Welche rechtlichen Schritte können nach einer Entscheidung der Schiedsstelle unternommen werden?

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Zusammenfassung

Die Schiedsstelle Patientenverfügung bietet eine unverbindliche Einschätzung bei Konflikten über Patientenverfügungen, doch rechtliche Schritte sind möglich, wenn keine Einigung erzielt wird. Dazu zählen außergerichtliche Verfahren wie Ethikkommissionen oder Schlichtungsstellen sowie gerichtliche Maßnahmen wie einstweilige Anordnungen oder Hauptsacheverfahren beim Betreuungsgericht. Präventiv helfen präzise Formulierungen, regelmäßige Aktualisierungen und klare Vorsorgevollmachten, um Streitigkeiten zu vermeiden.

Die Schiedsstelle Patientenverfügung der Deutschen Stiftung Patientenschutz bietet eine wichtige Unterstützung bei Konflikten um die Auslegung von Patientenverfügungen. Doch was passiert, wenn die Vermittlung nicht zum gewünschten Ergebnis führt oder eine Partei die Empfehlung ablehnt? Dieser Artikel erklärt verständlich, welche rechtlichen Optionen Betroffenen:innen und Angehörigen offenstehen - und wie Sie dabei Ihre Handlungssicherheit bewahren.

Grundlagen der Schiedsstellen-Entscheidung

Die Schiedsstelle fungiert als kostenfreie Mediationsinstanz, die innerhalb von zwei Werktagen eine unverbindliche Einschätzung zur Interpretation von Patientenverfügungen abgibt[1][3]. Ihr Ziel ist es, durch Gutachten und Vermittlungsgespräche eine einvernehmliche Lösung zwischen Ärzt:innen, Pflegepersonal und Angehörigen zu erreichen[6][8]. Wichtig zu wissen: Die Empfehlungen der Schiedsstelle haben keine rechtliche Bindungswirkung[4][7].

Typische Konfliktszenarien

  • Uneindeutige Formulierungen: Vage Aussagen wie „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ lassen Interpretationsspielraum[5][11]
  • Fehlende Aktualisierung: Eine vor 10 Jahren verfasste Verfügung berücksichtigt nicht aktuelle medizinische Möglichkeiten[12]
  • Rollenkonflikte: Unterschiedliche Auffassungen zwischen bevollmächtigten Personen und dem Behandlungsteam[9]

Schritt-für-Schritt: Rechtliche Optionen im Konfliktfall

1. Überprüfung der Schiedsstellen-Empfehlung

Lassen Sie die Stellungnahme der Schiedsstelle durch eine:n Fachanwält:in für Medizinrecht prüfen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen:

  • Formelle Mängel: Wurde die Patientenverfügung eigenhändig unterschrieben? Liegt eine aktuelle Vorsorgevollmacht vor?[5][11]
  • Medizinische Plausibilität: Entspricht die Interpretation dem aktuellen Stand der Behandlung?[3][8]

Praxistipp: Nutzen Sie das kostenlose Qualitätscheck-Angebot der Deutschen Stiftung Patientenschutz zur Dokumentenüberprüfung[12].

2. Außergerichtliche Schlichtungsverfahren

Vor einem Gerichtsverfahren können folgende Alternativen erwogen werden:

a) Ethikkommission des Krankenhauses

Viele Kliniken verfügen über interdisziplinäre Ethik-Konsile, die unter Einbeziehung aller Beteiligten eine Lösung suchen[1][4].

b) Schlichtungsstelle der Landesärztekammer

Diese prüft formlos den Vorwurf der Patientenverfügungs-Verletzung und kann Gutachten erstellen lassen[4][7].

Vorteil: Keine Kostenrisiken - das Verfahren ist für Patient:innen kostenfrei[7][10].

3. Gerichtliche Maßnahmen

Wenn außergerichtliche Lösungen scheitern, bleiben folgende rechtliche Wege:

a) Einstweilige Anordnung beim Betreuungsgericht

Bei akut lebensbedrohlichen Situationen kann binnen 24 Stunden eine einstweilige Anordnung nach § 1829 BGB beantragt werden[5][9].

Beispiel: Die Tochter eines komatösen Patienten beantragt die sofortige Einstellung der Beatmung gemäß Patientenverfügung, während das Krankenhaus auf Weiterbehandlung besteht.

b) Hauptsacheverfahren zur Feststellung des Patientenwillens

Das Betreuungsgericht prüft in einem förmlichen Verfahren:

  1. Gültigkeit der Patientenverfügung
    • Liegt eine schriftliche, unterschriebene Urkunde vor?
    • Trifft sie auf die konkrete Behandlungssituation zu?[5][11]
  2. Rolle der Bevollmächtigten
    • Handelt die vertretende Person im Sinne des Patientenwillens?[9]

Kostenrisiko: Bei Verfahrensverlust tragen Antragstellende die Gerichts- und Gutachterkosten. Rechtsschutzversicherungen decken diese Kosten häufig ab.

c) Strafrechtliche Relevanz

Die missbräuchliche Nichtbeachtung einer wirksamen Patientenverfügung kann als unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder Körperverletzung (§ 223 StGB) gewertet werden[5][11].

Wichtig: Strafanzeigen sollten stets mit anwaltlicher Unterstützung erfolgen.

Präventive Maßnahmen zur Konfliktvermeidung

1. Dokumentenoptimierung

  • Konkretisierung von Behandlungsszenarien:
    „Ich lehne eine künstliche Beatmung ab, wenn zwei unabhängige Neurolog:innen einen irreversiblen Hirnschaden diagnostizieren.“[11]
  • Regelmäßige Aktualisierung: Alle 2-3 Jahre oder bei Diagnose schwerer Erkrankungen[12]

2. Vorsorgevollmacht mit Konfliktklausel

Integrieren Sie in die Vollmacht eine Passage wie:
„Meine Bevollmächtigte:r ist verpflichtet, bei Meinungsverschiedenheiten mit Ärzt:innen zunächst die Schiedsstelle Patientenverfügung einzuschalten.“[8][12]

3. Hinterlegungsstrategien

  • Bundesnotarregister: Kostenpflichtige, aber rechtssichere Registrierung[5]
  • Smartphone-Hinweis: Auf dem gesperrten Bildschirm: „Patientenverfügung und Vollmacht hinterlegt bei …“

Psychosoziale Unterstützungsangebote

Nutzen Sie begleitend:

  • Kostenlose Beratung der Caritas oder Diakonie[12]
  • Selbsthilfegruppen für Angehörige in Entscheidungssituationen
  • Trauerbegleitung bei Konflikten in der Sterbephase

Hinweis: Viele Krankenkassen übernehmen anteilig die Kosten für psychologische Beratungen bei Vorsorgekonflikten.

Fazit: Selbstbestimmung durch klare Wege

Die Schiedsstelle Patientenverfügung bietet einen wertvollen ersten Schritt zur Konfliktlösung - doch ihr Fehlen rechtlicher Verbindlichkeit macht ergänzende Strategien notwendig. Durch präzise Formulierungen, regelmäßige Aktualisierungen und die Kombination mit einer rechtsicheren Vorsorgevollmacht schaffen Sie die beste Grundlage, um Ihren Willen durchzusetzen. In hartnäckigen Konfliktfällen bleibt der Gang zum Betreuungsgericht oft der einzige Weg, um die Patientenautonomie zu wahren.

Letzter Rat: Besprechen Sie Ihre Patientenverfügung immer persönlich mit den beauftragten Vertrauenspersonen - nichts schützt besser vor Missverständnissen als ein klärendes Gespräch unter Angehörigen.