches Gutachten hilfreich sein.

  4. Vorsorge­vollmacht erstellen: Regeln Sie frühzeitig, wer Sie im Fall einer Geschäfts­unfähigkeit vertreten soll.

  5. Bei Ehe­gatten­testament: Rückfall­option vorsehen: Ein vorsorglich errichtetes Einzel­testament kann sinnvoll sein.

Was tun, wenn die Testier­fähigkeit angezweifelt wird?

Wenn nach dem Tod eines Menschen die Testier­fähigkeit zum Zeitpunkt der Testaments­errichtung angezweifelt wird, liegt die Beweis­last bei den Zweifelnden[7]. Ein Testament kann nur für ungültig erklärt werden, wenn die mangelnde Testier­fähigkeit nachgewiesen wird.

Praxis­beispiel: Die Kinder von Herrn Wagner zweifeln sein Testament an, weil er an Alzheimer litt. Sie müssen beweisen, dass er zum Zeitpunkt der Testaments­errichtung bereits testier­unfähig war. Ein notarielles Testament mit Vermerk zur Testier­fähigkeit erschwert diese Beweisführung.

Fazit: Die zeitliche Dimension der Geschäfts­fähigkeit

Entscheidend für die Gültigkeit eines Testaments ist die Testier­fähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung. Für Änderungen oder den Widerruf ist hingegen die Testier­fähigkeit zum Zeitpunkt dieser Handlung maßgeblich.

Bei einem Ehe­gatten­testament entstehen besondere Heraus­forderungen, wenn ein:e Partner:in geschäfts­unfähig wird. Der:Die geschäfts­fähige Partner:in kann unter bestimmten Voraus­setzungen noch Änderungen vornehmen, während der:die geschäfts­unfähige Partner:in an die bestehenden Regelungen gebunden bleibt.

Durch vorausschauende Planung können Sie viele Probleme vermeiden und sicherstellen, dass Ihr letzter Wille auch dann Bestand hat, wenn sich Ihre gesundheitliche Situation verändert.