Warum sollten Ihre Wertvorstellungen in der Patientenverfügung beschrieben sein?

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Zusammenfassung

Ihre Wert­vor­stel­lun­gen in der Pati­en­ten­ver­fü­gung geben Ärzt:innen und Angehörigen klare Orientierung, wenn Entscheidungen über Ihre medizinische Versorgung getroffen werden müssen. Sie helfen, Ihren Willen auch in unvorhergesehenen Situationen zu wahren, reduzieren ethische Konflikte und schaffen Sicherheit für alle Beteiligten. Durch die Beschreibung Ihrer persönlichen Überzeugungen wird Ihre Verfügung zu einem individuellen Ausdruck Ihrer Persönlichkeit und Wünsche.

Eine Pati­en­ten­ver­fü­gung ist mehr als eine Liste medizi­nischer Anweisun­gen - sie ist Ausdruck Ihrer persönlichen Überzeu­gun­gen und Wert­vor­stel­lun­gen. Diese zu dokumentieren, kann im Ernstfall über die Qualität Ihrer medizi­nischen Versorgung entscheiden.

1. Wert­vor­stel­lun­gen als Ent­schei­dungs­hilfe für Ärzt:innen und Angehö­rige

Im Akutfall stehen Behand­eln­de und Betreu­er:innen vor komplexen ethischen Fragen. Selbst die detaillierteste Pati­en­ten­ver­fü­gung kann nicht alle Eventualitäten vorhersehen[3]. Hier werden Ihre grundlegenden Lebensprinzipien zur entscheidenden Interpretationshilfe:

Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrer Verfügung „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ festgehalten. Ohne ergänzende Wertbeschreibungen bleibt unklar, ob Sie damit

Durch Aussagen wie „Mir ist Lebensqualität wichtiger als Lebensdauer“ oder „Ich möchte bis zuletzt bewusst erleben können“ geben Sie Orientierung für konkrete Therapieentscheidungen[3].

2. Rechtliche Sicherheit durch klare Willensbekundung

Das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1827 BGB) verpflichtet Ärzt:innen und Betreuer:innen, Ihren mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Wertvorstellungen gelten hier als konkrete Anhaltspunkte mit hoher Beweiskraft[1].

Relevante Faktoren laut Gesetz:

  • Ethische Grundüberzeugungen
  • Religiöse Prägung
  • Biografische Erfahrungen mit Krankheit
  • Persönliches Verhältnis zu Autonomie und Abhängigkeit[1][4]

Ohne solche Angaben müssen Dritte Ihre Wünsche aus allgemeinen Lebensumständen ableiten - ein riskantes Unterfangen bei komplexen Behandlungssituationen.

3. Absiche­rung Ihres Willens über Krankheits­ver­läu­fe hinweg

Medizinische Prognosen sind oft unsicher. Wertvorstellungen wirken wie ein moralischer Kompass, wenn

  • neue Behandlungsmethoden entwickelt werden
  • sich Ihr Gesundheitszustand unerwartet verändert
  • psychische Veränderungen eintreten[4]

Praxisbeispiel:
Herr Meier lehnte in seiner Verfügung 2015 eine Herzoperation ab. 2023 gibt es schonendere OP-Methoden. Seine Notiz „Ich bin risikobereit, wenn Heilungschancen bestehen“ ermöglicht Ärzt:innen eine zeitgemäße Interpretation.

4. Ethische Konflikte entschärfen

Behand­lungs­abbrüche lösen oft Gewissenskonflikte aus. Klare Wertaussagen

  • entlasten Angehörige von Schuldgefühlen
  • geben Pflegekräften Handlungssicherheit
  • schützen Ärzt:innen vor Vorwürfen der Über- bzw. Untertherapie[1][4]

Studienergebnis:
In 68% der Fälle mit unklaren Verfügungen kommt es zu emotional belastenden Debatten zwischen Behandlungsteam und Familie - bei vorhandenen Wertbeschreibungen sinkt diese Quote auf 12%[4].

5. Indivi­dua­li­sie­rung stan­dard­isierter Vorlagen

Viele nutzen Musterformulare für Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen. Erst persönliche Wertangaben machen diese wirklich aussagekräftig:

Transformationsbeispiel:
Standardaussage: „Ich lehne Beatmung ab.“

  • Wertzusatz: „Weil ich unabhängige Atmung als wesentlichen Lebensausdruck betrachte.“
    = Eindeutige Handlungsanweisung für Intensivmediziner:innen[2][3]

6. Psycholo­gische Entlastung für alle Beteiligten

Ihre Wertvorstellungen zu kennen

  • reduziert Entscheidungsdruck bei Zeitknappheit
  • verhindert Grabenkämpfe unter Angehörigen
  • ermöglicht würdevolles Sterben gemäß Ihrer Persönlichkeit[5]

Betroffenenstimme:
„Als wir Mamas Verfügung mit ihren Gedanken zur Sterbebegleitung lasen, konnten wir ihren Tod als konsequenten Lebensabschluss akzeptieren.“ (Angehörigenbericht)[3]

Konkrete Tipps für Ihre Wert­be­schrei­bung

  1. Reflektieren Sie Schlüsselerfahrungen

    • Wie haben Sie frühere Krisen bewältigt?
    • Welche Krankheitsverläufe in Ihrem Umfeld prägten Sie?
  2. Formulieren Sie positiv
    Statt „Ich will nicht…“ besser:
    „Ich wünsche mir…“, „Mir ist wichtig…“

  3. Benennen Sie spirituelle Quellen
    Ob humanistisch, religiös oder künstlerisch - benennen Sie, was Ihnen Halt gibt.

  4. Dokumentieren Sie Entwicklungen
    „2010 lehnte ich Schmerzmittel ab - seit meiner Krebs­erfah­rung 2022 sehe ich dies anders.“

  5. Verwenden Sie Alltagssprache
    Vermeiden Sie Fachbegriffe zugunsten bildhafter Aussagen:
    „Lieber klar denkend kürzer leben als benebelt länger.“

Häufige Bedenken - klärende Fakten

❌ „Das ist doch nur Gefühlsduselei.“
✅ Gerichtsurteile zeigen: Wertangaben werden bei Behand­lungs­konflikten am häufigsten berücksichtigt[1][4].

❌ „Meine Familie kennt mich doch.“
✅ Unter Stress vergessen Angehörige oft Details - schriftliche Fixierung schützt vor Verzerrungen[5].

❌ „Dauert zu lange zu formulieren.“
✅ Kernaussagen lassen sich in 20 Minuten skizzieren - viele Online­tools bieten Leitfragen[2].

Ihre Wertvorstellungen sind der Schlüssel, um aus einer Pati­en­ten­ver­fü­gung mehr zu machen als ein medizi­nisches Dokument - nämlich ein Portrait Ihrer einzig­artigen Persönlichkeit. Indem Sie ethische Grund­hal­tun­gen, Lebens­prinzi­pien und spirituelle Überzeu­gun­gen festhalten, schaffen Sie Sicherheit für alle, die in schweren Stunden über Ihr Wohl entscheiden müssen. Dieser Schritt erfordert Mut zur Selbst­reflexion - doch er schenkt Ihnen und Ihren Lieben das wertvollste Gut: Gewissheit.