Welche medizinischen Maßnahmen kann ich in einer Patientenverfügung ablehnen?

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Zusammenfassung

In einer Patientenverfügung können Sie medizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung, Reanimation, künstliche Ernährung, bestimmte Medikamente oder operative Eingriffe ablehnen. Wichtig ist eine konkrete und rechtssichere Formulierung, die Ihre Wünsche klar beschreibt, damit Ärzt:innen diese umsetzen können. Unzulässig sind jedoch Forderungen nach aktiver Sterbehilfe oder der generelle Ausschluss von Schmerz- und Basisversorgung.

In einer Patientenverfügung regeln Sie selbst, welche medizinischen Eingriffe Sie in einer Notsituation ablehnen. Diese Entscheidung gibt Ihnen Kontrolle über Ihre Behandlung - selbst wenn Sie nicht mehr kommunizieren können. Das Dokument wirkt jedoch nur, wenn es konkret formuliert ist und die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Dieser Artikel zeigt Ihnen, welche Maßnahmen Sie ausschließen können und wie Sie Ihre Wünsche rechtssicher dokumentieren.

Rechtsgrundlagen für Ihre Entscheidungsfreiheit

Die gesetzliche Basis für Patientenverfügungen findet sich im § 1827 BGB. Dieser Paragraf bestätigt Ihr Recht, medizinische Behandlungen vorab abzulehnen. Entscheidend ist dabei:

  • Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung
  • Konkrete Beschreibung der abgelehnten Maßnahmen
  • Passgenauigkeit zur tatsächlichen Behandlungssituation

Ärzt:innen sind verpflichtet, diese Verfügungen zu beachten. Bei Verstößen drohen rechtliche Konsequenzen bis hin zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung[5][6].

Ablehnbare medizinische Interventionen

Lebenserhaltende Maßnahmen

Sie können grundsätzlich alle intensivmedizinischen Eingriffe ausschließen. Dazu zählen:

Ein Beispiel aus der Praxis: Bei einem Herzstillstand könnte Ihr Dokument Anweisungen enthalten wie: “Ich lehne elektrische Schocktherapie und künstliche Beatmung ab”[1][7].

Ernährung und Flüssigkeitszufuhr

Moderne Medizin ermöglicht die künstliche Ernährung über:
-Nasen­magensonde (NGT)

Diese Maßnahmen können Sie ebenso ablehnen wie die Gabe von Infusionen zur Flüssigkeits­versorgung. Wichtig: Pflegerische Mundpflege bleibt davon unberührt[3][4].

Medikamentöse Therapien

Selbst lebens­wichtige Medikamente dürfen Sie ausschließen:

  • Anti­biotika bei Infektionen
  • Chemo­therapie bei Krebserkrankungen
  • Blut­drucksenker bei hypertensiver Krise

Operative Eingriffe

Ihre Verfügung kann chirurgische Maßnahmen reglementieren:

  • Notfalloperationen
  • Legen von Gefäßzugängen
  • Amputationen
  • Tumorresektionen

Ausnahme: Schmerzlindernde Eingriffe (z.B. Dekompressions­operation bei Hirndruck) gelten als Basisversorgung und können nicht pauschal ausgeschlossen werden[7][8].

Grenzen der Selbstbestimmung

Nicht alle Wünsche sind rechtswirksam umsetzbar:

Das Bundes­ministerium der Justiz warnt: “Forderungen nach aktiver Lebensbeendigung machen die gesamte Verfügung ungültig”[5].

Praktische Umsetzungstipps

  1. Konkretisieren Sie Krankheitsbilder
    Nennen Sie Diagnosen wie “fortgeschrittene Demenz” oder “apallisches Syndrom”

  2. Kombinieren Sie mit Vorsorgevollmacht
    Benennen Sie eine Vertrauensperson

  3. Registrieren Sie das Dokument
    Hinterlegen Sie es beim Bundes­notarregister und Hausarzt

  4. Überprüfen Sie regelmäßig
    Medizinischer Fortschritt kann frühere Entscheidungen obsolet machen

  5. Nutzen Sie Formularhilfen
    Malteser Hilfsdienst und Bundes­justizministerium bieten Mustertexte[7][5]

Ethische Abwägungen

Ihre Entscheidung berührt grundlegende Fragen:

  • Autonomie vs. Fürsorgepflicht
  • Lebensqualität vs. Lebensdauer
  • Persönliche Werte vs. medizinische Standards

Ethik­kommissionen empfehlen Gespräche mit Palliativ­mediziner:innen und Seelsorger:innen vor der Festlegung[6][8].

Aktuelle Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht München urteilte 2023:
“Bei unklarer Formulierung muss stets der mutmaßliche Wille ermittelt werden - notfalls durch Betreuungsgericht”[6].
Konkrete Verfügungen verhindern solche Unsicherheiten.

Internationale Besonderheiten

Wichtig für:

  • Auslandsreisen (EU-Richtlinie 2011/24/EU)
  • Religiöse Vorschriften (z.B. Bluttransfusionen bei Zeugen Jehovas)
  • Kulturelle Präferenzen (Sterbeorte, Rituale)

Dokumentieren Sie solche Aspekte separat in einem “Values History”-Anhang[5].

Digitale Verwahrung

Digitalisierung ermöglicht neue Lösungen:

  • Hinterlegung der Patientenverfügung in der elektronischen Patientenakte
  • QR-Code-Verknüpfung z.B. bei Patientenverfügung.digital
  • Automatische Alarmierung von Vertrauenspersonen
  • Verschlüsselte Speicherung

Ihr nächster Schritt

  1. Reflektieren Sie persönliche Grenzen
  2. Vereinbaren Sie ein Beratungsgespräch
  3. Nutzen Sie kostenlose Vorlagen des BMJ oder Patientenverfügung.digital
  4. Informieren Sie Angehörige
  5. Tragen Sie immer einen Hinweis auf die Patientenverfügung bei sich

Ihre Patientenverfügung gibt Ihnen die Macht, selbst in vulnerablen Situationen die Kontrolle zu behalten. Mit präziser Formulierung und regelmäßiger Aktualisierung schaffen Sie Sicherheit - für sich und Ihre Lieben.