Was kann ich in einer Patientenverfügung festlegen?

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Zusammenfassung

In einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen, etwa bei lebensverlängernden Behandlungen, Schmerztherapie oder künstlicher Ernährung. Sie können auch Wünsche zu Sterbebegleitung, Behandlungsort und Organspende äußern sowie Vertrauenspersonen benennen. Eine präzise und regelmäßig aktualisierte Verfügung schützt Ihre Selbstbestimmung und entlastet Angehörige in schwierigen Entscheidungssituationen.

Eine Patientenverfügung ermöglicht es Ihnen, selbstbestimmt über medizinische Maßnahmen zu entscheiden - auch für den Fall, dass Sie Ihren Willen nicht mehr äußern können. Dieses Dokument gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihre Wertvorstellungen und Behandlungswünsche respektiert werden. Gleichzeitig entlastet es Angehörige und medizinisches Personal in emotional belastenden Situationen.

Rechtliche Grundlagen und Bedeutung

Die gesetzliche Basis für Patientenverfügungen in Deutschland findet sich im § 1827 BGB. Hier ist festgehalten, dass jede volljährige und einwilligungsfähige Person schriftlich festlegen kann, welche medizinischen Eingriffe in bestimmten Behandlungssituationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen[1][7].

Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass solche Verfügungen nur für ältere Menschen relevant seien. Tatsächlich kann ein Unfall oder eine plötzliche Erkrankung in jedem Lebensalter dazu führen, dass Sie vorübergehend oder dauerhaft entscheidungsunfähig werden[2][5]. Durch eine präzise formulierte Patientenverfügung behalten Sie die Kontrolle über Ihre medizinische Versorgung.

Konkrete Festlegungsmöglichkeiten

1. Persönliche Basisdaten und Geltungsbereich

Jede Patientenverfügung beginnt mit Ihren vollständigen Personalien:

  • Vor- und Familienname
  • Geburtsdatum
  • Aktuelle Anschrift
  • Datum der Erstellung
  • Eigenhändige Unterschrift

Diese Angaben sind entscheidend, um das Dokument zweifelsfrei Ihrer Person zuordnen zu können[3][6]. Ein Beispielsatz könnte lauten: „Ich, Maxi­milian Muster­mann, geboren am 01.01.1980, wohnhaft in Muster­straße 1, 12345 Muster­stadt, lege mit dieser Patientenverfügung fest…“

2. Behandlungssituationen definieren

Der Kern jeder Patientenverfügung liegt in der detaillierten Beschreibung jener Umstände, unter denen sie greifen soll. Allgemeine Formulierungen wie „im Falle schwerer Krankheit“ sind hier unzureichend. Konkretisieren Sie stattdessen:

  • „In einem fortgeschrittenem Stadium der Demenz gestatte ich …“
  • „Bei einer irrever­siblen Bewusst­seins­störung ohne Aussicht auf Besserung…“
  • „Im End­stadium einer unheil­baren, tödlich verlaufenden Erkrankung…“[4][6]

Je spezifischer Sie die Situation umschreiben, desto eindeutiger können Ihre Anweisungen interpretiert werden. Beschreiben Sie gegebenenfalls auch, wie der Zustand diagnostiziert werden soll - etwa durch die Feststellung zweier unabhängiger Fachärzt:innen[8].

3. Medizinische Maßnahmen festlegen

Hier entscheiden Sie über Art und Umfang der gewünschten Behandlungen. Die Recht­sprechung verlangt klare Zuordnungen zwischen bestimmten Situationen und daraus resultierenden Maßnahmen[6][8].

Behandlungen, über die Sie entscheiden können:

Formulieren Sie positiv, was Sie wünschen, und negativ, was Sie ablehnen. Beispiel: „In den oben beschriebenen Situationen lehne ich eine invasive Beatmung ab, wünsche aber eine vollumfängliche Schmerz­therapie auch mit sedie­renden Mitteln.“[1][5]

4. Ort der Versorgung und Sterbe­begleitung

Neben medizinischen Aspekten können Sie auch persönliche Wünsche äußern:

  • Behandlungsort
    Krankenhaus, Hospiz oder häusliche Pflege
  • Begleitpersonen
    Wer soll anwesend sein dürfen?
  • Religiöse/spirituelle Begleitung
    Seelsorger:innen bestimmter Konfessionen
  • Palliativ­versorgung
    Wünsche zur Symptom­linderung[5][6]

Ein Formulierungs­beispiel: „Ich wünsche, meine letzten Tage in häuslicher Umgebung zu verbringen. Mein Ehepartner und unsere Kinder sollen jederzeit Zutritt haben. Eine Schmerz­therapie soll priorisiert werden, selbst wenn dies das Leben verkürzt.“

5. Vertrauenspersonen benennen

Obwohl rechtlich nicht zwingend, empfiehlt sich die Nennung einer Person, die Ihre Wünsche durchsetzt. Diese kann:

  • Mit Ärzt:innen kommunizieren
  • Zweifelsfragen klären
  • Auf die Einhaltung der Verfügung achten

Tipp: Kombinieren Sie die Patientenverfügung mit einer Vorsorge­vollmacht, um der Person rechtliche Handlungs­befugnis zu geben[2][8].

6. Organspende regeln

Hier können Sie entweder auf einen vorhandenen Organg­spende­ausweis verweisen oder direkt festlegen:

  • Welche Organe/Körpergewebe gespendet werden dürfen
  • Unter welchen Bedingungen dies erfolgen soll
  • Ob religiöse Vorschriften zu beachten sind[1][5]

Beispiel: „Ich erkläre mich bereit, alle medizinisch verwert­baren Organe zu spenden, sofern der Hirntod zweifelsfrei festgestellt wurde.“

Praktische Umsetzungstipps

Formulierungs­hilfen

Nutzen Sie Textbausteine des Bundes­justiz­ministeriums oder seriöser Beratungs­stellen[4][6]. Vermeiden Sie Standard­formulare - passen Sie jede Formulierung Ihrer persönlichen Situation an.

Ärztliche Beratung einholen

Besprechen Sie medizinische Details mit Ihrem Hausarzt/Ihrer Hausärztin. Dies hilft, realistische Szenarien zu beschreiben und Fachbegriffe korrekt zu verwenden[8].

Regelmäßige Überprüfung

Ändern Sie die Verfügung bei:

  • Diagnose einer neuen Erkrankung
  • Veränderter Lebenssituation (z.B. Geburt von Enkelkindern)
  • Gesetzlichen Neuregelungen

Vermeiden Sie pauschale Zeitabstände wie „alle zwei Jahre“. Überprüfen Sie stattdessen bei relevanten Lebens­ereignissen[1][5].

Dokumente zugänglich machen

Bewahren Sie die Verfügung nicht im Tresor auf. Verteilen Sie Kopien an:

Digitale Lösungen wie Patientenverfügung.digital ermöglichen schnellen Zugriff im Notfall[8].

Häufige Fallstricke vermeiden

1. Unzulässige Forderungen

Aktive Sterbe­hilfe bleibt in Deutschland verboten. Formulierungen wie „Ich verlange eine tödliche Spritze“ machen die gesamte Verfügung unwirksam[4][7].

2. Widersprüchliche Aussagen

Vermeiden Sie widersprüchliche Anweisungen wie „Ich lehne lebens­verlängernde Maßnahmen ab, möchte aber maximal beatmet werden.“

3. Fehlende Konkretisierung

Formulierungen wie „Ich will nicht an Schläuchen hängen“ sind unzureichend. Benennen Sie genau, welche Maßnahmen (z.B. PEG-Sonde, Dialyse) gemeint sind[5][6].

4. Vergessen der Unterschrift

Ohne eigenhändige Unterschrift und aktuelles Datum ist das Dokument ungültig. Bei Änderungen immer neu unterschreiben[1][3].

Rechtliche Absicherung

Verbindlichkeit

Ärzt:innen und Betreuungs­personen sind rechtlich verpflichtet, Ihre Verfügung zu beachten. Ausnahmen gelten nur, wenn:

  • Aktuelle Erkenntnisse Ihren damaligen Willen widerlegen
  • Die Situation nicht präzise genug beschrieben ist[7][8]

Kombination mit anderen Dokumenten

Diese Dokumente ergänzen die Patientenverfügung sinnvoll[2][5].

Psychologische Aspekte

Kommunikation mit Angehörigen

Besprechen Sie Ihre Entscheidungen frühzeitig mit Familie und Freund:innen. Dies:

  • Vermeidet Schuldgefühle bei Umsetzung schwieriger Entscheidungen
  • Erklärt den Hintergrund Ihrer Wünsche
  • Schafft Klarheit über Ihre Wertvorstellungen

Umgang mit Ängsten

Viele Menschen scheuen die Auseinander­setzung mit dem Thema. Bedenken Sie:

  • Eine Patientenverfügung schützt vor fremdbestimmten Entscheidungen
  • Sie können jederzeit Änderungen vornehmen
  • Das Dokument gibt Sicherheit statt Kontrollverlust

Beispiel­szenarien zur Orientierung

Fall 1: Krebs­erkrankung im Endstadium

„Bei metastasierendem Krebsleiden ohne Heilungs­aussicht lehne ich Chemo­therapien und operative Eingriffe ab. Schmerz­mittel sollen nach ärztlicher Einschätzung dosiert werden, auch wenn dies die Lebens­dauer verkürzt.“

Fall 2: Schweres Schädel­hirn­trauma

„Nach nicht rean­imierbarem Herz­kreislauf­stillstand wünsche ich keine künstliche Beatmung. Organ­spende ist nach Hirntod­diagnostik gestattet.“

Fall 3: Fortgeschrittene Demenz

„Im Stadium schwerster Demenz mit fehlender Kommunikations­fähigkeit untersage ich künstliche Ernährung. Natürliches Essen soll angeboten, aber nicht erzwungen werden.“

Aktualisierungs­prozess

Anlässe für Überarbeitungen

  • Neue medizinische Diagnosen
  • Veränderte Lebens­umstände (z.B. Scheidung, Geburt)
  • Gesetzliche Änderungen im Gesundheits­wesen
  • Erfahrungen aus dem persönlichen Umfeld

Praktische Umsetzung

  1. Durchsuchen Sie die bestehende Verfügung
  2. Markieren Sie veraltete Passagen
  3. Formulieren Sie Änderungen handschriftlich oder digital
  4. Unterschreiben Sie jede geänderte Seite
  5. Verteilen Sie aktualisierte Kopien an alle Stellen

Tipp: Heften Sie alte Versionen als Anhang bei - sie helfen bei der Interpretation Ihrer Wünsche[4][6].

Internationale Gültigkeit

EU-Ausland

Innerhalb der Europäischen Union erkennen viele Länder deutsche Patientenverfügungen an. Eine beglaubigte Übersetzung in die Landessprache ist jedoch ratsam.

Außerhalb Europas

Informieren Sie sich vor Reiseantritt über die Rechtslage im Zielland. In einigen Staaten gelten religiöse oder kulturelle Besonderheiten, die Ihre Wünsche einschränken könnten.

Digitale Lösungen

Elektronische Patientenverfügung

Seit 2021 ermöglicht Das E-Health-Gesetz die Speicherung der Patientenverfügung in der elektronischen Patientenakte. Ärzt:innen und Rettungs­dienste können im Notfall darauf zugreifen[8].

Vorteile digitaler Systeme

Digitale Systeme wie z.B. Patientenverfügung.digital bitten viele Vorteil wie:

  • Ortsunabhängiger Zugriff
  • Automatische Erinnerungen zur Überprüfung
  • Integrierte Erstellungs­assistenten
  • Rechtssichere Speicherung

Achten Sie bei der Auswahl auf DSGVO­-Konformität und verschlüsselte Übertragung.

Ethische Abwägungen

Selbstbestimmung vs. Fürsorge­pflicht

Ärzt:innen stehen manchmal im Konflikt zwischen Ihren Anweisungen und ihrem Behandlungs­auftrag. Präzise Formulierungen helfen, solche Situationen zu vermeiden[7][8].

Gesellschaftliche Verantwortung

Durch klare Verfügungen tragen Sie dazu bei, überfüllte Intensiv­stationen zu entlasten und Ressourcen bedarfs­gerecht einzusetzen.

Schlussgedanken

Eine durchdachte Patientenverfügung ist kein Ausdruck von Resignation, sondern aktive Lebens­gestaltung. Sie gibt Ihnen die Gewissheit, dass Ihre individuellen Wert­vorstellungen auch in Krisensituationen respektiert werden. Gleichzeitig entlastet sie Angehörige von quälenden Entscheidungs­konflikten.

Der Erstellungs­prozess erfordert zwar Zeit und Selbst­reflexion - doch genau diese Auseinander­setzung schenkt letztlich Freiheit. Sie gewinnen Klarheit darüber, was Ihnen im Leben wirklich wichtig ist, und können dies verantwortungs­voll für Notsituationen dokumentieren.