Wie formuliert man "lebensverlängernde Maßnahmen" in der Patientenverfügung präzise?
Eine präzise Patientenverfügung sollte lebensverlängernde Maßnahmen wie künstliche Beatmung, Ernährung oder Reanimation konkret benennen und mit spezifischen Krankheitssituationen verknüpfen, um Missverständnisse zu vermeiden. Rechtssicherheit wird durch regelmäßige Aktualisierung, die Kombination mit einer Vorsorgevollmacht und professionelle Beratung gewährleistet. So sichern Sie Ihre Autonomie und entlasten Angehörige und Ärzt:innen in schwierigen Entscheidungen.
Eine Patientenverfügung gibt Ihren Willen für medizinische Entscheidungen vor, wenn Sie diese nicht mehr selbst treffen können. Die Formulierung „lebensverlängernde Maßnahmen“ birgt jedoch rechtliche und praktische Fallstricke. Dieser Artikel zeigt, wie Sie Ihre Wünsche klar und rechtssicher dokumentieren.
Warum Präzision lebenswichtig ist
Der Bundesgerichtshof hat mehrfach betont, dass pauschale Aussagen wie „Ich wünsche keine lebensverlängernden Maßnahmen“ nicht ausreichen[2][6]. Ärzt:innen und Angehörige benötigen konkrete Anweisungen, um Ihren Willen in kritischen Situationen umzusetzen. Unklare Formulierungen führen häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen oder ungewollten Behandlungen[5][8].
Beispiel: Die Aussage „Keine künstliche Beatmung“ ist präziser als „Keine lebensverlängernden Maßnahmen“. Letzteres lässt offen, ob Sie auch eine Dialyse oder Antibiotikagabe ablehnen würden[3][6].
Konkrete Maßnahmen benennen
Lebensverlängernde Maßnahmen umfassen zahlreiche Eingriffe. Nennen Sie diese explizit:
Künstliche Beatmung
Formulieren Sie, unter welchen Bedingungen eine maschinelle Beatmung beginnen oder beendet werden soll. Ein Beispiel:
„Wenn ich infolge einer unheilbaren Lungenerkrankung dauerhaft beatmungspflichtig werde, wünsche ich keine Intubation. Eine bereits begonnene Beatmung soll eingestellt werden, sobald zwei Fachärzt:innen den irreversiblen Zustand bestätigen.“[3][4]
Ernährung und Flüssigkeitszufuhr
Unterscheiden Sie zwischen natürlicher und künstlicher Ernährung:
„Bei fortgeschrittener Demenz mit Schluckstörungen lehne ich Sondennahrung ab. Mundpflege und assistierte Flüssigkeitsgabe per Löffel wünsche ich weiterhin.“[7]
Reanimation
Legen Sie fest, wann Wiederbelebungsversuche unterbleiben sollen:
„Bei Herz-Kreislauf-Stillstand im Endstadium einer Krebserkrankung verzichte ich auf Herzdruckmassage und Defibrillation.“[4][6]
Medikamentöse Therapien
Spezifizieren Sie den Umgang mit lebenserhaltenden Medikamenten:
„Blutdrucksenkende Mittel sollen bei Nierenversagen nur zur Symptomlinderung, nicht zur Lebensverlängerung gegeben werden.“[3]
Situationsbeschreibungen als Schlüssel
Rechtssichere Formulierungen verknüpfen medizinische Maßnahmen mit konkreten Krankheitsbildern:
Terminalphasen
„Im letzten Stadium einer unheilbaren Erkrankung, wenn der Tod innerhalb von Tagen oder Wochen erwartet wird, lehne ich alle Maßnahmen ab, die lediglich den Sterbeprozess verlängern.“[1][6]
Bewusstseinsstörungen
„Bei dauerhaftem Wachkoma nach Hirnschädigung sollen keine operativen Eingriffe zur Infektionsbekämpfung erfolgen.“[7]
Schwere Behinderungen
„Wenn ich nach einem Schlaganfall dauerhaft künstlich ernährt werden müsste und keine Aussicht auf Besserung besteht, wünsche ich die Einstellung der Ernährungssonde.“[8]
Rechtliche Rahmenbedingungen beachten
Ihre Patientenverfügung wird durch § 1827 BGB geschützt. Beachten Sie:
- Bindungswirkung: Ärzt:innen müssen Ihren dokumentierten Willen respektieren, sofern die Beschreibungen auf die aktuelle Situation zutreffen[6][8].
- Aktualität: Überprüfen Sie die Verfügung alle zwei Jahre und bestätigen Sie dies durch Unterschrift mit Datum[7].
- Kombination mit Vorsorgevollmacht: Benennen Sie eine Vertrauensperson, die im Zweifelsfall Ihre schriftlichen Angaben interpretiert[5][8].
Formulierungsbeispiele aus der Praxis
Akzeptable Präzision
Bei irreversibler Bewusstlosigkeit nach Unfall lehne ich Folgendes ab:
- Tracheotomie zur Langzeitbeatmung
- Implantation von Herzschrittmachern
- Dialyse bei Nierenversagen
Ausnahme: Schmerzmittel auch bei möglicher Lebensverkürzung.“*[1][3]
Unzureichende Formulierung
„Ich möchte nicht an Schläuche angeschlossen werden.“
→ Unklar, ob damit Beatmung, Ernährung oder Infusionen gemeint sind[2][6].
Tipps für die Erstellung
-
Individuelle Beratung nutzen
Lassen Sie Ihre Entwürfe von einer Palliativmediziner:in oder Rechtsberatung prüfen. Viele Hospize bieten kostenlose Unterstützung[5][8]. -
Positive Wünsche formulieren
Statt nur Ablehnungen zu listen, benennen Sie gewünschte Behandlungen:
„Ich wünsche maximale Schmerzlinderung auch mit Opioiden, selbst wenn dies die Wachphasen verkürzt.“[4] -
Religiöse/ethische Gründe erwähnen
„Aus christlicher Überzeugung lehne ich eine künstliche Verlängerung des Sterbeprozesses ab.“
→ Hilft Angehörigen bei der Interpretation[6]. -
Dokumentationshilfe einbinden
Fügen Sie ein separates Blatt mit Erläuterungen zu medizinischen Begriffen für Laien hinzu[1][3].
Die Rolle von Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
Selbst die beste Patientenverfügung kann nicht alle Eventualitäten abdecken. Kombinieren Sie sie daher mit:
- Vorsorgevollmacht: Bevollmächtigen Sie eine Person, die im Zweifel nach Ihren Wertvorstellungen entscheidet[8].
- Betreuungsverfügung: Legen Sie fest, wer gerichtliche Betreuungsanfragen abwehren soll[5].
Beispielformulierung:
„Frau Musterfrau trifft Entscheidungen gemäß meiner Patientenverfügung vom 01.01.2025. Abweichungen sind nur zulässig, wenn neue Behandlungsmethoden meinen klar formulierten Wünschen entsprechen.“
Regelmäßige Anpassung
Ihr Behandlungswille kann sich ändern - dokumentieren Sie dies:
-
Medizinische Neuerungen
Bei Fortschritten in der Palliativmedizin könnten Sie etwa Schmerzmittelzusätze neu bewerten[4][7]. -
Persönliche Erfahrungen
Ein Klinikaufenthalt oder die Erkrankung Nahestehender führt oft zu geänderten Prioritäten[7]. -
Altersbedingte Aspekte
Mit zunehmendem Alter gewinnen Aspekte wie Selbstbestimmung oft an Bedeutung gegenüber Lebensverlängerung um jeden Preis[6].
Fazit
Eine präzise formulierte Patientenverfügung gibt Ihnen die Kontrolle über medizinische Entscheidungen am Lebensende. Der Schlüssel liegt in der konkreten Benennung von Maßnahmen, Krankheitsszenarien und ethischen Präferenzen. Kombinieren Sie schriftliche Anweisungen mit einer vertrauensvollen Person als Vollmachtgeber:in, um Lücken in Krisensituationen zu schließen. Nutzen Sie professionelle Beratungsangebote, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und Ihre Autonomie wirksam zu schützen.