Welche Unterschiede gibt es zwischen einer verbindlichen und einer beachtlichen Patientenverfügung in Österreich?

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Zusammenfassung

In Österreich unterscheidet man zwischen der verbindlichen und der beachtlichen Patientenverfügung: Die verbindliche Variante ist rechtlich bindend und erfordert strenge Formalitäten wie ärztliche Aufklärung und notarielle Beglaubigung. Die beachtliche Verfügung hingegen dient als Orientierungshilfe für Ärzt:innen, ist leichter zu erstellen und flexibler anpassbar. Welche Variante sinnvoll ist, hängt von individuellen Bedürfnissen, gesundheitlicher Situation und dem Wunsch nach Rechtssicherheit ab.

Mit einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welche medizinischen Maßnahmen Sie in einer Notsituation ablehnen möchten. In Österreich unterscheidet man dabei zwischen der verbindlichen und der beachtlichen Variante. Während die verbindliche Patientenverfügung für Ärzt:innen rechtlich bindend ist, dient die beachtliche als Orientierungshilfe. Dieser Artikel erklärt die Unterschiede in Formalia, Wirkung und Praxistauglichkeit - damit Sie informiert die passende Entscheidung treffen können.

Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung

Das österreichische Patientenverfügungsgesetz (PatVG) regelt seit 2006, wie Menschen ihren Behandlungswunsch für den Fall vorsorglich dokumentieren können, dass sie nicht mehr entscheidungsfähig sind. Eine zentrale Neuerung der Novelle 2019 verlängerte die Gültigkeitsdauer verbindlicher Verfügungen von fünf auf acht Jahre[3][5]. Gleichzeitig betont das Gesetz, dass jede schriftliche Willenserklärung - auch informelle - bei der Ermittlung des Patientenwillens berücksichtigt werden muss[3][5].

Die verbindliche Patientenverfügung: Rechtssicherheit mit Formalien

Bindungswirkung und Voraussetzungen

Eine verbindliche Patientenverfügung ist für medizinisches Personal verpflichtend. Ärzt:innen, die sich bewusst darüber hinwegsetzen, machen sich strafbar[1][6]. Damit diese hohe Verbindlichkeit gewährleistet ist, gelten strenge Formerfordernisse:

  • Ärztliche Aufklärung: Vor der Erstellung muss ein ausführliches Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt stattfinden, das die konkreten medizinischen Folgen der abgelehnten Maßnahmen erklärt. Dieses Gespräch wird schriftlich dokumentiert[4][5][7].
  • Juristische Beglaubigung: Die Verfügung muss vor einer Notarin, einem Rechtsanwalt oder einer rechtskundigen Mitarbeiter:in der Patientenanwaltschaft errichtet werden. Nur diese Stellen prüfen die rechtliche Schlüssigkeit des Dokuments[4][6][8].
  • Konkrete Formulierung: Abgelehnte Behandlungen wie künstliche Beatmung, Wiederbelebung oder Chemotherapie müssen präzise benannt werden. Allgemeine Aussagen wie „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ reichen nicht aus[5][7].

Gültigkeit und Aktualisierung

Eine verbindliche Patientenverfügung gilt ab Erstellungsdatum acht Jahre[3][5]. Danach kann sie durch ein erneutes ärztliches Gespräch verlängert werden. Wichtig: Ohne Erneuerung verwandelt sie sich automatisch in eine beachtliche Patientenverfügung[6]. Falls die betroffene Person zwischenzeitlich die Einsichtsfähigkeit verliert - etwa durch Demenz - bleibt die ursprüngliche Verfügung dennoch verbindlich[6].

Die beachtliche Patientenverfügung: Flexibler Leitfaden

Handlungsspielraum für Ärzt:innen

Die beachtliche Patientenverfügung bietet mehr Gestaltungsfreiheit, hat aber keine direkte Rechtsverbindlichkeit. Mediziner:innen sind verpflichtet, sie bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, können aber im Einzelfall abweichen, wenn sie dies medizinisch begründen[1][2][7]. Diese Form eignet sich besonders für Menschen, die keine konkreten Krankheitsszenarien voraussehen können oder möchten.

Einfache Erstellung ohne Kosten

Im Gegensatz zur verbindlichen Variante benötigt die beachtliche Patientenverfügung keine notarielle Beglaubigung oder anwaltliche Prüfung. Sie kann eigenhändig verfasst werden, idealerweise nach einem informellen Gespräch mit der Hausärztin[2][4]. Viele Patientenanwaltschaften bieten kostenlose Musterformulare an, die als Orientierung dienen[4].

Dynamische Anpassung

Da keine formellen Änderungsvorschriften gelten, lässt sich die beachtliche Verfügung jederzeit an neue Lebensumstände anpassen. Ein Widerruf ist durch einfache Vernichtung des Dokuments oder eine schriftliche Ergänzung möglich[4][8].

Entscheidungshilfe: Wann welche Variante sinnvoll ist

Verbindliche Patientenverfügung empfiehlt sich bei:

  • Vorerkrankungen wie Krebs, Herzinsuffizienz oder neurologischen Leiden, die absehbare Krisensituationen mit sich bringen[7][8].
  • Klar definierten Behandlungswünschen, etwa der Ablehnung von PEG-Sonden bei fortgeschrittener Demenz[4][7].
  • Konflikten im Umfeld, wenn Angehörige voraussichtlich andere Vorstellungen haben könnten[1][6].

Beachtliche Patientenverfügung passt bei:

  • Allgemeinen Behandlungsprioritäten, etwa dem Wunsch nach Schmerzlinderung statt Lebensverlängerung um jeden Preis[2][7].
  • Sich verändernden Gesundheitsprognosen, die regelmäßige Anpassungen erfordern[6][8].
  • Finanziellen oder logistischen Hürden, da keine Kosten für Notar oder Anwalt anfallen[4][8].

Kombination mit Vorsorgevollmacht: Doppelte Absicherung

Viele Expert:innen raten dazu, die Patientenverfügung durch eine Vorsorgevollmacht zu ergänzen[1][8]. Während die Verfügung konkrete Behandlungen regelt, ermächtigt die Vollmacht eine Vertrauensperson, in unvorhergesehenen Situationen Entscheidungen im Sinne der Betroffenen zu treffen. Dieses Tandem erhöht die Handlungssicherheit für alle Beteiligten.

Praxistipps zur Erstellung

  1. Nutzen Sie Beratungsangebote: Patientenanwaltschaften und Erwachsenenschutzvereine bieten kostenlose Erstgespräche an, um Formulierungsfallen zu vermeiden[4][6].
  2. Thematisieren Sie existenzielle Fragen: Überlegen Sie, was für Sie „Lebensqualität“ bedeutet - Mobilität? Schmerzfreiheit? Kommunikationsfähigkeit? Diese Kriterien helfen Ärzt:innen, Ihre Prioritäten zu verstehen[5][7].
  3. Informieren Sie Schlüsselpersonen: Hinterlegen Sie Kopien der Verfügung bei Hausarzt, Krankenkasse und Vertrauenspersonen. Manche Anwaltskanzleien bieten zentralisierte Register an[6][8].
  4. Prüfen Sie regelmäßig: Lebensvorstellungen ändern sich. Planen Sie alle zwei bis drei Jahre einen Check-up I Verfügung ein, selbst wenn keine gesundheitlichen Veränderungen vorliegen[3][6].

Ethische Fallstricke und Lösungsansätze

Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben zeigen Praxisbeispiele, dass Konflikte entstehen können - etwa wenn Angehörige eine verbindliche Verfügung als „Lebensmüdigkeit“ missinterpretieren[1][7]. Hier hilft es, im Vorfeld transparente Gespräche zu führen und die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen offenzulegen. Manche Kliniken bieten Ethikkommissionen an, die im Zweifelsfall zwischen Behandlungsteam und Angehörigen vermitteln[4][6].

Fazit: Selbstbestimmung braucht Vorbereitung

Sowohl die verbindliche als auch die beachtliche Patientenverfügung stärken das Recht auf medizinische Selbstbestimmung - allerdings mit unterschiedlicher Reichweite. Während die verbindliche Variante maximale Rechtssicherheit bietet, punktet die beachtliche durch flexible Handhabung. Letztlich kommt es darauf an, die eigene Lebenssituation realistisch einzuschätzen und gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen. Mit einer gut durchdachten Patientenverfügung schenken Sie sich und Ihren Nahestehenden das wertvollste Gut: Klarheit in existenziellen Momenten.