Gibt es Fristen oder zeitliche Grenzen für die Änderung oder den Widerruf eines Testaments?

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Zusammenfassung

Ein Testament kann jederzeit widerrufen oder geändert werden, solange die testierende Person testierfähig ist. Bei geschäfts­unfähigen Personen ist dies jedoch nicht mehr möglich, und bei gemeinschaftlichen Testamenten gelten strengere Regeln, insbesondere wenn wechsel­bezügliche Verfügungen vorliegen. Für den Widerruf gibt es keine Fristen, aber Formvorschriften und besondere Regelungen, die beachtet werden müssen.

Testamente geben uns die Möglichkeit, über unseren Nachlass zu bestimmen. Manchmal ändert sich jedoch unsere Lebenssituation, und wir möchten unser Testament anpassen oder widerrufen. Doch welche zeitlichen Grenzen oder Fristen müssen Sie dabei beachten? Und was passiert, wenn Sie oder ein Angehöriger geschäfts­unfähig werden? Dieser Artikel gibt Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Rahmen­bedingungen.

Grund­sätzliches zum Widerruf eines Testaments

Ein Testament ist kein unveränderbares Dokument. Gemäß § 2253 BGB kann ein Erblasser ein Testament sowie einzelne darin enthaltene Verfügungen jederzeit widerrufen[13]. Dieses Widerrufsrecht gehört zu den wesent­lichen Freiheiten im deutschen Erbrecht und unterliegt grund­sätzlich keinen zeitlichen Begrenzungen.

Voraussetzung für den Widerruf ist allerdings, dass Sie testier­fähig sind - also die geistige Fähigkeit besitzen, die Bedeutung und Tragweite Ihrer Entscheidung zu verstehen. Fehlt diese Fähigkeit aufgrund von Krankheit oder anderen Umständen, ist ein Widerruf nicht mehr möglich.

Die vier Möglichkeiten, ein Testament zu widerrufen

Das deutsche Erbrecht kennt vier verschiedene Wege, wie Sie ein Testament widerrufen können:

  1. Errichtung eines Widerrufs­testaments: Sie verfassen ein neues Testament, in dem Sie erklären, dass Sie Ihr bisheriges Testament widerrufen[1]. Dieses muss wie jedes Testament hand­schriftlich verfasst, mit Datum und Ort versehen und unter­schrieben sein.

  2. Vernichtung oder Veränderung des Originals: Sie können Ihr Testament durch Durchstreichen, Zerreißen oder andere Formen der Vernichtung widerrufen[7]. Wichtig: Die Veränderung muss von Ihnen selbst vor­genommen werden.

  3. Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung: Wenn Sie Ihr Testament beim Amtsgericht hinterlegt haben, können Sie es zurück­nehmen - dies gilt rechtlich als Widerruf[10].

  4. Errichtung eines neuen, wider­sprechenden Testaments: Wenn Sie ein neues Testament erstellen, das im Wider­spruch zu Ihrem früheren Testament steht, gilt das frühere Testament in den wider­sprechenden Punkten als widerrufen[5].

Besondere Regelungen bei gemein­schaftlichen Testamenten

Bei gemeinschaftlichen Testamenten, wie etwa dem sogenannten Berliner Testament zwischen Ehe­leuten, gelten strengere Regeln für den Widerruf:

  • Enthält das Testament wechsel­bezügliche Verfügungen (d.h. Verfügungen, die gegen­seitig voneinander abhängig sind), können diese nur unter erschwerten Bedingungen widerrufen werden[8].

  • Der Widerruf muss durch eine notariell beurkundete Erklärung erfolgen, die dem anderen Ehe­partner oder dem eingetragenen Lebens­partner zugestellt werden muss[2].

  • Nach dem Tod eines Partners ist der Widerruf der wechsel­bezüglichen Verfügungen für den über­lebenden Partner in der Regel nicht mehr möglich[8].

Testaments­änderung bei Geschäfts­unfähigkeit

Eine besondere Herausforderung entsteht, wenn ein Testierender geschäfts­unfähig wird, etwa durch Demenz. Hier gilt:

  • Eine Person, die geschäfts­unfähig geworden ist, kann kein Testament mehr errichten oder widerrufen[8]. Die Testier­fähigkeit ist eine höchst­persönliche Fähigkeit, die nicht durch einen Betreuer ersetzt werden kann.

  • Ist einer der Ehe­partner geschäfts­unfähig geworden, kann der andere Partner sein Testament trotzdem widerrufen. Die Widerrufs­erklärung muss dann dem gesetzlichen Vertreter (Betreuer) des geschäfts­unfähigen Partners zugestellt werden[2][4].

  • Das Oberlandes­gericht Karlsruhe hat entschieden, dass die Geschäfts­unfähigkeit des Widerrufs­empfängers den Widerruf eines gemein­schaftlichen Testaments nicht hindert. Der Widerruf ist auch gegenüber einem geschäfts- und testier­unfähigen Ehe­gatten oder Lebens­partner möglich[2].

  • Für die Wirksamkeit des Zugangs eines notariellen Testaments­widerrufs an einen Vorsorge­bevollmächtigten, der einen Geschäfts­unfähigen vertritt, muss dieser als gesetzlicher Vertreter geeignet sein[4].

Fristen und zeitliche Grenzen

Im Gegensatz zu vielen anderen Rechts­bereichen gibt es für den Widerruf eines Testaments keine allgemeinen Fristen[6]. Ein Testament kann grund­sätzlich bis zum Tod des Testierenden geändert oder widerrufen werden, voraus­gesetzt, die Person ist testier­fähig.

Es existieren jedoch einige zeitliche Aspekte, die Sie beachten sollten:

  • Bei der Anfechtung eines Testaments (z.B. wegen Irrtum oder Drohung) gilt eine Frist von einem Jahr, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtende von dem Anfechtungs­grund Kenntnis erlangt hat[9][11].

  • Der Widerruf muss zu Lebzeiten des Testierenden erfolgen. Ein nach dem Tod entdeckter, nicht formgerechter Widerruf ist unwirksam.

  • Bei einem gemein­schaftlichen Testament muss der Widerruf dem anderen Partner zu dessen Lebzeiten zugehen[8].

Praktische Empfehlungen für den Umgang mit Testamenten

Um Probleme zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Regelmäßige Überprüfung: Kontrollieren Sie Ihr Testament regelmäßig, besonders nach wichtigen Lebens­ereignissen wie Heirat, Scheidung, Geburt von Kindern oder größeren Vermögens­änderungen[3].

  • Formvorschriften einhalten: Achten Sie bei jeder Änderung oder beim Widerruf auf die gesetzlichen Form­vorschriften. Ein Widerrufs­testament muss ebenso den Form­vorschriften entsprechen wie das ursprüngliche Testament[1].

  • Fachkundige Beratung: Bei komplexen Familien­verhältnissen oder größerem Vermögen ist eine Beratung durch Notar:innen oder Fachanwälte:innen für Erbrecht ratsam[3][11].

  • Vorsorge­vollmacht: Ergänzen Sie Ihr Testament durch eine Vorsorge­vollmacht, um für den Fall einer späteren Geschäfts­unfähigkeit vorzusorgen.

  • Dokumentation: Bewahren Sie wichtige Unterlagen sorgfältig auf und informieren Sie Vertrauens­personen über den Aufbewahrungs­ort.

Besondere Konstellationen bei gemein­schaftlichen Testamenten

Ist einer der Ehe­partner oder eingetragenen Lebens­partner geschäfts­unfähig geworden, können folgende Probleme auftreten:

  • Der testier­fähige Partner kann sein Testament durch notariell beurkundeten Widerruf ändern. Dieser muss an den Betreuer des geschäfts­unfähigen Partners zugestellt werden[4].

  • Ist der testier­fähige Partner gleichzeitig Betreuer des geschäfts­unfähigen Partners, kann ein Ergänzungs­betreuer bestellt werden, der den Widerruf entgegen­nimmt[6].

  • Der Aufgaben­bereich des Betreuers muss die Entgegen­nahme der Widerrufs­erklärung umfassen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn dem Betreuer der Aufgaben­bereich “Vermögens­angelegenheiten” übertragen wurde[2].

Haben Sie also ein gemein­schaftliches Testament errichtet und wird Ihr:e Partner:in später geschäfts­unfähig, können Sie Ihr Testament trotzdem widerrufen - allerdings unter Beachtung besonderer Form­vorschriften und Zugangs­erfordernisse.

Besonderheiten bei der Rückgabe eines Testaments aus amtlicher Verwahrung

Eine besondere Situation ergibt sich, wenn Sie Ihr Testament in amtliche Verwahrung gegeben haben und es später zurück­nehmen möchten, aber zwischen­zeitlich geschäfts­unfähig geworden sind. Das Oberlandes­gericht Köln hat hierzu entschieden:

  • Eine Person, die ihr Testament in öffentliche Verwahrung gegeben hat, kann die Heraus­gabe des Testaments nicht mehr verlangen, wenn sie testier­unfähig geworden ist[10].

  • Die Heraus­gabe des öffentlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung führt zum Widerruf des Testaments. Diese Rechts­wirkung setzt daher zwingend voraus, dass der Erblasser zum Zeit­punkt der Heraus­gabe noch testier­fähig ist[10].

Zusammen­fassung: Die wichtigsten Punkte im Überblick

  • Ein Testament kann grund­sätzlich jederzeit widerrufen werden, solange Sie testier­fähig sind.
  • Es gibt vier Möglich­keiten für den Widerruf: Widerrufs­testament, Vernichtung, Rücknahme aus amtlicher Verwahrung oder Erstellung eines neuen, wider­sprechenden Testaments.
  • Bei gemein­schaftlichen Testamenten gelten strengere Regeln für den Widerruf.
  • Geschäfts­unfähige Personen können ihr Testament nicht mehr ändern oder widerrufen.
  • Für den Widerruf selbst gibt es keine zeitlichen Fristen, anders als bei der Anfechtung eines Testaments.
  • Bei geschäfts­unfähigen Ehe­partnern kann ein Testament durch Zustellung der Widerrufs­erklärung an den Betreuer widerrufen werden.

Die rechtlichen Möglichkeiten zur Änderung oder zum Widerruf eines Testaments sind vielfältig, aber an bestimmte Voraus­setzungen geknüpft. Lassen Sie sich bei Unsicher­heiten von Fach­leuten beraten, um sicher­zustellen, dass Ihr letzter Wille rechtlich wirksam umgesetzt werden kann.