Kann man ein Testament mündlich widerrufen?

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Zusammenfassung

Ein Testament kann nach deutschem Recht nicht durch mündliche Äußerungen widerrufen werden. Ein wirksamer Widerruf ist nur möglich durch ein neues, formgerechtes Testament, die Vernichtung der ursprünglichen Urkunde oder die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Diese strengen Vorschriften dienen der Rechts­sicherheit und dem Schutz des letzten Willens.

In den meisten Lebens­situationen können Verein­barungen nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich getroffen werden. Anders verhält es sich jedoch bei Testa­menten. Als rechts­verbindliche Dokumente unterliegen sie strengen Form­vorschriften - auch wenn es um deren Widerruf geht. Doch kann ein Testament auch durch eine einfache mündliche Erklärung widerrufen werden? Diese Frage ist für viele Menschen relevant, die ihr Testament anpassen möchten oder die als möglich Erbende mit wider­sprüchlichen Aussagen eines Erb­lassers konfrontiert sind.

Die rechtliche Ausgangslage: Grund­sätzliches zur Testier­freiheit

Das deutsche Erbrecht basiert auf dem Grundsatz der Testier­freiheit. Dies bedeutet, dass jede Person grund­sätzlich frei entscheiden kann, wem sie ihr Vermögen nach dem Tod hinter­lassen möchte. Diese Freiheit umfasst auch das Recht, ein einmal errichtetes Testament jederzeit zu ändern oder voll­ständig zu widerrufen[4].

Der § 2253 des Bürger­lichen Gesetz­buches (BGB) regelt unmiss­verständlich: Ein Testament kann jederzeit vom Erb­lasser widerrufen werden[8]. Anders als bei anderen Rechts­geschäften gibt es dafür keine zeit­liche Beschränkung. Der Erblasser ist nicht an sein Testament gebunden[8].

Mündliche Äußerungen zum Testament­widerruf: Keine recht­liche Wirkung

Trotz der umfassenden Testier­freiheit reicht eine bloße mündliche Äußerung nicht aus, um ein Testament zu widerrufen. Das deutsche Erbrecht stellt an den Widerruf eines Testaments die gleichen strengen Form­anforderungen wie an dessen Errichtung[7].

Wichtig: Auch wenn ein Erb­lasser mehrfach und vor Zeugen ankündigt, sein Testament zu widerrufen oder bestimmte Personen zu “enterben”, hat dies keinerlei recht­liche Wirkung[7]. Solche Aussagen bleiben ohne Konsequenzen für die im Testament fest­gelegte Erbfolge. Diese bleibt unverändert bestehen, solange das Testament selbst unverändert bleibt.

Ein anschau­liches Beispiel dazu liefert ein Fall des Ober­landes­gerichts (OLG) Düsseldorf: Eine Enkelin behauptete, ihre Groß­mutter habe mehrfach geäußert, sie testamentarisch als Mit­erbin eingesetzt zu haben. Das Gericht urteilte, dass solche Äußerungen rechtlich bedeutungs­los seien. Zeugen­bekund­ungen über Äußerungen der Erb­lasserin seien grund­sätzlich nicht geeignet, das tatsäch­liche Vorhandensein eines Testaments zu beweisen[5].

Wirksame Möglich­keiten des Testament­widerrufs

Um ein Testament wirksam zu widerrufen, stehen dem Erb­lasser mehrere Möglich­keiten zur Verfügung:

1. Das Widerrufs­testament

Die ein­fachste Form des Widerrufs ist das sogenannte Widerrufs­testament. Dabei handelt es sich um ein neues Testament, in dem der Erb­lasser sein früheres Testament ausdrück­lich aufhebt[1][2]. Eine typische Formulierung könnte lauten: “Hiermit widerrufe ich mein Testament vom [Datum].”

Ein Widerrufs­testament muss die gleichen Form­vor­schriften erfüllen wie das ursprüng­liche Testament. Es muss also entweder:

  • hand­schriftlich verfasst und unter­schrieben oder
  • notariell beurkundet sein[1]

2. Vernichtung oder Veränderung der Testament­urkunde

Eine weitere Möglich­keit des Widerrufs besteht darin, die Testament­urkunde zu vernichten oder zu verändern. Sobald der Erb­lasser das von ihm erstellte Dokument zer­reißt, zer­schneidet oder verbrennt, verliert das Testament seine Gültig­keit[7].

Wichtig dabei: Diese Handlung muss vom Erb­lasser persön­lich vorgenommen werden. Die Beauf­tragung eines Stell­vertreters ist grund­sätzlich nicht möglich, es sei denn, dieser handelt “wie ein Werkzeug” ohne eigenen Entscheidungs­spielraum[7].

Ein in den Papier­korb geworfenes Testament ist nicht auto­matisch wider­rufen. Nach einigen Rechts­auf­fassungen kann es darauf ankommen, ob das Testament vorher “zer­knüllt” wurde oder nicht[7].

3. Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Bei einem notariellen Testament oder einem Testament in amt­licher Verwahrung gibt es eine weitere Widerrufs­möglichkeit: Die Rücknahme aus der amt­lichen Verwahrung beim Amts­gericht. Nimmt der Erb­lasser sein Testament aus der Verwahrung zurück, gilt es gesetz­lich als widerrufen[6].

Allerdings kann dieser Widerruf unter bestimmten Umständen angefochten werden. In einem Fall des OLG Düsseldorf wurde entschieden, dass die Rücknahme eines notariellen Testaments anfechtbar ist, wenn sich die Erb­lasserin über die Rechts­wirkung dieser Rücknahme geirrt hat[6].

Sonderfall: Das münd­liche Testament (Not­testament)

Eine Ausnahme im Zusammen­hang mit münd­lichen Erklärungen bildet das sogenannte münd­liche Testament oder Not­testament. Dieses kann unter besonderen Umständen errichtet werden, wenn der Erb­lasser sich in einer akuten Not­situation befindet und kein schrift­liches Testament erstellen kann.

Ein münd­liches Testament kann vom Erb­lasser jederzeit widerrufen werden. Es verliert jedoch ohnehin auto­matisch 14 Tage nach­dem der Erb­lasser wieder in der Lage ist, ein normales Testament zu erstellen, seine Gültig­keit[3].

Rechts­folgen eines wirksamen Widerrufs

Was passiert, wenn ein Testament wirksam widerrufen wurde? Die Rechts­folgen hängen davon ab, ob der Erb­lasser ein neues Testament errichtet hat:

  • Mit neuem Testament: Die Erbfolge richtet sich nach dem neuen Testament.
  • Ohne neues Testament: Es gilt die gesetz­liche Erbfolge nach dem BGB[7].

Praktische Handlungs­empfehlungen

Wenn Sie Ihr Testament ändern oder widerrufen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Erstellen Sie ein neues, form­gültiges Testament, das das alte ausdrück­lich widerruft.
  2. Alternativ können Sie Ihr altes Testament vernichten - zerreißen oder verbrennen Sie es persön­lich.
  3. Bei Unsicher­heiten lassen Sie sich von einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt für Erbrecht beraten.
  4. Bewahren Sie Ihr Testament an einem sicheren Ort auf oder geben Sie es in amt­liche Verwahrung.
  5. Informieren Sie vertraute Personen über den Aufbewahrungs­ort Ihres aktuellen Testaments.

Ab­sicherung gegen ungewollte Widerrufe

Um sich gegen ungewollte oder versehent­liche Widerrufe abzu­sichern, können folgende Maßnahmen sinn­voll sein:

  • Amt­liche Verwahrung: Ein beim Amts­gericht hinter­legtes Testament ist vor unbe­absichtigtem Verlust oder Zerstörung geschützt.
  • Notarielles Testament: Dies bietet zusätz­liche Sicherheit, da es vom Notar beim Nachlassgericht hinterlegt wird.
  • Mehrere Exemplare: Bei besonders wichtigen Regelungen kann es sinnvoll sein, Vertrauens­personen über die Existenz des Testaments zu informieren.

Was bei Streitig­keiten zu beachten ist

Wenn Sie vermuten, dass ein Testament zu Unrecht widerrufen wurde oder ein mündlicher Widerruf fälschlich behauptet wird:

  • Original­dokumente sind entscheidend: Für die Gültigkeit eines Testaments muss in der Regel das Original vorgelegt werden.
  • Beweislast: Wer sich auf ein Testament beruft, muss dessen Existenz nachweisen.
  • Kopien: In Ausnahme­fällen kann auch eine Kopie eines Testaments gültig sein, wenn das Original ohne Wissen und Zutun des Erb­lassers verschwunden ist, wie in einem Fall des OLG Karlsruhe entschieden wurde[6].

Streitig­keiten um Testa­mente sind häufig emotional belastend und rechtlich komplex. Eine früh­zeitige anwalt­liche Beratung kann helfen, Klarheit zu schaffen und passende Lösungs­wege zu finden.

Fazit: Mündliche Testament­widerrufe sind unwirksam

Die Antwort auf die Ausgangsfrage ist eindeutig: Ein Testament kann nach deutschem Recht nicht durch bloße mündliche Äußerungen widerrufen werden. Unab­hängig davon, wie klar oder oft der Erblasser seinen Widerrufs­willen mündlich ausdrückt - rechtliche Wirkung entfaltet dies nicht.

Für einen wirksamen Widerruf bedarf es entweder eines neuen, formgerechten Testaments, der Vernichtung der Testament­urkunde oder der Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Diese Form­strenge mag manchmal umständ­lich erscheinen, dient jedoch dem Schutz des letzten Willens vor übereilten Ent­scheidungen und der Rechts­sicherheit für alle Beteiligten.