Können Vermächtnisse und Auflagen nachträglich geändert oder entfernt werden?

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Zusammenfassung

Vermächtnisse und Auflagen können nachträglich geändert oder entfernt werden, wobei Einzeltestamente große Flexibilität bieten, während gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge strengeren Regeln unterliegen. Änderungen müssen formell korrekt erfolgen, etwa durch ein neues Testament oder notariellen Widerruf. Eine regelmäßige Überprüfung der Nachlassplanung sowie fachkundige Beratung helfen, Streitigkeiten und rechtliche Hürden zu vermeiden.

In der Erb­rechts­planung sind Vermächtnisse und Auflagen bedeutsame Instrumente, die Erblasser:innen nutzen können, um bestimmte Wünsche zu ver­wirklichen. Doch was, wenn sich Lebens­umstände ändern und die einst getroffenen Regelungen angepasst werden müssen? Dieser Artikel erklärt Ihnen verständlich, unter welchen Bedingungen Sie Vermächtnisse und Auflagen nachträglich verändern oder ganz aufheben können.

Was sind Vermächtnisse und Auflagen überhaupt?

Bevor wir die Änderungs­möglichkeiten betrachten, klären wir kurz die Grund­begriffe:

Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung eines bestimmten Vermögens­vorteils durch Verfügung von Todes wegen. Anders als Erben erhält der:die Vermächtnis­nehmer:in nicht automatisch einen Anteil am Gesamt­nachlass, sondern lediglich einen Anspruch gegen die Erben auf Herausgabe des vermachten Gegen­stands oder Werts[11].

Eine Auflage hingegen verpflichtet die Erben oder Vermächtnis­nehmer:innen, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, etwa die Grabpflege zu über­nehmen oder eine Spende an eine wohltätige Organisation zu leisten.

Änderung von Vermächtnissen und Auflagen in Einzel­testamenten

Bei einem selbst­verfassten Einzel­testament haben Sie als Erblasser:in weitreichende Freiheiten:

Grundsätzliche Änderungs­möglichkeiten:

  • Sie können ein Testament jederzeit ändern oder aufheben[3]
  • Ein im Testament angeordnetes Vermächtnis lässt sich jederzeit widerrufen[8]
  • Sie können Vermächtnis­nehmer:innen austauschen oder das Vermächtnis komplett streichen[2]
  • Auch die Änderung des Vermächtnis­inhalts oder der -bedingungen ist möglich

Praktische Umsetzung:

Um ein Vermächtnis oder eine Auflage in Ihrem Einzel­testament zu ändern, haben Sie folgende konkrete Möglichkeiten:

  1. Errichtung eines neuen Testaments, das das alte ersetzt
  2. Widerrufs­testament erstellen, das gezielt einzelne Regelungen aufhebt
  3. Vernichtung des alten Testaments (zerreißen, durchstreichen)
  4. Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung (bei notariellen Testamenten)[8]

Wichtig: Bei der Errichtung eines neuen Testaments sollte das ältere Testament ausdrücklich widerrufen werden, um Rechts­unsicherheiten zu vermeiden.

Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten (Ehegatten­testamenten)

Bei gemeinschaftlichen Testamenten, wie dem sogenannten “Berliner Testament”, gelten andere Regeln:

Entscheidend ist die Art der Verfügung:

  • Einseitige Verfügungen im Ehegatten­testament können ohne Einschränkungen jederzeit widerrufen werden[8]
  • Wechselbezügliche Verfügungen (wenn eine Verfügung nur wegen der anderen getroffen wurde) können hingegen nicht ohne Weiteres geändert werden[8]

Änderungs­möglichkeiten zu Lebzeiten beider Ehepartner:

  • Gemeinschaftlicher Widerruf: Beide Eheleute errichten gemeinsam ein neues Testament oder widerrufen das bestehende
  • Einseitiger Widerruf: Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein:e Ehepartner:in allein widerrufen, was jedoch formellen Anforderungen unterliegt

Nach dem Tod eines Ehepartners:

  • Der überlebende Ehepartner kann wechselbezügliche Verfügungen in der Regel nicht mehr ändern[4]
  • Eine vorsorgliche Öffnungs­klausel im Testament kann dem überlebenden Ehepartner jedoch Änderungs­rechte gewähren
  • Alternativ kann festgelegt werden, dass das Testament bei Wiederverheiratung seine Gültigkeit verliert[4]

Änderungs­möglichkeiten bei Erbverträgen

Erbverträge bieten die stabilste Form der Nachlass­regelung, sind aber entsprechend schwieriger zu ändern:

  • Vermächtnisse und Auflagen in Erbverträgen können im Gegensatz zu Erb­einsetzungen durch ein späteres Testament aufgehoben werden
  • Aber: Dazu ist die notariell beglaubigte Zustimmung des oder der Begünstigten erforderlich[4]
  • Nach dem Tod eines Vertrags­partners ist keine Änderung mehr möglich[4]

Ein Änderungs­vorbehalt im Erbvertrag kann sinnvoll sein:

  • Dieser erlaubt dem Erblasser, bestimmte Regelungen später noch anzupassen
  • Der Vorbehalt kann sich auf das gesamte Vermögen oder nur auf bestimmte Gegenstände beziehen[10]

Formelle Anforderungen bei Änderungen

Je nach Art des ursprünglichen Testaments müssen bei Änderungen unterschiedliche Formvorschriften beachtet werden:

Bei handschriftlichen Testamenten:

  • Die Änderung muss eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden[6]
  • Bei gemeinschaftlichen Testamenten kann ein:e Ehepartner:in schreiben, aber beide müssen unterschreiben[6]

Bei notariellen Testamenten:

  • Grundsätzlich können Sie ein notarielles Testament durch ein handschriftliches ändern
  • Dies ist jedoch nicht empfehlenswert, da die Erben dann meist einen kostspieligen Erbschein benötigen[6]
  • Es reicht nicht aus, auf einer Kopie der Notarurkunde Änderungen vorzunehmen und zu unterschreiben[6]

Praxis­tipp: Lassen Sie Änderungen an notariellen Testamenten oder Erbverträgen immer wieder notariell beurkunden, um Kosten und Probleme für Ihre Erben zu vermeiden.

Verjährung von Vermächtnis­ansprüchen

Für Vermächtnis­nehmer:innen und Erben ist die Verjährung ein wichtiger Aspekt:

  • Vermächtnis­ansprüche verjähren grundsätzlich innerhalb von drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermächtnis­nehmer davon Kenntnis erhalten hat[1][9]
  • Bei Grundstücks­vermächtnissen gilt möglicherweise eine längere Frist von 10 Jahren (OLG München, Beschluss vom 18.02.2021)[5]
  • Vorsorglich sollte ein Vermächtnis innerhalb von drei Jahren geltend gemacht werden[1]

Praktische Tipps für die richtige Vorgehensweise

Für Erblasser:innen:

  • Überprüfen Sie Ihre Nachlass­planung regelmäßig, besonders nach wichtigen Lebens­ereignissen wie Heirat, Geburt von Kindern oder Trennung
  • Widerrufen Sie das gesamte Testament und errichten Sie ein neues, statt nur einzelne Teile zu ändern - das minimiert Streitpotenzial[8]
  • Lassen Sie sich bei komplexen Änderungen von einem Fachanwalt oder einer Fachanwältin für Erbrecht beraten
  • Hinterlegen Sie notarielle Testamente immer beim Amtsgericht, um deren Auffindbarkeit sicher­zustellen

Für Vermächtnis­nehmer:innen:

  • Informieren Sie sich aktiv über Ihre Rechte, wenn Sie vom Vermächtnis erfahren
  • Beachten Sie die Verjährungs­fristen und machen Sie Ihre Ansprüche rechtzeitig geltend
  • Ein Vermächtnis kann auch ausgeschlagen werden, wenn Sie es nicht annehmen möchten[1]
  • Nach Annahme eines Vermächtnisses ist eine Ausschlagung nicht mehr möglich[1]

Besondere Gestaltungs­möglichkeiten

Für bestimmte Lebens­situationen können spezielle Regelungen sinnvoll sein:

  • Ersatz­vermächtnis­nehmer benennen für den Fall, dass der ursprüngliche Vermächtnis­nehmer verstorben ist oder das Vermächtnis ausschlägt[1]
  • Vor- und Nach­vermächtnis ähnlich der Vor- und Nacherbschaft regeln[1]
  • Pflichtteilsstrafklauseln einbauen, um Pflichtteilsansprüche nach dem ersten Erbfall zu verhindern[3]

Fazit: Flexibilität mit richtiger Planung

Vermächtnisse und Auflagen lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen ändern oder aufheben. Die Möglichkeiten hängen stark von der gewählten Testamentsform ab. Während Einzel­testamente große Flexibilität bieten, sind bei gemeinschaftlichen Testamenten und besonders bei Erbverträgen die Änderungs­möglichkeiten eingeschränkt.

Denken Sie daran: Eine gute Nachlass­planung berücksichtigt von Anfang an mögliche künftige Änderungs­bedürfnisse. Mit einer fachkundigen Beratung und der richtigen Form­wahl können Sie sicher­stellen, dass Ihre letztwilligen Verfügungen Ihren aktuellen Wünschen entsprechen - und bei Bedarf angepasst werden können.