Brauche ich ärztliche Beratung für eine Patientenverfügung?

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Zusammenfassung

Eine ärztliche Beratung ist für die Erstellung einer Patientenverfügung nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber sehr empfehlenswert, um medizinische Konsequenzen besser zu verstehen und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Besonders bei komplexen Erkrankungen oder unklaren Formulierungen kann das Gespräch mit Ärzt:innen helfen, konkrete und wirksame Anweisungen zu formulieren. Alternativ bieten Online-Tools, Seminare oder Broschüren hilfreiche Unterstützung.

Eine Patientenverfügung ermöglicht es Ihnen, medizinische Entscheidungen für den Ernstfall vorzubereiten. Doch viele Menschen fragen sich: Muss ich dafür zwingend ärztlichen Rat einholen? Die kurze Antwort lautet: Nein - eine verbindliche Patientenverfügung können Sie auch ohne Konsultation erstellen. Allerdings erhöht fachkundige Beratung die Rechtssicherheit und hilft, lebenswichtige Aspekte zu bedenken[1][4].

Rechtliche Grundlagen: Was das Gesetz vorschreibt

Die gesetzliche Regelung in § 1827 BGB verlangt keine ärztliche Mitwirkung bei der Erstellung. Sie können Ihre Verfügung eigenhändig verfassen und unterschreiben[1][3]. Bindend ist sie jedoch nur, wenn Sie konkrete Behandlungssituationen beschreiben und eindeutige Anweisungen formulieren. Pauschale Aussagen wie „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ gelten vor Gericht als unwirksam[1][2].

Typische Fallstricke ohne Beratung

  • Medizinische Unschärfen: Laien unterschätzen oft, welche Konsequenzen bestimmte Entscheidungen haben. Eine Ablehnung der „künstlichen Ernährung“ könnte beispielsweise auch die Verweigerung von Trinknahrung bei Schluckstörungen umfassen - selbst wenn Sie dies nicht beabsichtigen[4][7].
  • Situationsbeschreibungen: Unpräzise Formulierungen wie „im Endstadium einer Krankheit“ lassen Interpretationsspielräume. Ärzt:innen können helfen, klinische Kriterien für solche Phasen zu definieren[2][8].

Wann ärztliche Beratung sinnvoll ist

Obwohl kein Zwang besteht, empfehlen Expert:innen der Verbraucherzentralen und Patientenschutzorganisationen in drei Fällen ausdrücklich medizinischen Rat:

1. Bei komplexen Erkrankungen

Wenn Sie an chronischen Leiden wie Krebs, Demenz oder Herzinsuffizienz leiden, lohnt sich das Gespräch mit Ihrer Hausärzt:in oder Fachärzt:in. Diese können krankheitsspezifische Szenarien erläutern:

Bei fortgeschrittener Demenz kommt es häufig zu Schluckstörungen. Möchten Sie in diesem Fall eine Magensonde oder lieber palliative Begleitung?[4][7]

2. Zur Abwägung von Therapiefolgen

Ärzt:innen erklären, welche Folgen bestimmte Entscheidungen haben:

  • Wie wirkt sich der Verzicht auf eine Beatmung bei COVID-19 aus?
  • Was bedeutet „Schmerztherapie ohne Lebensverlängerung“ konkret?[1][4]
    Solche Details sind für eine informierte Entscheidung unerlässlich.

3. Bei Nutzung von Mustervorlagen

Viele vorgefertigte Textbausteine aus dem Internet enthalten medizinische Fachbegriffe. Eine 15-minütige Klärung mit Ihrer Ärzt:in kann Missverständnisse vermeiden[6][8].

Kosten und Abrechnung der Beratung

Gesetzliche Krankenkassen übernehmen diese Leistung nicht standardmäßig. Nach der Gebührenordnung für Ärzt:innen (GOÄ) können jedoch folgende Posten anfallen:

  • Kurze Beratung: ca. 50-150 €
  • Ausführliche Aufklärung mit Dokumentation: bis zu 235 €[4]
    Vereinbaren Sie vorab einen Termin mit Kostenübersicht - viele Praxen bieten hier Transparenz.

Alternativen zur Einzelberatung

Wenn Ihnen die Kosten zu hoch sind oder Sie lieber selbständig arbeiten möchten, nutzen Sie diese Ressourcen:

Online-Tools mit medizinischer Expertise

Die Verbraucherzentralen bieten ein kostenloses Generator-Tool an, das auf Textbausteinen des Bundesjustizministeriums basiert. Jeder Schritt enthält verständliche Erklärungen zu medizinischen Konsequenzen[1][6].

Gruppeninformationsveranstaltungen

Volkshochschulen, Hospizvereine und Gesundheitsämter veranstalten regelmäßig Seminare, in denen Ärzt:innen und Jurist:innen Grundlagen vermitteln. Diese Termine sind meist kostenfrei oder gegen geringe Gebühr buchbar[6][8].

Literatur mit Praxisbezug

Das Bundesministerium für Justiz stellt eine PDF-Broschüre bereit, die medizinische Standard­situationen verständlich beschreibt - inklusive Beispiele für konkrete Formulierungen[3].

So bereiten Sie das Arztgespräch vor

Maximieren Sie den Nutzen der Beratung mit dieser Checkliste:

  1. Eigenentwurf erstellen
    Notieren Sie Ihre Wünsche vorab - auch wenn sie unsortiert sind.

  2. Fokusfragen formulieren
    „Was passiert genau bei einer PEG-Sonde?“, „Wie äußert sich ein Nierenversagen?“

  3. Unklarheiten markieren
    Kreuzen Sie Stellen in Mustervorlagen an, die Sie nicht verstehen.

  4. Realbeispiele nennen
    „Meine Tante hatte starke Schmerzen im Krebsfinalstadium - welche Optionen hätte es gegeben?“

  5. Dokumentation anfordern
    Bitten Sie um eine schriftliche Zusammenfassung der besprochenen Punkte für Ihre Unterlagen.

Rechtliche Absicherung: Das müssen Sie kombinieren

Eine Patientenverfügung wirkt nur im Zusammenspiel mit anderen Dokumenten:

Vorsorgevollmacht

Benennen Sie eine Vertrauensperson, die Ihre Wünsche im Ernstfall durchsetzt. Ohne diese Vollmacht bestellt das Gericht eine fremde Betreuungsperson[2][5].

Betreuungsverfügung

Legen Sie fest, wer keinesfalls als Betreuer:in infrage kommt - etwa Familienmitglieder, von denen Sie sich entfremdet haben[7].

Aktualisierung und Verwahrung

Überprüfen Sie Ihre Patientenverfügung alle 2-3 Jahre auf Passgenauigkeit. Lebenserfahrungen und medizinische Fortschritte können frühere Entscheidungen überholen.

Sichere Aufbewahrungsorte:

Fazit: Freiwillig, aber empfehlenswert

Während der Gesetzgeber keine Pflicht zur ärztlichen Beratung vorsieht, kann sie Rechtsstreitigkeiten verhindern und Ihnen Sicherheit geben. Nutzen Sie zumindest kostenfreie Angebote, um kritische Aspekte abzuklären. Letztlich geht es darum, Ihren Willen so klar wie möglich zu formulieren - damit Angehörige und Mediziner:innen im Ernstfall ohne Zweifel handeln können.

Eine gut durchdachte Patientenverfügung ist das beste Geschenk an Ihre Familie. Sie erspart ihnen quälende Entscheidungen unter Zeitdruck.