Ist eine Aktualisierung oder Erweiterung der Patientenverfügung wegen COVID-19 erforderlich?
Eine Aktualisierung Ihrer Patientenverfügung speziell wegen der Coronapandemie ist grundsätzlich nicht notwendig, da medizinische Entscheidungen unabhängig von der Ursache einer Erkrankung getroffen werden. Wichtig bleibt, dass Sie präzise festlegen, ob und unter welchen Umständen Sie eine Beatmung oder Intensivbehandlung wünschen. Allgemein empfiehlt es sich, die Patientenverfügung regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf mit ärztlicher Unterstützung anzupassen.
- Wie Patientenverfügungen im klinischen Alltag wirken
- Warum COVID-19-Sonderregelungen problematisch sind
- Drei zentrale Elemente einer wirksamen Patientenverfügung
- Rechtliche Rahmenbinden nach aktuellem BGB
- Pandemiespezifische Überlegungen zur Aktualisierung
- Praktische Schritte zur Überprüfung Ihrer Patientenverfügung
- Kommunikation mit Angehörigen: So vermeiden Sie Konflikte
- Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden
- Schlussfolgerung: Eigenverantwortung statt Pandemie-Panik
Die Coronapandemie hat viele Menschen verunsichert - auch in Bezug auf ihre Patientenverfügung. Die kurze Antwort lautet: Nein, eine spezifische Aktualisierung Ihrer Patientenverfügung wegen COVID-19 ist grundsätzlich nicht erforderlich. Entscheidend bleibt, ob Sie eine maschinelle Beatmung oder Intensivbehandlung unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung wünschen. Dieser Artikel erklärt, warum medizinische Abläufe keine pandemiespezifischen Anpassungen erfordern, und gibt konkrete Handlungsempfehlungen.
Wie Patientenverfügungen im klinischen Alltag wirken
Eine Patientenverfügung dient dazu, Ihren Willen für den Fall festzuhalten, dass Sie keine Entscheidungen mehr treffen können. Im Krankenhaus orientiert sich das medizinische Personal primär an zwei Fragen: Liegt eine hinreichende Erfolgsaussicht der Behandlung vor? und Entspricht die Therapie dem dokumentierten Patientenwillen?.
Der Fokus auf Behandlungsergebnisse statt Diagnosen
Ob eine Lungenentzündung durch COVID-19, Influenza oder Bakterien verursacht wurde, spielt für die Entscheidung über eine Beatmungstherapie keine Rolle. Maßgeblich ist allein, ob
- die Behandlung lebensrettend wirken kann
- sie mit Ihren schriftlich fixierten Vorstellungen vereinbar ist
Beispiel: Eine 75-jährige Person mit vorbestehender COPD lehnt in ihrer Patientenverfügung eine Langzeitbeatmung ab. Diese Festlegung gilt unabhängig davon, ob die akute Verschlechterung durch Coronaviren oder andere Erreger ausgelöst wurde.
Warum COVID-19-Sonderregelungen problematisch sind
Viele Menschen erwägen Formulierungen wie „Ich lehne eine Beatmung ab, außer bei COVID-19“. Aus medizinischer Sicht sind solche Klauseln praktisch nicht umsetzbar.
Diagnostische Realitäten in Notfallsituationen
Bei Aufnahme ins Krankenhaus steht die unmittelbare Lebensrettung im Vordergrund. Bis ein PCR-Test-Ergebnis vorliegt, vergehen oft Stunden. Eine Beatmung muss aber häufig innerhalb von Minuten eingeleitet werden. Selbst bei typischen COVID-19-Symptomen kann die Ursache letztlich eine andere sein - etwa Herzversagen oder eine Sepsis.
Juristische Unschärfen vermeiden
Patientenverfügungen müssen eindeutig interpretierbar sein. Formulierungen, die auf eine spezifische Diagnose abstellen, bergen das Risiko von Auslegungsstreitigkeiten. Das betrifft auch scheinbar klare Aussagen wie „Bei COVID-19-bedingter Beatmungspflicht will ich alle lebenserhaltenden Maßnahmen“.
Drei zentrale Elemente einer wirksamen Patientenverfügung
Unabhängig von Pandemiesituationen sollten Sie folgende Aspekte klären:
1. Definition von „Behandlungserfolg“ aus Ihrer Perspektive
Mediziner:innen bewerten Erfolg oft an objektiven Parametern wie Überlebensrate oder Organfunktionen. In Ihrer Patientenverfügung können Sie subjektive Kriterien festlegen - etwa:
- Welche Lebensqualität Sie für erstrebenswert halten
- Ob Sie Langzeitbeatmung mit Tracheotomie akzeptieren
- Unter welchen Umständen Sie Reha-Maßnahmen befürworten
2. Konkrete Therapieentscheidungen vorwegnehmen
Verwenden Sie präzise Formulierungen statt allgemeiner Aussagen. Statt „Ich lehne lebensverlängernde Maßnahmen ab“ schreiben Sie besser:
- „Ich lehne eine Wiederbelebung bei Herz-Kreislauf-Stillstand ab“
- „Eine Beatmung über mehr als 14 Tage lehne ich ab“
3. Regelungen zur Entscheidungsdelegation
Benennen Sie eine Vertrauensperson als Vorsorgebevollmächtigte:n. Diese sollte:
- Mit Ihren Wertvorstellungen vertraut sein
- Unter Zeitdruck entscheidungsfähig sein
- Konflikte mit dem Behandlungsteam austragen können
Rechtliche Rahmenbinden nach aktuellem BGB
Die gesetzliche Grundlage der Patientenverfügung ist in § 1827 BGB verankert. Seit der Reform von 2023 gelten folgende Neuerungen:
Verbindlichkeit der schriftlichen Willensäußerung
Ärzt:innen müssen Ihre Patientenverfügung unverzüglich berücksichtigen, sofern sie
- handschriftlich unterschrieben ist
- konkrete Behandlungssituationen beschreibt
- nicht offensichtlich veraltet wirkt
Rolle der Ethikkommission bei Konflikten
Bei Uneinigkeit zwischen Angehörigen und Mediziner:innen kann ein Ethikgremium eingeschaltet werden. Dieses prüft binnen 72 Stunden:
- Passgenauigkeit der Patientenverfügung zur aktuellen Situation
- Plausibilität der Vertretungspersonen-Angaben
Pandemiespezifische Überlegungen zur Aktualisierung
Kapazitätsengpässe kritisch hinterfragen
Anfang 2020 gab es Debatten über Triage-Situationen. Aktuell stehen in Deutschland etwa 25.000 Intensivbetten zur Verfügung. Experten:innen betonen, dass kein systematischer Mangel an Beatmungsplätzen besteht. Eine pauschale Ablehnung von Intensivtherapie „wegen Pandemie“ ist daher medizinisch nicht begründet.
Langzeitfolgen in die Abwägung einbeziehen
Manche COVID-19-Patient:innen entwickeln ein Post-COVID-Syndrom. In Ihrer Patientenverfügung können Sie festhalten, ob Sie
- mehrwöchige Reha-Maßnahmen unterstützen
- dauerhafte Pflegeabhängigkeit akzeptieren
- bestimmte Schmerztherapie-Verfahren bevorzugen
Praktische Schritte zur Überprüfung Ihrer Patientenverfügung
Medizinische Fachberatung nutzen
Vermeiden Sie reine Textbaustein-Sammlungen. Plattformen wie Patientenverfügung.digital bieten onlinebasierte Erstellungshilfen mit ärztlicher Expertise. Diese berücksichtigen:
- Aktuelle Behandlungsstandards
- Typische Interpretationsfallen
- Rechtssichere Formulierungen
Dokumente zugriffsbereit hinterlegen
Bewahren Sie Ihre Patientenverfügung nicht nur zu Hause auf. Stellen Sie sicher, dass
- Ihre Hausarztpraxis eine Kopie hat
- Eine digitale Version im Notfalldatenmanagement gespeichert ist
- Vertrauenspersonen den Aufbewahrungsort kennen
Regelmäßige inhaltliche Anpassungen
Überprüfen Sie Ihre Patientenverfügung alle 2-3 Jahre oder bei:
- Diagnose einer schweren Erkrankung
- Wesentlichen Veränderungen der Lebensumstände
- Neuerungen im Behandlungsrecht
Kommunikation mit Angehörigen: So vermeiden Sie Konflikte
Gemeinsame Gespräche führen
Laden Sie Ihre Vertrauenspersonen zu einem Vorsorgegespräch ein. Besprechen Sie:
- Ihre persönlichen Werte und Ängste
- Konkrete Behandlungsszenarien
- Mögliche Gewissenskonflikte der Beteiligten
Emotionale Herausforderungen anerkennen
Studien zeigen: Viele Menschen scheuen diese Gespräche aus Angst, Angehörige zu belasten. Ein empathischer Einstieg könnte lauten: „Mir ist wichtig, dass du im Ernstfall weißt, was mir wirklich wichtig ist - auch wenn das schwere Entscheidungen bedeutet.“
Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden
1. Unpräzise Formulierungen
Problem: „Ich will keine Apparatemedizin“
Besser: „Ich lehne eine dauerhafte Beatmung mittels Tracheostoma ab. Eine vorübergehende nicht-invasive Beatmung (z.B. über Maske) befürworte ich.“
2. Vernachlässigung von Palliativaspekten
Neben Ablehnung bestimmter Therapien sollten Sie auch positiv formulieren, was Sie wünschen:
- Schmerz- und Symptomlinderung
- Psychosoziale Begleitung
- Spiritualle Begleitung bestimmter Konfession
3. Fehlende rechtliche Absicherung
Eine Patientenverfügung allein genügt nicht. Kombinieren Sie sie mit:
Schlussfolgerung: Eigenverantwortung statt Pandemie-Panik
Die Coronapandemie ändert nichts an den Grundprinzipien einer guten Patientenverfügung. Entscheidend bleibt die klare Artikulation Ihrer Behandlungswünsche - unabhängig von der konkreten Erkrankung. Nutzen Sie ärztliche Beratungsangebote, um medizinisch präzise Formulierungen zu finden. Dokumentieren Sie Ihre Entscheidungen rechtssicher und sorgen Sie für deren Zugänglichkeit im Ernstfall. So gewinnen Sie - und Ihre Angehörigen - Handlungssicherheit in jeder gesundheitlichen Krise.