Welche Auswirkungen hat das Oviedo-Abkommen auf Patientenverfügungen?
Das Oviedo-Abkommen stärkt die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen, indem es die Selbstbestimmung und Würde von Patient:innen europaweit schützt. Ärzt:innen sind verpflichtet, den dokumentierten Willen zu berücksichtigen, während klare Formulierungen und regelmäßige Aktualisierungen die Wirksamkeit der Verfügung erhöhen. In Deutschland wird dies durch § 1827 BGB rechtlich untermauert, ergänzt durch praktische Maßnahmen wie das Zentrale Vorsorgeregister.
Das Oviedo‑Abkommen - offiziell Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin - setzt seit 1999 europaweit Maßstäbe für Selbstbestimmung und Würde in der Medizin. Für Sie als Betroffene:r oder Angehörige:r bedeutet das: Ihre schriftlichen Behandlungswünsche gewinnen dadurch an Gewicht - wenn Sie sie richtig formulieren.
Warum dieses Abkommen Ihre Patientenverfügung stärkt
Der Vertrag, 1997 im spanischen Oviedo unterzeichnet, verankert erstmals völkerrechtlich: Ärzt:innen müssen frühere Willensäußerungen berücksichtigen, wenn Sie entscheidungsunfähig werden[2][5][8]. Konkret heißt das für Deutschland:
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Ihr dokumentierter Wille wird ernster genommen
Vor 1999 gab es kaum klare Regeln. Heute müssen Mediziner:innen Ihre Patientenverfügung aktiv einbeziehen - selbst wenn sie die aktuelle Behandlung anders sehen[1][6]. -
Formfehler verlieren an Bedeutung
Das Abkommen betont den inhaltlichen Kern Ihrer Erklärung. Selbst wenn Ihre Verfügung nicht notariell beglaubigt ist, kann sie verbindlich sein, sofern Ihr Wille klar erkennbar ist[3][9]. -
Rechtssicherheit für Angehörige
Familienmitglieder oder Vertrauenspersonen können sich bei Konflikten mit Kliniken auf die Oviedo‑Regeln berufen. Ein Beispiel: Ihre Tochter weist darauf hin, dass Ihre Ablehnung künstlicher Beatmung im Pflegeheim respektiert werden muss[4][7].
Drei praktische Lehren aus dem Abkommen
1. Konkrete Formulierungen schützen Sie besser
Die Konvention verlangt, dass Ärzt:innen Ihre Wünsche eindeutig zuordnen können. Vermeiden Sie allgemeine Sätze wie „Ich möchte keine Apparatemedizin“. Besser:
„Bei irreversiblem Hirnschaden lehne ich eine künstliche Beatmung über Tracheostoma ab. Schmerztherapie soll auch bei verkürzter Lebenserwartung erfolgen.“[1][6]
2. Regelmäßige Aktualisierung gibt Sicherheit
Zwar verlangt deutsches Recht keine Fristen - doch alle 3-5 Jahre sollten Sie:
- Den Text mit Ihrer Hausärzt:in durchgehen
- Neue Therapiemethoden einbeziehen (z.B. KI‑gestützte Diagnostik)
- Lebensumstände aktualisieren (z.B. Scheidung/neue Partnerschaft)[3][4]
3. Kombinieren Sie schriftlichen Willen und Vertrauensperson
Das Abkommen betont beide Säulen:
- Schriftliche Verfügung für klare medizinische Anweisungen
- Vorsorgevollmacht für unvorhergesehene Situationen
Ein Praxisbeispiel: Herr Meier lehnt in seiner Verfügung Dialyse bei Demenz ab. Seine Tochter kann als Bevollmächtigte diese Entscheidung gegen Bedenken des Klinikpersonals durchsetzen[6][8].
So setzt Deutschland die Vorgaben um
Die gesetzliche Grundlage finden Sie in § 1827 BGB. Wichtige Neuerungen seit 2023:
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Zentrales Vorsorgeregister
Seit Januar können Ärzt:innen im Notfall online prüfen, ob Sie eine Verfügung haben[3]. -
Kein Zwang zur notariellen Beglaubigung
Eine handschriftlich unterschriebene Verfügung ist gültig - sofern Sie vorher medizinisch aufgeklärt wurden[4][6]. -
Schutz vor Übergehung
Kliniken dürfen Ihren Willen nur ignorieren, wenn
Was Sie jetzt tun können - ein Handlungsplan
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Erstgespräch vereinbaren
Hausärzt:innen sind verpflichtet, Sie über die medizinischen Folgen Ihrer Wünsche aufzuklären[6]. Nutzen Sie dieses kostenlose Angebot. -
Vertrauensperson einbinden
Besprechen Sie Ihre Verfügung mit der Person, die später entscheiden muss. Gemeinsam mit Ihrer Ärzt:in können Sie typische Dilemmata durchspielen. -
Registrieren lassen
Das Zentrale Vorsorgeregister speichert Ihren Willen verschlüsselt. Notfallteams haben rund um die Uhr Zugriff - wichtig bei Unfällen[3]. -
Kopie hinterlegen
Geben Sie Ausfertigungen an:
- Hausarztpraxis
- Krankenversicherung
- Nächste Angehörige
- Wallet/Notfallausweis
Wenn Kliniken sich widersetzen - Ihre Rechte
Trotz Oviedo‑Abkommen kommt es zu Konflikten. So handeln Sie richtig:
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Eskalationsstufe 1
Verweisen Sie auf § 1827 BGB und fordern Sie schriftliche Begründung der Ablehnung. -
Eskalationsstufe 2
Kontaktieren Sie den klinikeigenen Ethikausschuss - gesetzlich vorgeschrieben in jedem Krankenhaus[5][8]. -
Eskalationsstufe 3
Beantragen Sie beim Betreuungsgericht eine einstweilige Anordnung. Entscheidungen dauern hier oft weniger als 24 Stunden[9].
Grenzen der Selbstbestimmung - was das Abkommen nicht regelt
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Sterbehilfe
Aktive Tötung bleibt verboten. Ihr Recht beschränkt sich auf Behandlungsverzicht[5][8]. -
Demenzfrühstadien
Solange Sie teilweise entscheiden können, gilt Ihre Verfügung nur für konkret beschriebene Situationen[2]. -
Religiöse Konflikte
Manche Glaubensgemeinschaften lehnen Behandlungseinschränkungen ab. Hier empfiehlt sich ein Gespräch mit Seelsorger:innen vorab[7].
Ihre Patientenverfügung ist kein statisches Dokument, sondern Ausdruck eines laufenden Dialogs - mit sich selbst, Angehörigen und Ärzt:innen. Das Oviedo‑Abkommen gibt Ihnen dabei Rückenwind, fordert aber auch konkrete Vorarbeit. Je präziser Sie mögliche Behandlungsszenarien durchdenken, desto eher wird Ihr Wille respektiert. Nutzen Sie die gestiegenen gesetzlichen Schutzmechanismen, um für Notsituationen vorzusorgen - nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung sich selbst und Ihren Lieben gegenüber.