Kann man ein Testament mündlich widerrufen?
Ein Testament kann nach deutschem Recht nicht durch mündliche Äußerungen widerrufen werden. Ein wirksamer Widerruf ist nur möglich durch ein neues, formgerechtes Testament, die Vernichtung der ursprünglichen Urkunde oder die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Diese strengen Vorschriften dienen der Rechtssicherheit und dem Schutz des letzten Willens.
- Die rechtliche Ausgangslage: Grundsätzliches zur Testierfreiheit
- Mündliche Äußerungen zum Testamentwiderruf: Keine rechtliche Wirkung
- Wirksame Möglichkeiten des Testamentwiderrufs
- Sonderfall: Das mündliche Testament (Nottestament)
- Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs
- Praktische Handlungsempfehlungen
- Absicherung gegen ungewollte Widerrufe
- Was bei Streitigkeiten zu beachten ist
- Fazit: Mündliche Testamentwiderrufe sind unwirksam
In den meisten Lebenssituationen können Vereinbarungen nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich getroffen werden. Anders verhält es sich jedoch bei Testamenten. Als rechtsverbindliche Dokumente unterliegen sie strengen Formvorschriften - auch wenn es um deren Widerruf geht. Doch kann ein Testament auch durch eine einfache mündliche Erklärung widerrufen werden? Diese Frage ist für viele Menschen relevant, die ihr Testament anpassen möchten oder die als möglich Erbende mit widersprüchlichen Aussagen eines Erblassers konfrontiert sind.
Die rechtliche Ausgangslage: Grundsätzliches zur Testierfreiheit
Das deutsche Erbrecht basiert auf dem Grundsatz der Testierfreiheit. Dies bedeutet, dass jede Person grundsätzlich frei entscheiden kann, wem sie ihr Vermögen nach dem Tod hinterlassen möchte. Diese Freiheit umfasst auch das Recht, ein einmal errichtetes Testament jederzeit zu ändern oder vollständig zu widerrufen[4].
Der § 2253 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt unmissverständlich: Ein Testament kann jederzeit vom Erblasser widerrufen werden[8]. Anders als bei anderen Rechtsgeschäften gibt es dafür keine zeitliche Beschränkung. Der Erblasser ist nicht an sein Testament gebunden[8].
Mündliche Äußerungen zum Testamentwiderruf: Keine rechtliche Wirkung
Trotz der umfassenden Testierfreiheit reicht eine bloße mündliche Äußerung nicht aus, um ein Testament zu widerrufen. Das deutsche Erbrecht stellt an den Widerruf eines Testaments die gleichen strengen Formanforderungen wie an dessen Errichtung[7].
Wichtig: Auch wenn ein Erblasser mehrfach und vor Zeugen ankündigt, sein Testament zu widerrufen oder bestimmte Personen zu “enterben”, hat dies keinerlei rechtliche Wirkung[7]. Solche Aussagen bleiben ohne Konsequenzen für die im Testament festgelegte Erbfolge. Diese bleibt unverändert bestehen, solange das Testament selbst unverändert bleibt.
Ein anschauliches Beispiel dazu liefert ein Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf: Eine Enkelin behauptete, ihre Großmutter habe mehrfach geäußert, sie testamentarisch als Miterbin eingesetzt zu haben. Das Gericht urteilte, dass solche Äußerungen rechtlich bedeutungslos seien. Zeugenbekundungen über Äußerungen der Erblasserin seien grundsätzlich nicht geeignet, das tatsächliche Vorhandensein eines Testaments zu beweisen[5].
Wirksame Möglichkeiten des Testamentwiderrufs
Um ein Testament wirksam zu widerrufen, stehen dem Erblasser mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Das Widerrufstestament
Die einfachste Form des Widerrufs ist das sogenannte Widerrufstestament. Dabei handelt es sich um ein neues Testament, in dem der Erblasser sein früheres Testament ausdrücklich aufhebt[1][2]. Eine typische Formulierung könnte lauten: “Hiermit widerrufe ich mein Testament vom [Datum].”
Ein Widerrufstestament muss die gleichen Formvorschriften erfüllen wie das ursprüngliche Testament. Es muss also entweder:
- handschriftlich verfasst und unterschrieben oder
- notariell beurkundet sein[1]
2. Vernichtung oder Veränderung der Testamenturkunde
Eine weitere Möglichkeit des Widerrufs besteht darin, die Testamenturkunde zu vernichten oder zu verändern. Sobald der Erblasser das von ihm erstellte Dokument zerreißt, zerschneidet oder verbrennt, verliert das Testament seine Gültigkeit[7].
Wichtig dabei: Diese Handlung muss vom Erblasser persönlich vorgenommen werden. Die Beauftragung eines Stellvertreters ist grundsätzlich nicht möglich, es sei denn, dieser handelt “wie ein Werkzeug” ohne eigenen Entscheidungsspielraum[7].
Ein in den Papierkorb geworfenes Testament ist nicht automatisch widerrufen. Nach einigen Rechtsauffassungen kann es darauf ankommen, ob das Testament vorher “zerknüllt” wurde oder nicht[7].
3. Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
Bei einem notariellen Testament oder einem Testament in amtlicher Verwahrung gibt es eine weitere Widerrufsmöglichkeit: Die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung beim Amtsgericht. Nimmt der Erblasser sein Testament aus der Verwahrung zurück, gilt es gesetzlich als widerrufen[6].
Allerdings kann dieser Widerruf unter bestimmten Umständen angefochten werden. In einem Fall des OLG Düsseldorf wurde entschieden, dass die Rücknahme eines notariellen Testaments anfechtbar ist, wenn sich die Erblasserin über die Rechtswirkung dieser Rücknahme geirrt hat[6].
Sonderfall: Das mündliche Testament (Nottestament)
Eine Ausnahme im Zusammenhang mit mündlichen Erklärungen bildet das sogenannte mündliche Testament oder Nottestament. Dieses kann unter besonderen Umständen errichtet werden, wenn der Erblasser sich in einer akuten Notsituation befindet und kein schriftliches Testament erstellen kann.
Ein mündliches Testament kann vom Erblasser jederzeit widerrufen werden. Es verliert jedoch ohnehin automatisch 14 Tage nachdem der Erblasser wieder in der Lage ist, ein normales Testament zu erstellen, seine Gültigkeit[3].
Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs
Was passiert, wenn ein Testament wirksam widerrufen wurde? Die Rechtsfolgen hängen davon ab, ob der Erblasser ein neues Testament errichtet hat:
- Mit neuem Testament: Die Erbfolge richtet sich nach dem neuen Testament.
- Ohne neues Testament: Es gilt die gesetzliche Erbfolge nach dem BGB[7].
Praktische Handlungsempfehlungen
Wenn Sie Ihr Testament ändern oder widerrufen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:
- Erstellen Sie ein neues, formgültiges Testament, das das alte ausdrücklich widerruft.
- Alternativ können Sie Ihr altes Testament vernichten - zerreißen oder verbrennen Sie es persönlich.
- Bei Unsicherheiten lassen Sie sich von einer Fachanwältin oder einem Fachanwalt für Erbrecht beraten.
- Bewahren Sie Ihr Testament an einem sicheren Ort auf oder geben Sie es in amtliche Verwahrung.
- Informieren Sie vertraute Personen über den Aufbewahrungsort Ihres aktuellen Testaments.
Absicherung gegen ungewollte Widerrufe
Um sich gegen ungewollte oder versehentliche Widerrufe abzusichern, können folgende Maßnahmen sinnvoll sein:
- Amtliche Verwahrung: Ein beim Amtsgericht hinterlegtes Testament ist vor unbeabsichtigtem Verlust oder Zerstörung geschützt.
- Notarielles Testament: Dies bietet zusätzliche Sicherheit, da es vom Notar beim Nachlassgericht hinterlegt wird.
- Mehrere Exemplare: Bei besonders wichtigen Regelungen kann es sinnvoll sein, Vertrauenspersonen über die Existenz des Testaments zu informieren.
Was bei Streitigkeiten zu beachten ist
Wenn Sie vermuten, dass ein Testament zu Unrecht widerrufen wurde oder ein mündlicher Widerruf fälschlich behauptet wird:
- Originaldokumente sind entscheidend: Für die Gültigkeit eines Testaments muss in der Regel das Original vorgelegt werden.
- Beweislast: Wer sich auf ein Testament beruft, muss dessen Existenz nachweisen.
- Kopien: In Ausnahmefällen kann auch eine Kopie eines Testaments gültig sein, wenn das Original ohne Wissen und Zutun des Erblassers verschwunden ist, wie in einem Fall des OLG Karlsruhe entschieden wurde[6].
Streitigkeiten um Testamente sind häufig emotional belastend und rechtlich komplex. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung kann helfen, Klarheit zu schaffen und passende Lösungswege zu finden.
Fazit: Mündliche Testamentwiderrufe sind unwirksam
Die Antwort auf die Ausgangsfrage ist eindeutig: Ein Testament kann nach deutschem Recht nicht durch bloße mündliche Äußerungen widerrufen werden. Unabhängig davon, wie klar oder oft der Erblasser seinen Widerrufswillen mündlich ausdrückt - rechtliche Wirkung entfaltet dies nicht.
Für einen wirksamen Widerruf bedarf es entweder eines neuen, formgerechten Testaments, der Vernichtung der Testamenturkunde oder der Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Diese Formstrenge mag manchmal umständlich erscheinen, dient jedoch dem Schutz des letzten Willens vor übereilten Entscheidungen und der Rechtssicherheit für alle Beteiligten.