In welchen Ländern gibt es gesetzliche Regelungen zur Patientenverfügung?

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Zusammenfassung

Gesetzliche Regelungen zur Patientenverfügung gibt es in vielen Ländern, jedoch unterscheiden sich die Anforderungen und die Verbindlichkeit stark. Während Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz klare gesetzliche Grundlagen bieten, sind Patientenverfügungen in anderen Ländern wie Frankreich oder Italien nur eingeschränkt oder gar nicht verbindlich. Für Reisen oder Auslandsaufenthalte empfiehlt sich eine beglaubigte Übersetzung und die Berücksichtigung der jeweiligen Landesvorschriften, um Ihre Wünsche durchzusetzen.

Als betroffene Person oder Angehörige:r stehen Sie vor der Herausforderung, sich im internationalen Rechtsdschungel zurechtzufinden. Patien­ten­verfügungen sind ein sensibles Thema - besonders wenn Sie im Ausland leben oder behandelt werden. Dieser Artikel gibt Ihnen eine klare Orientierungshilfe, welche Länder verbindliche Regelungen kennen und was Sie praktisch beachten müssen.

Euro­päische Länder mit klaren Gesetzes­grundlagen

Deutsch­land: Verbindlichkeit durch § 1827 BGB

Seit 2009 ist die Patien­ten­verfügung im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Ärzt:innen und Kliniken müssen sich an Ihre schriftlich festgehaltenen Wünsche halten, sofern diese konkret formuliert sind. Besonders wichtig: Aktualisieren Sie das Dokument regelmäßig und besprechen Sie es mit einer vertrauten Person[1][6].

Öster­reich: Notarielle Beurkundung erforderlich

Das Patien­ten­verfügungs-Gesetz von 2006 verlangt eine beglaubigte Unterschrift durch Notar:in oder Rechtsanwält:in. Alle fünf Jahre muss die Verfügung erneuert werden. Ausnahme: Künstliche Ernährung kann nicht ausgeschlossen werden[1][4].

Schweiz: Flexibilität mit Vertrauensperson

Seit 2013 regelt das Zivilgesetzbuch die Verbindlichkeit. Sie können eine medizinische Vollmacht an Dritte vergeben, die Ihre Wünsche im Ernstfall durchsetzen. Die Verfügung muss nicht notariell beglaubigt werden[8].

Nieder­lande: Zentrales Register für Klarheit

Hier sind Patien­ten­verfügungen im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Ärzt:innen müssen vor jeder Behandlung prüfen, ob eine Registrierung vorliegt. Bei Abweichungen von Ihren Wünschen trägt die Klinik die Beweislast[4].

Belgien: Fünf-Jahres-Frist beachten

Das Patien­ten­rechtsgesetz von 2002 verlangt, dass Sie die Verfügung mindestens fünf Jahre vor Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit erstellen. Ein unabhängiges ärztliches Gutachten ist verpflichtend[1][4].

Länder mit eingeschränkten Mög­lichkeiten

Frankreich: Orientierungshilfe ohne Bindung

Trotz Gesetzesreform 2005 haben schriftliche Verfügungen hier keine Rechtsverbindlichkeit. Sie dienen lediglich als Interpretationshilfe für Mediziner:innen[4][7].

Italien: Verbot künstlicher Nahrungsverweigerung

Seit 2009 können Sie Therapien im Endstadium von Krankheiten ablehnen - jedoch nicht den Abbruch von Flüssigkeitszufuhr oder Ernährung. Die Befolgung liegt im Ermessen der behandelnden Ärzt:innen[2][4].

Spanien und Portu­gal: Regionale Unterschiede

Während Katalonien und Andalusien verbindliche Regelungen haben, fehlt in anderen Regionen oft die gesetzliche Grundlage. In Portugal benötigen Sie eine notarielle Beglaubigung, dürfen aber aus Gewissensgründen abgelehnt werden[1][5].

Rechtliche Stolperfallen im Ausland

Deutsche Verfügungen gelten nicht automatisch weltweit - jedes Land hat eigene Vorschriften[5]. Praktische Tipps:

  1. Beglaubigte Übersetzung in Landessprache erstellen
  2. Lokale Formvorschriften prüfen (z.B. Zeugenanzahl)
  3. Kombinierte Lösung: Deutsche + ausländische Version
  4. Vorsorgevollmacht mit internationalem Bezug notariell beurkunden

Beispiel: In Italien können Sie durch eine gesetzliche Vertretungsvollmacht Ihre Wünsche indirekt durchsetzen, selbst wenn direkte Patien­ten­verfügungen eingeschränkt sind[5].

Wichtige grenz­über­schreitende Aspekte

  • EU-Richtlinie 2011/24: Garantiert Zugang zu Ihrer Verfügung in anderen EU-Ländern - die Umsetzung variiert jedoch
  • Notfallausweis: Tragen Sie immer eine Kurzversion mit Übersetzung bei sich
  • Digitales Register: Nutzen Sie Anbieter wie die Bundesnotarkammer für internationalen Zugriff

Eine 2024 veröffentlichte Studie der Universität Wien zeigt: 73% aller Komplikationen bei Auslandsbehandlungen entstehen durch unklare Patien­ten­verfügungen[7].

Handlungs­empfehlungen für Sicherheit

  1. Länderspezifische Formulare nutzen (z.B. von Botschaften)
  2. Alle zwei Jahre Inhalt und Rechtslage prüfen
  3. Reisende: Implantierbaren NFC-Chip mit Dokumenten speichern
  4. Angehörige einweisen: Geben Sie Kopien an Vertrauenspersonen im Zielland

Die Erfahrung von Familie Schneider zeigt: Durch eine kombinierte deutsch-englische Version mit spanischer Notariatsbeglaubigung konnten sie in Barcelona die Behandlung gemäß den Wünschen ihrer demenzkranken Mutter durchsetzen[5].

Aktuelle Ent­wicklungen ab 2025

  • EU-weite Harmonisierung in Planung
  • Blockchain-Technologie für fälschungssichere Speicherung
  • Künstliche Intelligenz zur automatischen Übersetzung medizinischer Begriffe

Ein Lichtblick: Der Europarat arbeitet an einem standardisierten europäischen Formular, das 2026 eingeführt werden soll[3][7].

Was Sie jetzt tun können

Bleiben Sie handlungsfähig, auch wenn die Rechtslage komplex erscheint:

  • Lokale Beratung durch Hospizvereine oder Konsulate nutzen
  • Kultursensible Formulierung (z.B. religiöse Aspekte beachten)
  • Digitale Vorsorgeregister nutzen

Eine Patien­ten­verfügung ist kein statisches Dokument, sondern muss mit Ihrem Leben wachsen. Nehmen Sie sich Zeit für regelmäßige Anpassungen - Ihre Selbstbestimmung verdient diese Aufmerksamkeit.