Gibt es Fristen oder zeitliche Grenzen für die Änderung oder den Widerruf eines Testaments?
Ein Testament kann jederzeit widerrufen oder geändert werden, solange die testierende Person testierfähig ist. Bei geschäftsunfähigen Personen ist dies jedoch nicht mehr möglich, und bei gemeinschaftlichen Testamenten gelten strengere Regeln, insbesondere wenn wechselbezügliche Verfügungen vorliegen. Für den Widerruf gibt es keine Fristen, aber Formvorschriften und besondere Regelungen, die beachtet werden müssen.
- Grundsätzliches zum Widerruf eines Testaments
- Die vier Möglichkeiten, ein Testament zu widerrufen
- Besondere Regelungen bei gemeinschaftlichen Testamenten
- Testamentsänderung bei Geschäftsunfähigkeit
- Fristen und zeitliche Grenzen
- Praktische Empfehlungen für den Umgang mit Testamenten
- Besondere Konstellationen bei gemeinschaftlichen Testamenten
- Besonderheiten bei der Rückgabe eines Testaments aus amtlicher Verwahrung
- Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte im Überblick
Testamente geben uns die Möglichkeit, über unseren Nachlass zu bestimmen. Manchmal ändert sich jedoch unsere Lebenssituation, und wir möchten unser Testament anpassen oder widerrufen. Doch welche zeitlichen Grenzen oder Fristen müssen Sie dabei beachten? Und was passiert, wenn Sie oder ein Angehöriger geschäftsunfähig werden? Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Grundsätzliches zum Widerruf eines Testaments
Ein Testament ist kein unveränderbares Dokument. Gemäß § 2253 BGB kann ein Erblasser ein Testament sowie einzelne darin enthaltene Verfügungen jederzeit widerrufen[13]. Dieses Widerrufsrecht gehört zu den wesentlichen Freiheiten im deutschen Erbrecht und unterliegt grundsätzlich keinen zeitlichen Begrenzungen.
Voraussetzung für den Widerruf ist allerdings, dass Sie testierfähig sind - also die geistige Fähigkeit besitzen, die Bedeutung und Tragweite Ihrer Entscheidung zu verstehen. Fehlt diese Fähigkeit aufgrund von Krankheit oder anderen Umständen, ist ein Widerruf nicht mehr möglich.
Die vier Möglichkeiten, ein Testament zu widerrufen
Das deutsche Erbrecht kennt vier verschiedene Wege, wie Sie ein Testament widerrufen können:
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Errichtung eines Widerrufstestaments: Sie verfassen ein neues Testament, in dem Sie erklären, dass Sie Ihr bisheriges Testament widerrufen[1]. Dieses muss wie jedes Testament handschriftlich verfasst, mit Datum und Ort versehen und unterschrieben sein.
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Vernichtung oder Veränderung des Originals: Sie können Ihr Testament durch Durchstreichen, Zerreißen oder andere Formen der Vernichtung widerrufen[7]. Wichtig: Die Veränderung muss von Ihnen selbst vorgenommen werden.
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Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung: Wenn Sie Ihr Testament beim Amtsgericht hinterlegt haben, können Sie es zurücknehmen - dies gilt rechtlich als Widerruf[10].
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Errichtung eines neuen, widersprechenden Testaments: Wenn Sie ein neues Testament erstellen, das im Widerspruch zu Ihrem früheren Testament steht, gilt das frühere Testament in den widersprechenden Punkten als widerrufen[5].
Besondere Regelungen bei gemeinschaftlichen Testamenten
Bei gemeinschaftlichen Testamenten, wie etwa dem sogenannten Berliner Testament zwischen Eheleuten, gelten strengere Regeln für den Widerruf:
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Enthält das Testament wechselbezügliche Verfügungen (d.h. Verfügungen, die gegenseitig voneinander abhängig sind), können diese nur unter erschwerten Bedingungen widerrufen werden[8].
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Der Widerruf muss durch eine notariell beurkundete Erklärung erfolgen, die dem anderen Ehepartner oder dem eingetragenen Lebenspartner zugestellt werden muss[2].
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Nach dem Tod eines Partners ist der Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen für den überlebenden Partner in der Regel nicht mehr möglich[8].
Testamentsänderung bei Geschäftsunfähigkeit
Eine besondere Herausforderung entsteht, wenn ein Testierender geschäftsunfähig wird, etwa durch Demenz. Hier gilt:
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Eine Person, die geschäftsunfähig geworden ist, kann kein Testament mehr errichten oder widerrufen[8]. Die Testierfähigkeit ist eine höchstpersönliche Fähigkeit, die nicht durch einen Betreuer ersetzt werden kann.
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Ist einer der Ehepartner geschäftsunfähig geworden, kann der andere Partner sein Testament trotzdem widerrufen. Die Widerrufserklärung muss dann dem gesetzlichen Vertreter (Betreuer) des geschäftsunfähigen Partners zugestellt werden[2][4].
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Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Geschäftsunfähigkeit des Widerrufsempfängers den Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments nicht hindert. Der Widerruf ist auch gegenüber einem geschäfts- und testierunfähigen Ehegatten oder Lebenspartner möglich[2].
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Für die Wirksamkeit des Zugangs eines notariellen Testamentswiderrufs an einen Vorsorgebevollmächtigten, der einen Geschäftsunfähigen vertritt, muss dieser als gesetzlicher Vertreter geeignet sein[4].
Fristen und zeitliche Grenzen
Im Gegensatz zu vielen anderen Rechtsbereichen gibt es für den Widerruf eines Testaments keine allgemeinen Fristen[6]. Ein Testament kann grundsätzlich bis zum Tod des Testierenden geändert oder widerrufen werden, vorausgesetzt, die Person ist testierfähig.
Es existieren jedoch einige zeitliche Aspekte, die Sie beachten sollten:
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Bei der Anfechtung eines Testaments (z.B. wegen Irrtum oder Drohung) gilt eine Frist von einem Jahr, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtende von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat[9][11].
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Der Widerruf muss zu Lebzeiten des Testierenden erfolgen. Ein nach dem Tod entdeckter, nicht formgerechter Widerruf ist unwirksam.
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Bei einem gemeinschaftlichen Testament muss der Widerruf dem anderen Partner zu dessen Lebzeiten zugehen[8].
Praktische Empfehlungen für den Umgang mit Testamenten
Um Probleme zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten:
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Regelmäßige Überprüfung: Kontrollieren Sie Ihr Testament regelmäßig, besonders nach wichtigen Lebensereignissen wie Heirat, Scheidung, Geburt von Kindern oder größeren Vermögensänderungen[3].
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Formvorschriften einhalten: Achten Sie bei jeder Änderung oder beim Widerruf auf die gesetzlichen Formvorschriften. Ein Widerrufstestament muss ebenso den Formvorschriften entsprechen wie das ursprüngliche Testament[1].
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Fachkundige Beratung: Bei komplexen Familienverhältnissen oder größerem Vermögen ist eine Beratung durch Notar:innen oder Fachanwälte:innen für Erbrecht ratsam[3][11].
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Vorsorgevollmacht: Ergänzen Sie Ihr Testament durch eine Vorsorgevollmacht, um für den Fall einer späteren Geschäftsunfähigkeit vorzusorgen.
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Dokumentation: Bewahren Sie wichtige Unterlagen sorgfältig auf und informieren Sie Vertrauenspersonen über den Aufbewahrungsort.
Besondere Konstellationen bei gemeinschaftlichen Testamenten
Ist einer der Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner geschäftsunfähig geworden, können folgende Probleme auftreten:
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Der testierfähige Partner kann sein Testament durch notariell beurkundeten Widerruf ändern. Dieser muss an den Betreuer des geschäftsunfähigen Partners zugestellt werden[4].
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Ist der testierfähige Partner gleichzeitig Betreuer des geschäftsunfähigen Partners, kann ein Ergänzungsbetreuer bestellt werden, der den Widerruf entgegennimmt[6].
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Der Aufgabenbereich des Betreuers muss die Entgegennahme der Widerrufserklärung umfassen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn dem Betreuer der Aufgabenbereich “Vermögensangelegenheiten” übertragen wurde[2].
Haben Sie also ein gemeinschaftliches Testament errichtet und wird Ihr:e Partner:in später geschäftsunfähig, können Sie Ihr Testament trotzdem widerrufen - allerdings unter Beachtung besonderer Formvorschriften und Zugangserfordernisse.
Besonderheiten bei der Rückgabe eines Testaments aus amtlicher Verwahrung
Eine besondere Situation ergibt sich, wenn Sie Ihr Testament in amtliche Verwahrung gegeben haben und es später zurücknehmen möchten, aber zwischenzeitlich geschäftsunfähig geworden sind. Das Oberlandesgericht Köln hat hierzu entschieden:
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Eine Person, die ihr Testament in öffentliche Verwahrung gegeben hat, kann die Herausgabe des Testaments nicht mehr verlangen, wenn sie testierunfähig geworden ist[10].
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Die Herausgabe des öffentlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung führt zum Widerruf des Testaments. Diese Rechtswirkung setzt daher zwingend voraus, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Herausgabe noch testierfähig ist[10].
Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte im Überblick
- Ein Testament kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, solange Sie testierfähig sind.
- Es gibt vier Möglichkeiten für den Widerruf: Widerrufstestament, Vernichtung, Rücknahme aus amtlicher Verwahrung oder Erstellung eines neuen, widersprechenden Testaments.
- Bei gemeinschaftlichen Testamenten gelten strengere Regeln für den Widerruf.
- Geschäftsunfähige Personen können ihr Testament nicht mehr ändern oder widerrufen.
- Für den Widerruf selbst gibt es keine zeitlichen Fristen, anders als bei der Anfechtung eines Testaments.
- Bei geschäftsunfähigen Ehepartnern kann ein Testament durch Zustellung der Widerrufserklärung an den Betreuer widerrufen werden.
Die rechtlichen Möglichkeiten zur Änderung oder zum Widerruf eines Testaments sind vielfältig, aber an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Lassen Sie sich bei Unsicherheiten von Fachleuten beraten, um sicherzustellen, dass Ihr letzter Wille rechtlich wirksam umgesetzt werden kann.