Was sollte man bei der Wahl von Vertrauenspersonen für eine Patientenverfügung berücksichtigen?
Die Wahl einer Vertrauensperson für die Patientenverfügung erfordert sorgfältige Überlegung. Sie sollte zuverlässig, erreichbar, kommunikationsstark und mit Ihren Wertvorstellungen vertraut sein. Regelmäßige Gespräche, rechtliche Absicherungen wie die Vorsorgevollmacht und die Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister helfen, Ihre Selbstbestimmung zu wahren und Missverständnisse zu vermeiden.
- Weshalb die Auswahl der Vertrauensperson existenziell ist
- Kriterien für die ideale Vertrauensperson
- Rechtliche Absicherung: Vorsorgevollmacht vs. Betreuungsverfügung
- Praktische Schritte nach der Auswahl
- Wenn keine passende Vertrauensperson existiert
- Typische Fallstricke und wie Sie sie vermeiden
- Fazit: Verantwortung teilen, Selbstbestimmung wahren
Die Wahl einer Vertrauensperson für die Patientenverfügung entscheidet darüber, ob Ihr Wille im Ernstfall respektiert wird. Dieser Mensch übernimmt Verantwortung für medizinische, organisatorische und oft auch finanzielle Belange - eine Entscheidung, die sorgfältige Abwägung erfordert. Zentrale Aspekte sind Vertrauen, Kompetenz und Verfügbarkeit, doch darüber hinaus gibt es rechtliche und praktische Faktoren, die Sie kennen sollten.
Weshalb die Auswahl der Vertrauensperson existenziell ist
Im deutschen Rechtssystem haben Angehörige ohne schriftliche Vollmacht kein automatisches Entscheidungsrecht[3]. Selbst Ehepartner:innen oder Kinder dürfen ohne Vorsorgevollmacht nicht über Behandlungen bestimmen oder Einsicht in medizinische Unterlagen verlangen[5]. Ihre Vertrauensperson wird somit zur gesetzlichen Stellvertreter:in, die
- medizinische Entscheidungen anhand Ihrer Patientenverfügung trifft
- mit Ärzt:innen und Pflegeeinrichtungen kommuniziert
- finanziellen Verpflichtungen nachkommt (z. B. Pflegekosten)
- administrative Aufgaben übernimmt (z. B. Kündigung der Wohnung)
Ohne klare Bevollmächtigung bestellt das Betreuungsgericht eine fremde Person als gesetzliche Betreuer:in[2]. Diese muss zwar Ihren Willen berücksichtigen, kennt Sie aber nicht persönlich.
Kriterien für die ideale Vertrauensperson
1. Unbedingtes Vertrauen
Die Person sollte Ihre Wertvorstellungen zu Leben und Tod teilen und emotional stabil genug sein, um Entscheidungen unter Stress zu treffen. Ein Beispiel: Wenn Sie religiös geprägte Therapieverzichtserklärungen haben, muss Ihre Vertrauensperson diese respektieren - auch gegen Widerstand von Familienmitgliedern[4].
2. Räumliche und zeitliche Verfügbarkeit
Ihre Vertrauensperson sollte innerhalb weniger Stunden erreichbar sein. Bei Notoperationen oder akuten Verschlechterungen des Gesundheitszustands müssen schnell Entscheidungen getroffen werden[5]. Prüfen Sie:
- Wohnort (idealerweise im gleichen Bundesland)
- Berufliche Flexibilität (z. B. Möglichkeit zur Freistellung)
- Gesundheitliche Belastbarkeit
3. Kommunikationsfähigkeit im Medizinsystem
Die Vertrauensperson muss komplexe medizinische Sachverhalte verstehen und gegenüber Ärzt:innen selbstbewusst auftreten. In § 1827 BGB ist festgelegt, dass die Vertreter:in „dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung verschafft“[6]. Das erfordert:
- Kenntnis Ihrer Patientenverfügung
- Fähigkeit, Behandlungsoptionen kritisch zu hinterfragen
- Durchsetzungsvermögen bei Meinungsverschiedenheiten im Behandlungsteam
4. Organisationstalent für administrative Aufgaben
Neben medizinischen Entscheidungen fallen oft praktische Aufgaben an:
- Abwicklung von Mietverträgen
- Verwaltung von Bankkonten
- Koordination von Pflegediensten
Ihre Vertrauensperson sollte daher mit Behördenschreiben, Vertragsrecht und digitaler Kommunikation vertraut sein. Bei finanziellen Vollmachten empfiehlt sich jemand mit Grundkenntnissen in Buchhaltung oder Steuerrecht.
5. Emotionale Distanz bei schwierigen Entscheidungen
Nahe Angehörige sind nicht immer die beste Wahl. Eine Studie der Bundesärztekammer zeigt, dass Partner:innen oder Kinder häufig aus Schuldgefühlen lebensverlängernde Maßnahmen wählen, obwohl die Patientenverfügung anderes vorsieht[1]. Neutralere Personen (z. B. langjährige Freund:innen oder Jurist:innen) handeln oft konsequenter.
Rechtliche Absicherung: Vorsorgevollmacht vs. Betreuungsverfügung
Vorsorgevollmacht
- Sie bestimmen selbst eine Vertrauensperson
- Keine gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen
- Sofortige Handlungsfähigkeit bei Einwilligungsunfähigkeit
- Risiko: Missbrauchsmöglichkeit ohne Kontrollinstanz[3]
Betreuungsverfügung
- Vorschlag ans Betreuungsgericht für gesetzliche Betreuer:in
- Gericht prüft Eignung der vorgeschlagenen Person
- Regelmäßige Kontrolle der Entscheidungen
- Langsamere Umsetzung durch Gerichtsverfahren[2]
Eine Kombination aus beidem ist möglich: Sie benennen eine Vertrauensperson per Vorsorgevollmacht und schlagen in der Betreuungsverfügung eine Kontrollperson vor, die das Gericht bei Verdacht auf Missbrauch einschalten kann[5].
Praktische Schritte nach der Auswahl
1. Ausführliches Gespräch führen
Erläutern Sie nicht nur den Inhalt Ihrer Patientenverfügung, sondern auch die Gründe für bestimmte Entscheidungen. Beispiel: „Warum ich eine künstliche Ernährung im Endstadium einer Demenz ablehne“ sollte mit persönlichen Erfahrungen oder Wertvorstellungen untermauert werden[4].
2. Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister
Trotz korrekter Vollmachten können Dokumente im Notfall unauffindbar sein. Die Registrierung beim Zentralen Vorsorgeregister stellt sicher, dass Gerichte und Krankenhäuser von Ihrer Vertrauensperson erfahren[7].
3. Regelmäßige Aktualisierung
Überprüfen Sie alle zwei Jahre:
- Wohnort und Kontaktdaten der Vertrauensperson
- Gesundheitszustand der Vertrauensperson
- Passgenauigkeit der Patientenverfügung zu Ihrer aktuellen Lebenssituation
Wenn keine passende Vertrauensperson existiert
Manche Menschen haben kein geeignetes Umfeld. In diesem Fall können Sie:
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Professionelle Betreuer:innen beauftragen
Vereine wie der Betreuungsverein Deutschland e.V. vermitteln qualifizierte Personen gegen Kostenübernahme. -
Kombilösungen erstellen
Teilen Sie Verantwortungsbereiche auf: Eine Freund:in übernimmt medizinische Entscheidungen, ein:e Steuerberater:in die finanziellen Aspekte. -
Vorsorgebeirat einsetzen
Mehrere Personen bilden ein Gremium, das Entscheidungen gemeinsam trifft. Dies muss notariell präzise geregelt werden.
Typische Fallstricke und wie Sie sie vermeiden
Fehlende Erreichbarkeit im Urlaub
Legen Sie schriftlich fest, wer im Vertretungsfall einspringt. Beispiel: „Bei Verhinderung von Maria Müller übernimmt Dr. Thomas Schmidt die Entscheidungsbefugnis.“
Emotionale Überforderung
Besprechen Sie mit Ihrer Vertrauensperson die Option, psychologische Begleitung in Anspruch zu nehmen. Manche Krankenkassen übernehmen diese Kosten.
Kultursensible Besonderheiten
In manchen Communities gelten Erkrankungen als Tabuthema. Sozialverbände wie der Paritätische Wohlfahrtsverband bieten muttersprachliche Beratung zur Vorsorgeplanung an.
Fazit: Verantwortung teilen, Selbstbestimmung wahren
Die Wahl der Vertrauensperson ist kein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Planen Sie regelmäßige Gesprächstermine, um neue Lebensumstände (z. B. Scheidung, Krankheit der Vertrauensperson) zu berücksichtigen. Dokumentieren Sie jede Änderung schriftlich und hinterlegen Sie die aktualisierte Version bei Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin. Mit einer sorgfältig ausgewählten Vertrauensperson schaffen Sie Sicherheit - für sich und alle, die im Ernstfall Verantwortung übernehmen müssen.