Welche rechtlichen Konsequenzen hat die versehentliche Zerstörung eines Testaments?

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Zusammenfassung

Ein versehentlich zerstörtes Testament bleibt rechtlich wirksam, doch müssen Betroffene die fehlende Widerrufs­absicht und den ursprünglichen Inhalt nachweisen - etwa durch Kopien oder Zeug:innenaussagen. Um Konflikte zu vermeiden, empfiehlt sich die amtliche Verwahrung beim Nach­lass­gericht, da hierdurch Verlustrisiken minimiert werden. Im Streitfall sollte frühzeitig rechtliche Beratung durch eine Fach­anwältin oder einen Fach­anwalt für Erbrecht hinzugezogen werden.

Ein Testament kann aus verschiedenen Gründen zerstört werden - sei es absichtlich oder aus Versehen. Die rechtlichen Konsequenzen unterscheiden sich dabei grundlegend. Während ein bewusst vernichtetes Testament als widerrufen gilt, bleibt ein versehentlich zerstörtes Testament rechtlich wirksam. Doch wie lässt sich im Nach­hinein beweisen, ob eine Zerstörung absichtlich oder versehentlich geschah?

Der entscheidende Unterschied: Widerrufs­absicht vs. Versehen

Das deutsche Erbrecht unterscheidet klar zwischen der beabsichtigten Vernichtung eines Testaments (Widerruf) und der unabsichtlichen Zerstörung (Versehen).

Ein versehentlich zerstörtes Testament bleibt rechtlich gültig. Diese Regelung mag zunächst überraschen, ist aber logisch: Der in der Testaments­urkunde festgehaltene letzte Wille sollte nicht durch bloße Unachtsamkeit hinfällig werden.

Gemäß § 2255 BGB kann ein Testament durch Vernichtung (Zerreißen, Verbrennen) oder Veränderung (Durch­streichen, Einreißen) widerrufen werden. Entscheidend ist dabei die Widerrufs­absicht des Erblassers.[1] Das bedeutet: Vernichtet der Erblasser das Testament mit klarem Widerrufs­willen, gilt das Testament als widerrufen. Vernichtet er es hingegen versehentlich, bleibt sein letzter Wille rechtlich bestehen.[6]

Die Beweis­situation: Wer muss was nachweisen?

Ist ein Testament nicht auffindbar, stellt sich die Frage, wer die Beweislast trägt:

  1. Keine automatische Widerrufs­vermutung: Es gibt keine gesetzliche Vermutung, dass ein ver­schwundenes Testament in Widerrufs­absicht vernichtet wurde.[2][10]

  2. Beweislast für Widerrufs­absicht: Wer sich auf einen Widerruf beruft (meist die gesetzlichen Erben), muss die Widerrufs­absicht des Erblassers beweisen.[4][5][10]

  3. Beweis für versehentliche Zerstörung: Wer sich auf ein nicht mehr vorhandenes Testament beruft, muss dessen Existenz, Form­wirksamkeit und Inhalt nachweisen, sowie darlegen, dass es ohne Widerrufs­absicht des Erblassers abhanden gekommen ist.[5]

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Das Oberlandesgericht München entschied in einem Fall, dass die bloße Unauffindbarkeit eines Testaments nicht ausreicht, um eine Widerrufs­absicht anzunehmen. Im konkreten Fall wurde eine Fotokopie eines gemeinschaftlichen Testaments gefunden, während das Original fehlte. Das Gericht sah es als nicht erwiesen an, dass die Ehegatten das Testament in Widerrufs­absicht vernichtet hatten.[2]

Nach­weis­möglichkeiten bei verschollenen Testamenten

Wenn Sie sich auf ein nicht mehr auffindbares Testament berufen möchten, können folgende Nach­weise hilfreich sein:

  • Kopien des Originals: Fotokopien können als Indiz für Existenz und Inhalt dienen[2][13]
  • Zeugen­aussagen: Personen, die das Testament gesehen haben[5]
  • Schriftliche Äußerungen: Briefe oder Notizen des Erblassers zu seinen Testier­absichten
  • Gesamtkontext: Familiäre und vermögens­rechtliche Situation als Indiz

Wichtig: Der Beweis durch Zeugen wird in der Regel nur dann als aus­reichend angesehen, wenn die Zeugin oder der Zeuge das Testament persönlich gesehen hat.[5] Bloße Äußerungen des Erblassers über den geplanten Inhalt genügen meist nicht.

Besondere Konstellationen

Mehrere Original­exemplare

Wenn mehrere Originale eines Testaments existieren, gilt:

  • Die Vernichtung nur eines Exemplars kann für einen wirksamen Widerruf ausreichen, wenn der Widerrufswille des Erblassers eindeutig erkennbar ist[7][12]
  • Bei Zweifeln ist zu prüfen, ob der Erblasser möglicherweise vergessen hat, dass noch weitere Originale existieren

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Das OLG Köln entschied in einem Fall, dass die Vernichtung nur eines von zwei Originalen eines Testaments als wirksamer Widerruf anzusehen war. Eine über 90-jährige Erblasserin hatte ein Original ihres Testaments im Beisein ihres Rechtsanwalts zerrissen und dabei klar geäußert, dass sie die darin enthaltene Erbeinsetzung nicht mehr wollte. Das Gericht sah es als nachvollziehbar an, dass die Erblasserin aufgrund ihres Alters vergessen haben könnte, dass noch ein zweites Original existierte.[7]

Durch­streichungen oder Veränderungen

Auch Veränderungen am Testament können als Widerruf gelten:

  • Durch­streichen des Testaments­textes kann einen Widerruf begründen[8]
  • Hinzufügen des Wortes “ungültig” kann als Widerruf gelten[1]
  • Streichungen auf einer bloßen Kopie des Testaments reichen dagegen in der Regel nicht aus[4]

Das OLG Stuttgart entschied beispielsweise, dass Streichungen auf einer Testaments­kopie nicht als Widerruf des Originals anzusehen sind. Außerdem stellte das Gericht fest, dass bei mehreren vorhandenen Testaments­urkunden ein Widerruf nur dann anzunehmen ist, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Erblasser das Testament aufheben wollte.[4]

Praktische Tipps zum Umgang mit Testamenten

Für testier­willige Personen:

  • Amtliche Verwahrung nutzen: Hinterlegen Sie Ihr Testament beim Amtsgericht in amtliche Verwahrung. So vermeiden Sie das Risiko einer versehentlichen Zerstörung.
  • Keine mehrfachen Originale: Erstellen Sie möglichst keine mehreren Original­exemplare, um Unklarheiten zu vermeiden.
  • Bei Widerrufs­absicht: Wenn Sie Ihr Testament widerrufen möchten, vernichten Sie es bewusst und erstellen Sie idealerweise ein neues Testament.
  • Dokumentation: Notieren Sie Datum und Unterschrift auf Ihrem Testament und bewahren Sie es an einem sicheren Ort auf.

Für Angehörige:

  • Sorgfältige Suche: Durchsuchen Sie nach dem Tod einer Person deren Unterlagen gründlich nach testamentarischen Verfügungen.
  • Ablieferungs­pflicht: Gefundene Testamente müssen unverzüglich beim Nach­lass­gericht abgeliefert werden.
  • Vorsicht bei der Wohnungs­auflösung: Achten Sie darauf, dass wichtige Dokumente nicht versehentlich entsorgt werden.
  • Dokumentation: Fertigen Sie ggf. Kopien zur eigenen Dokumentation an (ohne das Original zu verändern).

Rechtliche Konsequenzen bei Vernichtung durch Dritte

Die Vernichtung eines Testaments durch eine dritte Person kann schwerwiegende Folgen haben:

  1. Strafbarkeit: Die Unterdrückung einer Urkunde nach § 274 StGB kann mit Freiheits­strafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.[6][11][14]

  2. Schadens­ersatz­pflicht: Wer ein Testament vorsätzlich nicht abliefert oder vernichtet, muss die dadurch benachteiligten Personen so stellen, als wäre das Testament ordnungsgemäß vollzogen worden.[11]

  3. Erb­unwürdigkeit: Die Person kann als erbunwürdig angesehen werden und ihr eventuell bestehendes gesetzliches Erbrecht verlieren.[6][11]

Handlungs­empfehlungen bei versehentlich zerstörtem Testament

Wenn Sie wissen oder vermuten, dass ein Testament versehentlich zerstört wurde:

  1. Sammeln Sie alle verfügbaren Informationen zum Inhalt (Kopien, Zeugen­aussagen)
  2. Wenden Sie sich an das zuständige Nach­lass­gericht
  3. Konsultieren Sie eine Fach­anwältin oder einen Fach­anwalt für Erbrecht
  4. Dokumentieren Sie alle Umstände, die gegen eine Widerrufs­absicht sprechen
  5. Falls nötig, bereiten Sie sich auf ein gerichtliches Verfahren vor

Fazit

Ein versehentlich zerstörtes Testament bleibt rechtlich wirksam - die Heraus­forderung liegt jedoch im Nachweis des Inhalts und der fehlenden Widerrufs­absicht. Mit sorgfältiger Dokumentation und rechtlicher Unterstützung lässt sich in vielen Fällen der letzte Wille des Erblassers trotz Verlust der Testaments­urkunde ermitteln und durchsetzen.

Denken Sie daran: Testamente sollten sicher verwahrt werden, am besten in amtlicher Verwahrung. So vermeiden Sie von vornherein Schwierigkeiten, die durch Verlust oder Zerstörung entstehen können.