Was ist die Schiedsstelle Patientenverfügung der Deutschen Stiftung Patientenschutz?
Die Schiedsstelle Patientenverfügung der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist eine neutrale Vermittlungsstelle, die bei Konflikten rund um die Auslegung von Patientenverfügungen unterstützt. Sie hilft Angehörigen, Bevollmächtigten und Ärzt:innen, den Willen der betroffenen Person zu klären, und bietet kostenfreie Beratung sowie Mediation an. Ziel ist es, Streitigkeiten außergerichtlich zu lösen und die Selbstbestimmung der Patient:innen zu wahren.
Eine Patientenverfügung soll Sicherheit geben - doch manchmal entstehen Unsicherheiten. Was passiert, wenn Ärzt:innen und Angehörige unterschiedlich interpretieren, was der Wille einer betroffenen Person war? Genau hier setzt die Schiedsstelle Patientenverfügung der Deutschen Stiftung Patientenschutz an. Als kostenfreie Vermittlungsinstanz hilft sie, Konflikte außergerichtlich zu lösen und schützt so die Selbstbestimmung schwer erkrankter Menschen.
Wofür die Schiedsstelle einsteht
Die 2009 gegründete Einrichtung versteht sich als neutrale Schaltstelle zwischen Medizin und Recht. Ihr Ziel: Lebenswichtige Entscheidungen sollen nicht vor Gericht, sondern im Dialog aller Beteiligten getroffen werden[1][4].
Kernaufgaben im Überblick
- Klärende Gespräche zwischen Behandlungsteams, Bevollmächtigten und Angehörigen
- Rechtliche Einordnung unklarer Formulierungen in Patientenverfügungen
- Deutschlandweite Vermittlung bei ethischen Dilemmata durch ein Expert:innenteam aus Medizin und Jura[2][5]
Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht den Nutzen: Bei einem Komapatienten mit der Verfügung „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ bestand Uneinigkeit, ob dies auch die Absetzung künstlicher Ernährung umfasst. Die Schiedsstelle vermittelte binnen 48 Stunden eine einvernehmliche Lösung[4].
So arbeitet die Schiedsstelle
Der Prozess ist bewusst niedrigschwellig gestaltet:
-
Erstkontakt
Per Telefon oder E-Mail schildern Sie den Konflikt. Ein juristisch-medizinisches Fachteam prüft, ob die Schiedsstelle zuständig ist[3][6]. -
Dokumentenprüfung
Innerhalb von zwei Werktagen analysieren Expert:innen die Patientenverfügung auf: -
Lösungsfindung
Abhängig vom Konfliktgrad bietet die Schiedsstelle:
Rechtliche Verankerung
Die Tätigkeit der Schiedsstelle baut auf dem § 1827 BGB auf. Dieser verpflichtet Ärzt:innen, den in der Patientenverfügung dokumentierten Willen als maßgeblich anzuerkennen - vorausgesetzt, die Formulierungen sind hinreichend konkret und situationsbezogen[4][7].
Typische Stolpersteine
Aus der Praxis zeigen sich häufige Probleme:
Unscharfe Formulierung | Juristische Bewertung |
---|---|
„Keine Apparatemedizin“ | Unklarer Begriff, keine Bindungswirkung |
„Bei unheilbarer Krankheit“ | Fehlende Krankheitsspezifikation |
„Würdevolles Sterben“ | Subjektive Interpretation möglich |
Die Schiedsstelle hilft, solche Unschärfen im Nachhinein auszulegen und künftige Verfügungen präziser zu gestalten[6][7].
Für wen das Angebot gedacht ist
Die Dienstleistung steht kostenfrei zur Verfügung für:
- Angehörige, die den Behandlungswunsch nicht eindeutig erkennen können
- Bevollmächtigte, die sich in ihrer Entscheidung absichern möchten
- Ärzt:innen und Pflegekräfte, die rechtliche Klarheit benötigen[2][5]
Besonders wichtig wird die Schiedsstelle in Fällen, wo:
- Mehrere berechtigte Personen unterschiedliche Auffassungen vertreten
- Die Patientenverfügung vor 2009 verfasst wurde
- Psychische Erkrankungen oder Demenz die Einwilligungsfähigkeit beeinträchtigten[1][4]
Erfahrungsberichte aus der Praxis
Die anonymisierten Fallbeispiele zeigen die Bandbreite der Unterstützung:
Fall 1:
Eine 85-Jährige mit fortgeschrittener Demenz hatte verfügt, „bei Organversagen keine künstliche Beatmung“. Die Kinder interpretierten dies unterschiedlich - ein Sohn sah bereits Nierenversagen als Indikation. Die Schiedsstelle stellte klar: Nur bei simultanem Multiorganversagen greift die Verfügung[4].
Fall 2:
Ein Unfallopfer im Wachkoma hatte verfügt, „bei irreversibler Bewusstlosigkeit keine Reanimation“. Die Ehepartnerin bestand auf weiterer Behandlung, da sie subjektive Reaktionen wahrnahm. Durch medizinische Gutachten der Schiedsstelle konnte Einigkeit erzielt werden[5].
So erreichen Sie die Schiedsstelle
Nutzen Sie die kostenlosen Kontaktwege:
- Telefonisch: 0231 7380730 (Mo-Fr 8-18 Uhr)
- Per E-Mail: schiedsstelle@patientenschuetzer.de
- Online-Formular: Über die Website der Deutschen Stiftung Patientenschutz
Wichtige Unterlagen für die Erstberatung:
Prävention durch Beratung
Die Schiedsstelle bietet auch vorbeugende Hilfen:
- Musterformulierungen für häufige Behandlungsszenarien
- Checklisten zur Selbstüberprüfung bestehender Verfügungen
- Vermittlung von notariellen Beratungsstellen[7][8]
Ein aktuelles Projekt entwickelt KI-gestützte Analysetools, die automatisch auf Unschärfen in Patientenverfügungen hinweisen. Dies soll künftig Konflikte bereits im Entstehungsstadium verhindern[5].
Ihr Recht auf Selbstbestimmung
Die Existenz der Schiedsstelle unterstreicht einen gesellschaftlichen Wandel: Patientenverfügungen werden nicht mehr als „Option“, sondern als verbindlicher Ausdruck persönlicher Autonomie verstanden. Durch ihre Arbeit trägt die Einrichtung dazu bei, dass dieser Wille auch in Krisensituationen respektiert wird - ganz im Sinne des Grundsatzes „Im Zweifel für das Leben, wie es der Mensch wollte“[4][7].
Nutzen Sie dieses Angebot, wenn Sie unsicher sind. Denn eine Patientenverfügung entfaltet ihre Schutzwirkung nur, wenn alle Beteiligten sie gleich interpretieren. Die Schiedsstelle gibt Ihnen hierfür den notwendigen Rahmen.