Welche medizinischen Standardsituationen müssen konkret beschrieben werden?

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Zusammenfassung

Eine Patientenverfügung sollte medizinische Standardsituationen wie unheilbare Erkrankungen, Bewusstseinsstörungen, fortgeschrittene Demenz, akute Notfälle und Organspende klar und präzise beschreiben. Wichtig ist die konkrete Festlegung gewünschter oder abgelehnter Maßnahmen wie künstliche Ernährung, Beatmung oder Schmerztherapie, um Interpretationsspielräume zu vermeiden. Regelmäßige Aktualisierungen und die Kombination mit einer Vorsorgevollmacht erhöhen die Handlungssicherheit.

Eine Patientenverfügung gibt Ihren Willen in gesundheitlichen Ausnahme­situationen verbindlich wieder - vorausgesetzt, sie beschreibt medizinische Szenarien und Maßnahmen präzise genug. Dieser Artikel erläutert, welche Standardsituationen Sie unbedingt konkret benennen sollten, um Ärzt:innen und Angehörigen im Ernstfall klare Orientierung zu geben.

Grundlagen der Wirksamkeit

Die rechtliche Verbindlichkeit Ihrer Patientenverfügung hängt von zwei Faktoren ab: der präzisen Beschreibung von Krankheits­situationen und der eindeutigen Festlegung gewünschter oder abgelehnter Maßnahmen. Seit der Neuregelung im § 1827 BGB müssen beide Aspekte „hinreichend bestimmt“ formuliert sein, wie der Bundes­gerichtshof 2016 entschied[4].

Pauschale Formulierungen wie „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ gelten als unzureichend, da sie Interpretations­spielräume eröffnen. Stattdessen empfehlen Rechtsexpert:innen, typische Krisen­szenarien mit konkreten medizinischen Interventionen zu verknüpfen[1][5].

Essenzielle Standardsituationen

1. Terminalphase unheilbarer Erkrankungen

Beschreiben Sie, ab welchem Krankheits­stadium Sie keine kurativen Maßnahmen mehr wünschen. Beispiel:
„Im Endstadium einer Krebs­erkrankung mit Metastasen­bildung und nach Ausschöpfung aller Therapie­optionen lehne ich Chemo­therapie, Bestrahlung und operative Eingriffe ab.“

Wichtig ist die Abgrenzung zur Palliativ­versorgung: Legen Sie fest, ob Schmerz­mittel auch bei möglicher Lebens­verkürzung eingesetzt werden sollen[6][7].

2. Bewusstseins­störungen nach Hirnschädigung

Differenzieren Sie zwischen

Eine mögliche Formulierung:
„Bei schwerer Hirnschädigung mit medizinisch gesicherter Aussichtslosigkeit auf Wieder­erlangung des Bewusstseins lehne ich künstliche Beatmung und PEG-Sonden­ernährung ab. Dies gilt nicht, wenn eine Organ­spende geplant ist.“[1][3]

3. Fortgeschrittene Demenzerkrankungen

Konkretisieren Sie ab welchem Stadium Maßnahmen unterbleiben sollen:
„Sobald ich meine Angehörigen nicht mehr erkenne und keine bedarfs­deckende Nahrungs­aufnahme mehr möglich ist, untersage ich Antibiotika­gaben bei Infekten sowie künstliche Ernährung.“[1][6]

Berücksichtigen Sie dabei den natürlichen Verlauf von Demenz­erkrankungen, bei denen Infektionen häufig die unmittelbare Todes­ursache sind[8].

4. Akute Notfall­situationen

Die „Verfügung für Notfälle“[3] sollte klare Anweisungen enthalten für:

Beispiel:
„Bei plötzlichem Herz­stillstand wünsche ich keine Wieder­belebungs­maßnahmen. Bei beatmungs­pflichtiger Lungen­entzündung soll keine Verlegung auf die Intensiv­station erfolgen.“[4][5]

5. Organspende­spezifische Szenarien

Wenn Sie einen Organspende­ausweis besitzen, regeln Sie den Umgang mit lebens­erhaltenden Maßnahmen während der Organ­entnahme:
„Zur Ermöglichung einer Organ­spende akzeptiere ich maximale intensiv­medizinische Maßnahmen für maximal 72 Stunden.“[1][3]

Kritische medizinische Maßnahmen

Künstliche Ernährung

Präzisieren Sie die Art (Nasen­sonde, PEG-Sonde) und Dauer:
„Eine PEG-Sonde zur künstlichen Ernährung lehne ich ab, sofern keine Besserung des Schluck­vermögens innerhalb von 4 Wochen prognostiziert wird.“[6][7]

Beatmung

Unterscheiden Sie zwischen

Formulierungshilfe:
„Eine invasive Beatmung über Endotracheal­tubus lehne ich ab, sofern diese länger als 14 Tage erforderlich wäre.“[4][8]

Schmerz­therapie

Klären Sie den Umgang mit Opioiden:
„Ich wünsche eine aus­reichende Schmerz­medikation selbst bei möglicher Lebens­verkürzung, sofern diese nicht primäres Behandlungs­ziel ist.“[1][7]

Dialyse

Bei Nieren­versagen:
„Eine chronische Dialyse­behandlung lehne ich ab, wenn parallel eine fortgeschrittene Demenz­erkrankung besteht.“[5][8]

Rechtliche Absicherung

Aktualisierungs­pflicht

Ändern Sie Ihre Verfügung bei neuen medizinischen Erkenntnissen oder persönlichen Erfahrungen. Ein Praxisfall aus[8] zeigt: Nach einem Klinik­aufenthalt revidierte ein Patient seine frühere Zustimmung zur künstlichen Ernährung.

Kombination mit Vorsorge­vollmacht

Eine rechts­verbindliche Patientenverfügung enthält immer:

  • Persönliche Unterschrift mit Datum
  • Benennung einer Vertrauens­person
  • Regelmäßige Bestätigung (mindestens alle 2 Jahre)[2][5]

Seit 2023 gilt das Not­vertretungsrecht für Ehe­partner:innen, das jedoch nach 6 Monaten ver­fällt[5]. Dauerhaften Schutz bietet nur eine notariell beglaubigte Vorsorge­vollmacht.

Praxis­tipps zur Erstellung

  1. Nutzen Sie das Muster des Bundes­justiz­ministeriums als Leitfaden[5]
  2. Besprechen Sie Ihre Vorstellungen mit Haus­ärzt:innen
  3. Hinterlegen Sie die Verfügung beim Zentralen Vorsorge­register[4]
  4. Informieren Sie Pflege­einrichtungen über existierende Verfügungen

Ein Beispielfall aus[8] ver­anschaulicht die Konsequenzen unklarer Formulierungen: Bei einem Schlag­anfall-Patienten führte die pauschale Ablehnung „lebens­verlängernder Maßnahmen“ zu Unsicherheiten über die Zulässigkeit von Flüssigkeits­gabe.

Schluss­betrachtung

Eine präzise Patientenverfügung gibt nicht nur medizinisches Personal Sicherheit - sie entlastet auch Angehörige von quälenden Entscheidungs­konflikten. Indem Sie Standardsituationen konkret beschreiben und medizinische Maßnahmen explizit benennen, schaffen Sie verbindliche Handlungs­grundlagen. Regelmäßige Über­prüfungen und klare Formulierungen stellen sicher, dass Ihr Wille in jeder Lebens­lage respektiert wird.