Welche Folgen hat der Widerruf eines Testaments für frühere Versionen?

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Zusammenfassung

Der Widerruf eines Testaments führt im Zweifel dazu, dass ein früheres Testament wieder auflebt (§ 2257 BGB), es sei denn, der Erblasser bestimmt ausdrücklich etwas anderes. Wenn kein gültiges Testament mehr existiert oder frühere Testamente nicht wieder gelten sollen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten klare Formulierungen verwendet und bei komplexen Fällen rechtliche Beratung eingeholt werden.

Ein Testament zu widerrufen gehört zu den grund­legenden Rechten eines jeden Erblassers. Doch was geschieht mit früheren Testamenten nach einem Widerruf? Leben sie wieder auf oder greift die gesetzliche Erbfolge? Diese Fragen sind für viele Menschen in der Nachlass­planung von großer Bedeutung.

Grundlagen des Testaments­widerrufs

Bevor wir uns mit den Folgen eines Widerrufs beschäftigen, ist es hilfreich zu verstehen, wie Sie Ihr Testament über­haupt widerrufen können.

Vier Wege, ein Testament zu widerrufen

Nach deutschem Recht haben Sie mehrere Möglichkeiten, Ihr Testament zu widerrufen:

  1. Widerrufs­testament: Sie errichten ein neues Testament, in dem Sie ausdrücklich erklären, dass Sie Ihr früheres Testament aufheben möchten[3].

  2. Vernichtung oder Veränderung: Sie können Ihr Testament auch widerrufen, indem Sie die Urkunde vernichten oder an ihr deutliche Veränderungen vornehmen, die Ihren Widerrufswillen ausdrücken[3].

  3. Widersprüchliches neues Testament: Wenn Sie ein neues Testament errichten, dessen Inhalt mit dem früheren Testament in Widerspruch steht, gilt das frühere Testament als widerrufen, soweit der Widerspruch reicht[3].

  4. Rücknahme aus amtlicher Verwahrung: Ein notarielles Testament gilt als widerrufen, wenn Sie es aus der amtlichen Verwahrung zurücknehmen[3].

Wichtig: Bei allen Formen des Widerrufs müssen Sie testier­fähig sein - genau wie bei der ursprünglichen Testaments­errichtung[2].

Folgen des Widerrufs für frühere Testamente

Was passiert nun nach einem Widerruf mit früheren letztwilligen Verfügungen? Hier gibt es zwei grund­legende Szenarien:

1. Wiederauf­leben eines älteren Testaments

Wenn Sie ein Testament widerrufen, ohne ein neues zu errichten, stellt sich die Frage, ob ein noch älteres Testament wieder auflebt oder die gesetzliche Erbfolge eintritt.

Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt hierzu eine klare Richtung vor: Hat der Erblasser ein früheres Testament durch ein späteres Testament widerrufen und wird dieses spätere Testament seinerseits widerrufen, so ist im Zweifel das frühere Testament wirksam, als wenn es nicht widerrufen worden wäre (§ 2257 BGB)[3].

Beispiel: Maria errichtet 2020 ein erstes Testament, in dem sie ihre Schwester zur Alleinerbin einsetzt. 2022 verfasst sie ein zweites Testament, das ihre Neffen als Erben vorsieht und das erste Testament aufhebt. 2024 widerruft sie das zweite Testament, ohne ein neues zu errichten. Nach dem Gesetz lebt nun im Zweifel das erste Testament von 2020 wieder auf, und Marias Schwester ist wieder als Alleinerbin vorgesehen.

2. Eintritt der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn:

  • nach dem Widerruf des Testaments kein gültiges Testament mehr existiert
  • frühere Testamente ausdrücklich nicht wieder aufleben sollen
  • bei sich wider­sprechenden Testamenten mit gleichem Datum oder ohne Datum, deren zeitliche Reihenfolge nicht feststellbar ist[3]

Zu beachten: Wenn Sie ein Testament widerrufen und nicht möchten, dass ein früheres Testament wieder auflebt, sollten Sie dies ausdrücklich erklären. Andernfalls gilt die gesetzliche Vermutung des § 2257 BGB.

Besondere Konstella­tionen beim Testaments­widerruf

Widerruf nur einzelner Anordnungen

Sie können ein Testament auch teilweise widerrufen. Wenn Sie nur einzelne Bestimmungen Ihres Testaments aufheben, bleiben die übrigen Anordnungen wirksam[3]. In diesem Fall müssen Sie besonders darauf achten, dass keine wider­sprüchlichen Regelungen entstehen.

Widersprüchliche Testamente

Nach § 2258 BGB wird durch die Errichtung eines neuen Testaments ein früheres Testament aufgehoben, wenn und soweit das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht[3]. Ein Widerspruch besteht, wenn:

  • die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar sind
  • die getroffenen testament­arischen Anordnungen einander entgegen­gesetzt sind
  • sie sich gegenseitig ausschließen

Undatierte Testamente

Bei der Existenz mehrerer Testamente ist die Datierung besonders wichtig:

  • Gibt es ein datiertes und ein undatiertes Testament, gilt das undatierte im Zweifel als das ältere und damit bei Widerspruch als ungültig[3].
  • Bei zwei undatierten Testamenten oder Testamenten mit gleichem Datum, deren zeitliche Reihenfolge nicht feststellbar ist, heben sich wider­sprechende Anordnungen gegenseitig auf[3].

Gemein­schaftliche Testamente

Für Ehegatten­testamente gelten besondere Regeln:

  • Zu Lebzeiten beider Ehegatten können diese ihr gemein­schaftliches Testament gemeinsam widerrufen[3].
  • Ein Ehegatte kann ohne Zustimmung des anderen seine eigenen Verfügungen widerrufen, allerdings wird der einseitige Widerruf erst wirksam, wenn er dem anderen Ehegatten in notariell beurkundeter Form zugeht[3].
  • Nach dem Tod eines Ehegatten kann der überlebende Partner wechsel­bezügliche Verfügungen in der Regel nicht mehr widerrufen[3].

Praktische Hinweise zum Testaments­widerruf

Klare Formu­lierungen nutzen

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie bei einem Widerruf sehr klar formulieren:

  • Ob Sie alle bisherigen Testamente aufheben möchten
  • Ob frühere Testamente wieder gelten sollen oder nicht
  • Welche neuen Bestimmungen gelten sollen

Muster für einen Widerruf: “Hiermit widerrufe ich alle von mir bisher errichteten Testamente. Die gesetzliche Erbfolge soll eintreten.” ODER “Hiermit widerrufe ich mein Testament vom [Datum]. Mein Testament vom [älteres Datum] soll wieder in vollem Umfang gelten.”

Sorgfältige Aufbe­wahrung

Besonders bei eigen­händigen Testamenten ist die Aufbe­wahrung entscheidend:

  • Ein widerrufenes Testament sollten Sie nicht vernichten, wenn Sie es später eventuell noch benötigen könnten.
  • Wenn Sie mehrere Testamente haben, kennzeichnen Sie deutlich, welches das aktuelle ist und welche widerrufen wurden.
  • Die amtliche Verwahrung beim Amtsgericht bietet die größte Sicherheit.

Rechtliche Beratung einholen

Bei komplexen familiären oder vermögens­rechtlichen Verhältnissen empfiehlt sich eine fachkundige Beratung:

  • Fachanwält:innen für Erbrecht können Sie bei der rechts­sicheren Gestaltung unterstützen.
  • Notarielle Beratung hilft, Formfehler zu vermeiden.

Recht­sprechung zum Testaments­widerruf

Die Recht­sprechung hat einige wichtige Grund­sätze entwickelt:

  • Ein sein gesamtes Vermögen umfassendes Testament gilt im Zweifel als konkludenter Widerruf früherer entgegen­stehender rechts­geschäftlicher Erklärungen[1].
  • Ein eigen­händiges Testament kann auch ein notarielles Testament widerrufen - es gibt keine Bevorzugung öffentlicher Testamente[3].
  • Die bloße Streichung einzelner Text­stellen deutet nicht zwingend auf einen unmittelbaren Widerrufs­willen hin, sondern kann unter besonderen Umständen auch lediglich der Vorbereitung eines neuen Testaments dienen[3].

Häufige Fragen zum Testaments­widerruf

Kann ein Testament bedingt widerrufen werden?

Ja, der Widerruf eines Testaments unter einer Bedingung ist zulässig. Sie können beispielsweise ein Vermächtnis für den Fall widerrufen, dass sich der Vermächtnis­nehmer Ihrem Willen widersetzt (z.B. den Pflicht­teil geltend macht)[3].

Was passiert bei Scheidung mit dem Testament?

Eine letztwillige Verfügung zugunsten des Ehegatten wird unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wurde. Dies gilt auch, wenn zur Zeit des Todes die Voraus­setzungen für die Scheidung gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte[3].

Kann ich den Widerruf selbst widerrufen?

Ja, auch der Widerruf eines Widerrufs ist möglich. In diesem Fall ist im Zweifel die ursprüngliche Verfügung wirksam, als wenn sie nicht widerrufen worden wäre (§ 2257 BGB)[3].

Zusammen­fassung: Das Wichtigste zum Testaments­widerruf

  • Ein Testament kann jederzeit widerrufen werden, solange der Erblasser testier­fähig ist.
  • Nach einem Widerruf lebt im Zweifel ein früheres Testament wieder auf, es sei denn, der Erblasser hat etwas anderes bestimmt.
  • Bei gemein­schaftlichen Testamenten gelten besondere Regeln für den Widerruf.
  • Form­vorschriften beachten: Der Widerruf muss den gleichen Form­vorschriften genügen wie das Testament selbst.
  • Eindeutige Formulierung: Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie klar formulieren, was mit früheren Testamenten geschehen soll.
  • Rechtliche Beratung: Bei komplexen Verhältnissen empfiehlt sich eine anwaltliche oder notarielle Beratung.

Ein gut geplanter und korrekt durchgeführter Testaments­widerruf gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihr Nachlass genau nach Ihren aktuellen Wünschen verteilt wird. Nehmen Sie sich Zeit für diese wichtige Entscheidung und holen Sie bei Unsicher­heiten fachkundigen Rat ein.