Was kann ich in einer Patientenverfügung festlegen?
In einer Patientenverfügung können Sie festlegen, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen, etwa bei lebensverlängernden Behandlungen, Schmerztherapie oder künstlicher Ernährung. Sie können auch Wünsche zu Sterbebegleitung, Behandlungsort und Organspende äußern sowie Vertrauenspersonen benennen. Eine präzise und regelmäßig aktualisierte Verfügung schützt Ihre Selbstbestimmung und entlastet Angehörige in schwierigen Entscheidungssituationen.
- Rechtliche Grundlagen und Bedeutung
- Konkrete Festlegungsmöglichkeiten
- Praktische Umsetzungstipps
- Häufige Fallstricke vermeiden
- Rechtliche Absicherung
- Psychologische Aspekte
- Beispielszenarien zur Orientierung
- Aktualisierungsprozess
- Internationale Gültigkeit
- Digitale Lösungen
- Ethische Abwägungen
- Schlussgedanken
Eine Patientenverfügung ermöglicht es Ihnen, selbstbestimmt über medizinische Maßnahmen zu entscheiden - auch für den Fall, dass Sie Ihren Willen nicht mehr äußern können. Dieses Dokument gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihre Wertvorstellungen und Behandlungswünsche respektiert werden. Gleichzeitig entlastet es Angehörige und medizinisches Personal in emotional belastenden Situationen.
Rechtliche Grundlagen und Bedeutung
Die gesetzliche Basis für Patientenverfügungen in Deutschland findet sich im § 1827 BGB. Hier ist festgehalten, dass jede volljährige und einwilligungsfähige Person schriftlich festlegen kann, welche medizinischen Eingriffe in bestimmten Behandlungssituationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen[1][7].
Ein häufiges Missverständnis besteht darin, dass solche Verfügungen nur für ältere Menschen relevant seien. Tatsächlich kann ein Unfall oder eine plötzliche Erkrankung in jedem Lebensalter dazu führen, dass Sie vorübergehend oder dauerhaft entscheidungsunfähig werden[2][5]. Durch eine präzise formulierte Patientenverfügung behalten Sie die Kontrolle über Ihre medizinische Versorgung.
Konkrete Festlegungsmöglichkeiten
1. Persönliche Basisdaten und Geltungsbereich
Jede Patientenverfügung beginnt mit Ihren vollständigen Personalien:
- Vor- und Familienname
- Geburtsdatum
- Aktuelle Anschrift
- Datum der Erstellung
- Eigenhändige Unterschrift
Diese Angaben sind entscheidend, um das Dokument zweifelsfrei Ihrer Person zuordnen zu können[3][6]. Ein Beispielsatz könnte lauten: „Ich, Maximilian Mustermann, geboren am 01.01.1980, wohnhaft in Musterstraße 1, 12345 Musterstadt, lege mit dieser Patientenverfügung fest…“
2. Behandlungssituationen definieren
Der Kern jeder Patientenverfügung liegt in der detaillierten Beschreibung jener Umstände, unter denen sie greifen soll. Allgemeine Formulierungen wie „im Falle schwerer Krankheit“ sind hier unzureichend. Konkretisieren Sie stattdessen:
- „In einem fortgeschrittenem Stadium der Demenz gestatte ich …“
- „Bei einer irreversiblen Bewusstseinsstörung ohne Aussicht auf Besserung…“
- „Im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Erkrankung…“[4][6]
Je spezifischer Sie die Situation umschreiben, desto eindeutiger können Ihre Anweisungen interpretiert werden. Beschreiben Sie gegebenenfalls auch, wie der Zustand diagnostiziert werden soll - etwa durch die Feststellung zweier unabhängiger Fachärzt:innen[8].
3. Medizinische Maßnahmen festlegen
Hier entscheiden Sie über Art und Umfang der gewünschten Behandlungen. Die Rechtsprechung verlangt klare Zuordnungen zwischen bestimmten Situationen und daraus resultierenden Maßnahmen[6][8].
Behandlungen, über die Sie entscheiden können:
- Lebenserhaltende Maßnahmen
künstliche Beatmung, Reanimation, Dialyse oder künstliche Ernährung - Schmerztherapie
Art und Umfang der Schmerzmittelverabreichung - Antibiotikagabe
Bei Infektionen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium - Operative Eingriffe
Festlegung zu geplanten und Notfalloperationen
Formulieren Sie positiv, was Sie wünschen, und negativ, was Sie ablehnen. Beispiel: „In den oben beschriebenen Situationen lehne ich eine invasive Beatmung ab, wünsche aber eine vollumfängliche Schmerztherapie auch mit sedierenden Mitteln.“[1][5]
4. Ort der Versorgung und Sterbebegleitung
Neben medizinischen Aspekten können Sie auch persönliche Wünsche äußern:
- Behandlungsort
Krankenhaus, Hospiz oder häusliche Pflege - Begleitpersonen
Wer soll anwesend sein dürfen? - Religiöse/spirituelle Begleitung
Seelsorger:innen bestimmter Konfessionen - Palliativversorgung
Wünsche zur Symptomlinderung[5][6]
Ein Formulierungsbeispiel: „Ich wünsche, meine letzten Tage in häuslicher Umgebung zu verbringen. Mein Ehepartner und unsere Kinder sollen jederzeit Zutritt haben. Eine Schmerztherapie soll priorisiert werden, selbst wenn dies das Leben verkürzt.“
5. Vertrauenspersonen benennen
Obwohl rechtlich nicht zwingend, empfiehlt sich die Nennung einer Person, die Ihre Wünsche durchsetzt. Diese kann:
- Mit Ärzt:innen kommunizieren
- Zweifelsfragen klären
- Auf die Einhaltung der Verfügung achten
Tipp: Kombinieren Sie die Patientenverfügung mit einer Vorsorgevollmacht, um der Person rechtliche Handlungsbefugnis zu geben[2][8].
6. Organspende regeln
Hier können Sie entweder auf einen vorhandenen Organgspendeausweis verweisen oder direkt festlegen:
- Welche Organe/Körpergewebe gespendet werden dürfen
- Unter welchen Bedingungen dies erfolgen soll
- Ob religiöse Vorschriften zu beachten sind[1][5]
Beispiel: „Ich erkläre mich bereit, alle medizinisch verwertbaren Organe zu spenden, sofern der Hirntod zweifelsfrei festgestellt wurde.“
Praktische Umsetzungstipps
Formulierungshilfen
Nutzen Sie Textbausteine des Bundesjustizministeriums oder seriöser Beratungsstellen[4][6]. Vermeiden Sie Standardformulare - passen Sie jede Formulierung Ihrer persönlichen Situation an.
Ärztliche Beratung einholen
Besprechen Sie medizinische Details mit Ihrem Hausarzt/Ihrer Hausärztin. Dies hilft, realistische Szenarien zu beschreiben und Fachbegriffe korrekt zu verwenden[8].
Regelmäßige Überprüfung
Ändern Sie die Verfügung bei:
- Diagnose einer neuen Erkrankung
- Veränderter Lebenssituation (z.B. Geburt von Enkelkindern)
- Gesetzlichen Neuregelungen
Vermeiden Sie pauschale Zeitabstände wie „alle zwei Jahre“. Überprüfen Sie stattdessen bei relevanten Lebensereignissen[1][5].
Dokumente zugänglich machen
Bewahren Sie die Verfügung nicht im Tresor auf. Verteilen Sie Kopien an:
- Hausarztpraxis
- Bevollmächtigte Personen
- Krankenkasse
- Zentrales Vorsorgeregister
Digitale Lösungen wie Patientenverfügung.digital ermöglichen schnellen Zugriff im Notfall[8].
Häufige Fallstricke vermeiden
1. Unzulässige Forderungen
Aktive Sterbehilfe bleibt in Deutschland verboten. Formulierungen wie „Ich verlange eine tödliche Spritze“ machen die gesamte Verfügung unwirksam[4][7].
2. Widersprüchliche Aussagen
Vermeiden Sie widersprüchliche Anweisungen wie „Ich lehne lebensverlängernde Maßnahmen ab, möchte aber maximal beatmet werden.“
3. Fehlende Konkretisierung
Formulierungen wie „Ich will nicht an Schläuchen hängen“ sind unzureichend. Benennen Sie genau, welche Maßnahmen (z.B. PEG-Sonde, Dialyse) gemeint sind[5][6].
4. Vergessen der Unterschrift
Ohne eigenhändige Unterschrift und aktuelles Datum ist das Dokument ungültig. Bei Änderungen immer neu unterschreiben[1][3].
Rechtliche Absicherung
Verbindlichkeit
Ärzt:innen und Betreuungspersonen sind rechtlich verpflichtet, Ihre Verfügung zu beachten. Ausnahmen gelten nur, wenn:
- Aktuelle Erkenntnisse Ihren damaligen Willen widerlegen
- Die Situation nicht präzise genug beschrieben ist[7][8]
Kombination mit anderen Dokumenten
- Vorsorgevollmacht
Ermächtigt eine Vertrauensperson, in Ihrem Namen zu entscheiden - Betreuungsverfügung
Legt fest, wer als gesetzliche:r Betreuer:in bestellt werden soll
Diese Dokumente ergänzen die Patientenverfügung sinnvoll[2][5].
Psychologische Aspekte
Kommunikation mit Angehörigen
Besprechen Sie Ihre Entscheidungen frühzeitig mit Familie und Freund:innen. Dies:
- Vermeidet Schuldgefühle bei Umsetzung schwieriger Entscheidungen
- Erklärt den Hintergrund Ihrer Wünsche
- Schafft Klarheit über Ihre Wertvorstellungen
Umgang mit Ängsten
Viele Menschen scheuen die Auseinandersetzung mit dem Thema. Bedenken Sie:
- Eine Patientenverfügung schützt vor fremdbestimmten Entscheidungen
- Sie können jederzeit Änderungen vornehmen
- Das Dokument gibt Sicherheit statt Kontrollverlust
Beispielszenarien zur Orientierung
Fall 1: Krebserkrankung im Endstadium
„Bei metastasierendem Krebsleiden ohne Heilungsaussicht lehne ich Chemotherapien und operative Eingriffe ab. Schmerzmittel sollen nach ärztlicher Einschätzung dosiert werden, auch wenn dies die Lebensdauer verkürzt.“
Fall 2: Schweres Schädelhirntrauma
„Nach nicht reanimierbarem Herzkreislaufstillstand wünsche ich keine künstliche Beatmung. Organspende ist nach Hirntoddiagnostik gestattet.“
Fall 3: Fortgeschrittene Demenz
„Im Stadium schwerster Demenz mit fehlender Kommunikationsfähigkeit untersage ich künstliche Ernährung. Natürliches Essen soll angeboten, aber nicht erzwungen werden.“
Aktualisierungsprozess
Anlässe für Überarbeitungen
- Neue medizinische Diagnosen
- Veränderte Lebensumstände (z.B. Scheidung, Geburt)
- Gesetzliche Änderungen im Gesundheitswesen
- Erfahrungen aus dem persönlichen Umfeld
Praktische Umsetzung
- Durchsuchen Sie die bestehende Verfügung
- Markieren Sie veraltete Passagen
- Formulieren Sie Änderungen handschriftlich oder digital
- Unterschreiben Sie jede geänderte Seite
- Verteilen Sie aktualisierte Kopien an alle Stellen
Tipp: Heften Sie alte Versionen als Anhang bei - sie helfen bei der Interpretation Ihrer Wünsche[4][6].
Internationale Gültigkeit
EU-Ausland
Innerhalb der Europäischen Union erkennen viele Länder deutsche Patientenverfügungen an. Eine beglaubigte Übersetzung in die Landessprache ist jedoch ratsam.
Außerhalb Europas
Informieren Sie sich vor Reiseantritt über die Rechtslage im Zielland. In einigen Staaten gelten religiöse oder kulturelle Besonderheiten, die Ihre Wünsche einschränken könnten.
Digitale Lösungen
Elektronische Patientenverfügung
Seit 2021 ermöglicht Das E-Health-Gesetz die Speicherung der Patientenverfügung in der elektronischen Patientenakte. Ärzt:innen und Rettungsdienste können im Notfall darauf zugreifen[8].
Vorteile digitaler Systeme
Digitale Systeme wie z.B. Patientenverfügung.digital bitten viele Vorteil wie:
- Ortsunabhängiger Zugriff
- Automatische Erinnerungen zur Überprüfung
- Integrierte Erstellungsassistenten
- Rechtssichere Speicherung
Achten Sie bei der Auswahl auf DSGVO-Konformität und verschlüsselte Übertragung.
Ethische Abwägungen
Selbstbestimmung vs. Fürsorgepflicht
Ärzt:innen stehen manchmal im Konflikt zwischen Ihren Anweisungen und ihrem Behandlungsauftrag. Präzise Formulierungen helfen, solche Situationen zu vermeiden[7][8].
Gesellschaftliche Verantwortung
Durch klare Verfügungen tragen Sie dazu bei, überfüllte Intensivstationen zu entlasten und Ressourcen bedarfsgerecht einzusetzen.
Schlussgedanken
Eine durchdachte Patientenverfügung ist kein Ausdruck von Resignation, sondern aktive Lebensgestaltung. Sie gibt Ihnen die Gewissheit, dass Ihre individuellen Wertvorstellungen auch in Krisensituationen respektiert werden. Gleichzeitig entlastet sie Angehörige von quälenden Entscheidungskonflikten.
Der Erstellungsprozess erfordert zwar Zeit und Selbstreflexion - doch genau diese Auseinandersetzung schenkt letztlich Freiheit. Sie gewinnen Klarheit darüber, was Ihnen im Leben wirklich wichtig ist, und können dies verantwortungsvoll für Notsituationen dokumentieren.