Welche Auswirkungen haben Heirat oder Scheidung auf ein Testament?

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Zusammenfassung

Eine Heirat hat keine automatische Auswirkung auf die Gültigkeit eines Testaments, kann jedoch die gesetzliche Erbfolge ändern, weshalb eine Überprüfung ratsam ist. Nach einer Scheidung werden Verfügungen zugunsten des/der Ex-Partner:in in der Regel automatisch unwirksam, insbesondere bei Einzel- oder gemeinschaftlichen Testamenten. Um sicherzustellen, dass das Testament den aktuellen Wünschen entspricht, sollten Betroffene nach solchen Lebensereignissen ihr Testament anpassen und rechtlichen Rat einholen.

Lebens­situationen ändern sich - manchmal geplant, manchmal unerwartet. Heirat und Scheidung gehören zu den ein­schneidenden Ereignissen, die nicht nur emotional, sondern auch rechtlich Folgen haben. Diese Veränderungen wirken sich auch auf Ihre erbrechtlichen Regelungen aus. Viele Menschen sind über­rascht, wenn sie erfahren, dass ihre sorgfältig erstellten Testamente durch eine Heirat oder Scheidung möglicherweise nicht mehr gültig sind oder anders interpretiert werden. Dieser Artikel erklärt, was mit Ihrem Testament passiert, wenn sich Ihr Familien­stand ändert.

Auswirkungen einer Heirat auf bestehende Testamente

Wenn Sie vor Ihrer Eheschließung ein Testament errichtet haben, stellt sich die Frage, ob dieses nach der Heirat noch gültig ist. Die Antwort lautet: Ein vor der Ehe erstelltes Testament bleibt grundsätzlich auch nach einer Hochzeit gültig[4]. Es gibt keinen automatischen Widerruf durch die Eheschließung.

Allerdings sollten Sie bedenken:

  • Durch die Heirat ändert sich die gesetzliche Erbfolge, da Ihr:e Ehepartner:in nun gesetzliche Erb­ansprüche hat
  • Ihr Testament könnte nun nicht mehr Ihren aktuellen Wünschen entsprechen
  • Bei Unklarheiten muss im Erbfall das Nach­lassgericht prüfen, ob das Testament auch unter den neuen Umständen Ihrem Willen entspricht

Praktisches Beispiel:

Maria verfasste vor ihrer Hochzeit mit Thomas ein Testament, in dem sie ihre Schwester als Allein­erbin einsetzte. Nach der Hochzeit änderte sie das Testament nicht. Als Maria später verstarb, entschied das Gericht, dass das Testament trotz der Eheschließung gültig blieb, da sie auch nach der Hochzeit ihre Vermögens­gedanken nur mit ihrer Schwester besprochen hatte und keine Schritte unternommen hatte, ihr Testament zu ändern.

Auswirkungen einer Scheidung auf bestehende Testamente

Bei einer Scheidung sieht die rechtliche Situation anders aus. Hier gibt es klarere Regelungen, die Sie kennen sollten:

Einzeltestamente nach einer Scheidung

Bei einem einfachen, allein errichteten Testament gilt:

  • Haben Sie Ihre:n Ehepartner:in als Erb:in eingesetzt, wird diese Verfügung mit der Scheidung automatisch unwirksam (gemäß § 2077 BGB)[2]
  • Die Unwirksamkeit tritt ein, wenn zum Zeit­punkt des Todes alle Voraussetzungen für die Scheidung erfüllt waren[2]
  • Ein neues Testament ist dennoch ratsam, um Klarheit zu schaffen[3]

Wichtig zu wissen: Wenn Sie möchten, dass Ihr:e geschiedene:r Ehepartner:in trotz Scheidung erbt, müssen Sie ein neues Testament errichten, in dem Sie dies ausdrücklich festlegen.

Gemeinschaftliche Testamente (Berliner Testament) nach einer Scheidung

Besonders komplex ist die Situation bei gemeinschaftlichen Testamenten, wie dem häufig gewählten Berliner Testament:

  • Ein Berliner Testament wird nach Scheidung in den meisten Fällen automatisch “seinem ganzen Inhalt nach” ungültig (§ 2268 Abs. 1 BGB)[3]
  • Es gibt jedoch Ausnahmen: Wenn aus dem Testament hervorgeht, dass die Regelungen auch nach einer Scheidung gelten sollen, kann es weiterhin wirksam sein (§ 2268 Abs. 2 BGB)[3][6]
  • Dies kann besonders bei gemeinsamen Kindern der Fall sein, wie der Bundesgerichtshof bestätigt hat (Urteil vom 07.07.2004, Az. VI ZR 187/03)[3]

Besonderheiten bei Berliner Testamenten

Das Berliner Testament ist eine besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments, bei dem sich Eheleute gegenseitig als Allein­erb:innen einsetzen. Dabei sind einige Besonderheiten zu beachten:

  • Ein Berliner Testament kann nur von Eheleuten gemeinsam verfasst werden[5][6]
  • Es enthält typischerweise die gegenseitige Einsetzung als Allein­erb:in[6]
  • Der Widerruf ist nur zu Lebzeiten beider Eheleute und grundsätzlich nur mit Einverständnis beider Parteien möglich[5]
  • Nach dem Tod des ersten Eheteils ist ein Widerruf nicht mehr möglich[5]

Handlungsempfehlungen bei Scheidung mit Berliner Testament

Bei einer Scheidung sollten Sie bei einem bestehenden Berliner Testament folgende Schritte in Betracht ziehen:

  1. Rechtliche Beratung einholen, um die genauen Auswirkungen der Scheidung auf Ihr Testament zu klären
  2. Gemeinsam mit dem/der Ex-Partner:in das Testament widerrufen, solange beide leben
  3. Ein neues Testament errichten, das Ihre geänderten Wünsche berücksichtigt
  4. Bei Uneinigkeit mit dem/der Ex-Partner:in: gerichtliche Klärung anstreben

Wie können Sie ein Testament widerrufen?

Falls Sie nach einer Heirat oder vor einer Scheidung Ihr Testament ändern möchten, haben Sie verschiedene Möglichkeiten:

  • Neues Testament errichten: Ein späteres Testament, das inhaltlich dem früheren widerspricht, widerruft automatisch das ältere (§ 2258 BGB)[5]
  • Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB)[5]
  • Bei notariellen Testamenten: Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung beim Amtsgericht (§ 2256 BGB)[5]

Beispiel für einen Widerruf: Herbert möchte nach seiner Scheidung von Erika sein altes Testament widerrufen. Er holt das notarielle Testament aus der amtlichen Verwahrung zurück und erstellt ein neues handschriftliches Testament, in dem er seine aktuelle Lebens­gefährtin und seine Kinder als Erb:innen einsetzt.

Geschiedenen­testament: Eine sinnvolle Option

Nach einer Scheidung kann es sinnvoll sein, ein spezielles Testament zu errichten, besonders wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind:

  • Ein Geschiedenen­testament regelt klar die Erbfolge nach der Scheidung[2]
  • Es kann beispielsweise sicherstellen, dass Ihr Vermögen an Ihre Kinder geht und nicht an den/die Ex-Partner:in
  • Sie können darin auch Regelungen zum Umgang mit gemeinsamem Vermögen treffen

Praktische Tipps für den Umgang mit Testamenten bei Heirat und Scheidung

Bei Heirat:

  • Überprüfen Sie bestehende Testamente auf ihre Aktualität
  • Besprechen Sie mit Ihrem/Ihrer Partner:in, ob ein gemeinschaftliches Testament sinnvoll ist
  • Lassen Sie sich fachkundig beraten, um Ihre Wünsche rechtssicher umzusetzen

Bei Scheidung:

  • Handeln Sie zeitnah, um Ihr Testament anzupassen
  • Dokumentieren Sie klar Ihren Willen, wenn Ihr:e Ex-Partner:in trotz Scheidung erben soll
  • Achten Sie auf die rechtliche Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten

Besondere Konstellationen und ihre rechtlichen Folgen

Testament vor nichtehelicher Lebensgemeinschaft

Interessant ist ein Fall, den das OLG Schleswig-Holstein entschied: Wenn jemand seine:n Partner:in in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Erb:in einsetzt, später heiratet und sich wieder scheiden lässt, kann das ursprüngliche Testament wieder wirksam werden[8]. Dies zeigt, wie komplex die Materie sein kann und wie wichtig eine individuelle rechtliche Beratung ist.

Heiratsverbote im Testament

Manchmal versuchen Erblasser:innen, Einfluss auf die Partnerwahl ihrer Erb:innen zu nehmen. Sogenannte “Heiratsverbote” in Testamenten sind jedoch nur unter bestimmten Bedingungen wirksam[7]. Wenn beispielsweise die Enterbung an die Eheschließung mit einer bestimmten Person geknüpft wird, kann dies sittenwidrig und damit unwirksam sein. Hier ist die Grenze zwischen Testierfreiheit und Sittenwidrigkeit fließend.

Zusammenfassung: Was Sie tun sollten

  1. Überprüfen Sie Ihr Testament nach jeder wesentlichen Lebensänderung (Heirat, Scheidung, Geburt von Kindern)
  2. Holen Sie sich rechtliche Beratung von Fachleuten für Erbrecht
  3. Erstellen Sie klare, eindeutige Regelungen, die Ihren aktuellen Wünschen entsprechen
  4. Bewahren Sie Ihr Testament sicher auf oder geben Sie es in amtliche Verwahrung
  5. Informieren Sie Vertrauenspersonen über den Aufbewahrungsort

Mit vorausschauender Planung und fachkundiger Unterstützung können Sie sicherstellen, dass Ihr letzter Wille auch nach Veränderungen in Ihrem Familienleben respektiert wird. So schaffen Sie Klarheit für sich selbst und Ihre Angehörigen und vermeiden möglicherweise langwierige Rechtsstreitigkeiten nach Ihrem Tod.