Können Dritte den Widerruf eines Testaments anfechten?

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Zusammenfassung

Dritte, wie Erb:innen oder Vermächtnis­nehmer:innen, können den Widerruf eines Testaments nach dem Tod des Erblassers anfechten, wenn dafür ein gesetzlich anerkannter Grund vorliegt, etwa ein Irrtum, Täuschung, Drohung oder fehlende Testier­fähigkeit. Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungs­grundes erfolgen und erfordert klare Beweise. Fachkundige rechtliche Beratung ist dabei unerlässlich.

Der Widerruf eines Testaments und dessen mögliche Anfechtung durch Dritte sind rechtlich komplexe, aber für viele Erb­situationen bedeutsame Themen. Wenn Sie als Erbe:in mit einem Testament­swiderruf konfrontiert sind, der Ihnen nachteilig erscheint, fragen Sie sich vielleicht, ob Sie gegen diesen Widerruf vorgehen können. Dieser Artikel erläutert die rechtlichen Grundlagen und praktischen Möglichkeiten.

Widerruf und Anfechtung - der grundlegende Unterschied

Bevor wir über die Anfechtung sprechen, ist es wichtig zu verstehen, was ein Testament­swiderruf überhaupt ist und wie er sich von einer Anfechtung unterscheidet.

Was ist ein Testamentswiderruf?

Ein Testament­swiderruf ist das Recht des Erblassers, seine letztwillige Verfügung zu Lebzeiten rückgängig zu machen. Nach § 2253 BGB kann jeder Erblasser sein Testament jederzeit widerrufen[1]. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen:

  • Durch ein neues Testament (§ 2258 BGB)
  • Durch ein ausdrückliches Widerruf­stestament (§ 2254 BGB)
  • Durch Vernichtung oder Veränderung der Testament­surkunde (§ 2255 BGB)
  • Durch Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB)

Was ist eine Testamentsanfechtung?

Im Gegensatz zum Widerruf, der nur dem Erblasser zu Lebzeiten zusteht, kann eine Anfechtung auch von Dritten vorgenommen werden - allerdings erst nach dem Tod des Erblassers[3]. Die Anfechtung zielt darauf ab, ein Testament oder eine einzelne Verfügung für unwirksam zu erklären, weil bei der Errichtung bestimmte Mängel vorlagen.

Können Dritte einen Testamentswiderruf anfechten?

Die kurze Antwort lautet: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen können Dritte den Widerruf eines Testaments anfechten[6]. Dies ist besonders relevant, wenn Sie als ursprünglich Begünstigte:r durch einen Widerruf benachteiligt wurden und vermuten, dass dieser Widerruf rechtlich angreifbar ist.

Wer ist anfechtungsberechtigt?

Anfechtungsberechtigt ist grundsätzlich jede Person, die aus der Aufhebung des Testament­swiderrufs einen rechtlichen Vorteil ziehen würde[5]. Das sind typischerweise:

  • Die im ursprünglichen Testament eingesetzten Erb:innen
  • Die im ursprünglichen Testament bedachten Vermächtnis­nehmer:innen
  • Personen, die vom Wegfall des Widerrufs profitieren würden

Zeitpunkt der Anfechtung

Die Anfechtung eines Testament­swiderrufs kann nur nach dem Tod des Erblassers erfolgen[3]. Zu Lebzeiten des Erblassers bleibt ihm das Recht vorbehalten, sein Testament nach Belieben zu ändern oder zu widerrufen.

Gründe für die Anfechtung eines Testamentswiderrufs

Die Anfechtung eines Testament­swiderrufs kann nur auf bestimmten Gründen basieren. Diese sind gesetzlich genau definiert:

1. Irrtum des Erblassers (§ 2078 Abs. 1 BGB)

Ein Testament­swiderruf kann angefochten werden, wenn der Erblasser beim Widerrufen einem Irrtum unterlag[6]. Dabei können verschiedene Arten von Irrtümern relevant sein:

  • Erklärungs­irrtum: Der Erblasser hat etwas anderes erklärt als beabsichtigt.
  • Inhalts­irrtum: Der Erblasser war sich über den Inhalt seiner Erklärung nicht im Klaren.
  • Motiv­irrtum: Der Erblasser hatte eine falsche Vorstellung über bestimmte Tatsachen, die ihn zum Widerruf bewogen haben.

Praktisches Beispiel:

Ein Erblasser nimmt sein Testament aus der amtlichen Verwahrung, um es seinem Sohn zu zeigen. Nach dem Gesetz gilt dies als Widerruf (§ 2256 BGB), obwohl der Erblasser keinen Widerruf beabsichtigte. Der im Testament bedachte Sohn könnte diesen (unbeabsichtigten) Widerruf später anfechten[6].

2. Täuschung oder Drohung (§ 2078 Abs. 2 BGB)

Wenn der Erblasser zu einem Testament­swiderruf durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung bewegt wurde, kann der Widerruf angefochten werden[4]. Dies ist besonders in Fällen relevant, in denen:

  • Familien­mitglieder oder andere Personen den Erblasser mit falschen Tatsachen­behauptungen zum Widerruf veranlasst haben
  • Der Erblasser unter Druck gesetzt wurde, sein Testament zu widerrufen

3. Fehlende Testier­fähigkeit

Ein weiterer wichtiger Anfechtungs­grund ist die mangelnde Testier­fähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Widerrufs[4]. Dies kann der Fall sein, wenn der Erblasser:

  • An Demenz litt
  • Unter dem Einfluss von Medikamenten oder Drogen stand
  • Aus anderen Gründen nicht in der Lage war, die Bedeutung und Tragweite seiner Handlung zu erkennen

Wie geht man bei einer Anfechtung vor?

Wenn Sie einen Testament­swiderruf anfechten möchten, sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

1. Anfechtungs­erklärung

Die Anfechtung erfolgt durch eine eindeutige Erklärung gegenüber dem Nachlass­gericht oder demjenigen, der durch den Widerruf begünstigt wurde[5]. Diese Erklärung sollte:

  • Schriftlich erfolgen
  • Den Anfechtungs­grund klar benennen
  • Innerhalb der gesetzlichen Anfechtungs­frist abgegeben werden

2. Anfechtungs­frist beachten

Die Anfechtung muss innerhalb einer Jahres­frist erfolgen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Anfechtungs­berechtigte vom Anfechtungs­grund Kenntnis erlangt hat[5]. Spätestens 30 Jahre nach dem Erbfall ist eine Anfechtung nicht mehr möglich.

3. Beweise sichern

Für eine erfolgreiche Anfechtung sind Beweise unerlässlich. Sammeln Sie daher:

  • Medizinische Unterlagen (bei Zweifeln an der Testier­fähigkeit)
  • Zeugen­aussagen
  • Schriftliche Dokumente, die Ihre Anfechtungs­gründe belegen können

Praxis­tipps für die Anfechtung eines Testamentswiderrufs

Fachkundige Beratung einholen

Die Anfechtung eines Testament­swiderrufs ist rechtlich anspruchsvoll. Holen Sie unbedingt rechtlichen Rat ein, am besten bei einem auf Erbrecht spezialisiertem:r Rechts­anwalt:in[3]. Sie benötigen professionelle Unterstützung, um Ihre Chancen realistisch einschätzen zu können.

Kosten und Risiken abwägen

Bedenken Sie: Eine Anfechtung kann mit erheblichen Kosten verbunden sein, besonders wenn ein Gerichts­verfahren notwendig wird. Wägen Sie ab, ob der mögliche Nutzen diese Kosten rechtfertigt.

Achtung bei gemeinschaftlichen Testamenten

Bei gemeinschaftlichen Testamenten (wie dem Berliner Testament) gelten besondere Regeln für den Widerruf und dessen Anfechtung[8]. Hier besteht nach dem Tod eines Ehegatten in der Regel keine Möglichkeit mehr, wechsel­bezügliche Verfügungen zu widerrufen.

Besondere Fallkonstellationen

Vernichtung eines Testaments durch Dritte

Wenn ein Testament nicht vom Erblasser selbst, sondern von einer dritten Person vernichtet wurde, bleibt das Testament grundsätzlich wirksam. Nur wenn der Dritte als bloßes „Werkzeug" des Erblassers ohne eigenen Entscheidungs­spielraum handelte, könnte diese Vernichtung als wirksamer Widerruf gelten[7].

Widerruf des Widerrufs

Interessant ist auch, dass ein Erblasser seinen eigenen Widerruf wiederum widerrufen kann. Durch einen solchen „Widerruf des Widerrufs" kann unter Umständen das ursprüngliche Testament wieder aufleben[2].

Fazit

Die Anfechtung eines Testament­swiderrufs durch Dritte ist rechtlich möglich, aber an strenge Voraussetzungen geknüpft. Als mögliche:r Erbe:in oder Vermächtnis­nehmer:in sollten Sie Ihre Anfechtungs­möglichkeiten kennen, aber auch realistisch einschätzen.

Entscheidend für den Erfolg einer Anfechtung sind:

  • Das Vorliegen eines Anfechtungs­grundes (Irrtum, Täuschung, Drohung, Testier­unfähigkeit)
  • Die Einhaltung der Anfechtungs­fristen
  • Ausreichende Beweise für Ihren Anfechtungs­grund
  • Fachkundige rechtliche Beratung und Vertretung

In komplexen erb­rechtlichen Situationen wie dieser bietet die fachliche Beratung durch Rechts­expert:innen die beste Grundlage für eine fundierte Entscheidung und ein erfolgreiches Vorgehen.