Kann ich bestimmte Behandlungen in der Patientenverfügung einfordern?

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Zusammenfassung

Ja, in einer Patientenverfügung können Sie bestimmte Behandlungen einfordern, solange diese medizinisch sinnvoll und präzise beschrieben sind. Wichtig ist, Ihre Wünsche klar zu formulieren, an konkrete Bedingungen zu knüpfen und regelmäßig zu aktualisieren. Eine Kombination mit einer Vorsorgevollmacht sowie der Austausch mit Ärzt:innen und Angehörigen erhöht die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit Ihrer Verfügung.

In einer Patientenverfügung dokumentieren Sie schriftlich, wie Sie in medizinischen Ausnahmesituationen behandelt werden möchten - selbst wenn Sie sich nicht mehr äußern können. Viele Menschen wissen, dass sie Therapien ablehnen können. Doch Sie haben auch das Recht, konkrete Maßnahmen ausdrücklich zu wünschen. Dieser Artikel zeigt, welche Möglichkeiten Sie haben, wie Sie Ihre Wünsche rechtssicher formulieren und worauf Sie bei der Erstellung achten sollten.

Medizinische Selbstbestimmung: Was das Gesetz sagt

Die gesetzliche Grundlage der Patientenverfügung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert. Darin heißt es: „Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger […] schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte […] Heilbehandlungen […] einwilligt oder sie untersagt, prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.“[5][7]

Das bedeutet: Sie können nicht nur ablehnen, sondern auch aktiv Behandlungen einfordern, sofern diese medizinisch indiziert sind. Voraussetzung ist, dass Sie Ihre Wünsche präzise beschreiben und sich auf konkrete Behandlungsszenarien beziehen.

Konkret statt vage: So fordern Sie Behandlungen rechtssicher an

Eine wirksame Patientenverfügung muss drei Kriterien erfüllen:

  1. Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit bei der Erstellung[8][12]
  2. Schriftliche Form mit Unterschrift[1][5]
  3. Konkrete Beschreibung der gewünschten Maßnahmen und Anwendungssituationen[4][9]

Praktische Beispiele für einfordbare Therapien

Aus der Rechtsprechung und medizinischen Praxis haben sich folgende Beispiele bewährt:

  • Schmerz- und Symptomlinderung
    „In fortgeschrittenen Krankheitsstadien mit geringer Heilungschance wünsche ich eine umfassende palliativmedizinische Versorgung, einschließlich ausreichender Schmerzmittel - auch wenn diese möglicherweise lebensverkürzend wirken.“[1][3][9]

  • Rehabilitation und Physiotherapie
    „Nach einem Schlaganfall mit dauerhaften Lähmungserscheinungen möchte ich Zugang zu neurologischer Rehabilitation, Ergotherapie und unterstützenden Hilfsmitteln.“

  • Psychosoziale Unterstützung
    „Bei Demenzerkrankung im fortgeschrittenen Stadium wünsche ich eine Betreuung, die musiktherapeutische Angebote und Validationstechniken einschließt.“

  • Religiös geprägte Pflege
    „Im Sterbeprozess möchte ich seelsorgerischen Beistand meiner Glaubensgemeinschaft und rituelle Handlungen entsprechend meiner Überzeugungen.“

Grenzen der Einforderung: Was nicht in einer Patientenverfügung steht

Nicht alle medizinischen Wünsche sind rechtlich durchsetzbar. Folgende Einschränkungen gelten:

1. Keine aktive Sterbehilfe

Das deutsche Strafrecht verbietet die Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB). Formulierungen wie „Ich verlange eine tödliche Spritze“ machen die gesamte Verfügung unwirksam[3][7].

2. Keine medizinisch unsinnigen Maßnahmen

Ärzt:innen dürfen keine Therapien durchführen, die nach aktuellem Stand der Wissenschaft nutzlos oder schädlich sind. Ein Beispiel: „Bei metastasierendem Krebs im Endstadium verlange ich eine Chemotherapie.“[2][4]

3. Keine Zwangsbehandlungen ohne Gerichtsbeschluss

Psychiatrische Zwangsmaßnahmen oder Fixierungen bedürfen immer der Genehmigung durch das Betreuungsgericht - selbst wenn Sie diese in der Verfügung ausdrücklich wünschen[2][8].

Formulierungshilfen: So wird Ihr Behandlungswunsch wirksam

Die Kunst liegt im präzisen Ausdruck. Nutzen Sie diese Formulierungsstrategien:

1. Koppeln Sie Wünsche an klare Bedingungen

Wenn ich nach einem Unfall im Wachkoma liege und keine realistische Chance auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht, wünsche ich:

2. Benennen Sie Alternativen

Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz lehne ich eine Herztransplantation ab. Stattdessen wünsche ich:

  • Medikamentöse Optimierung
  • Telemedizinische Überwachung
  • Priorisierung der Lebensqualität über Lebensverlängerung*“[1][6]

3. Integrieren Sie Werte und Lebenskontext

Als Mensch mit tetraplegischer Lähmung seit 20 Jahren wünsche ich im Falle einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung:

  • Maximal 72 Stunden Intensivtherapie
  • Danach Übergang in palliativmedizinische Versorgung
  • Keine dauerhafte Tracheotomie*“[12]

Der Dialog mit Ärzt:innen: Warum das Gespräch entscheidet

Eine Patientenverfügung ersetzt nicht das persönliche Aufklärungsgespräch. Experten empfehlen:

  • Lassen Sie Ihre Verfügung medizinisch prüfen
    Viele Hausarztpraxen bieten hierfür spezielle Beratungstermine an. Ziel: Sicherstellen, dass Ihre Formulierungen medizinisch präzise und realistisch umsetzbar sind[10][12].

  • Aktualisieren Sie alle 2-3 Jahre
    Therapie­standards ändern sich. Was heute „State-of-the-Art“ ist, kann morgen überholt sein. Beispiel: „Ich lehne Beatmungsgeräte mit Druckbegrenzung unter 25 mbar ab“ könnte bei technischen Neuerungen irrelevant werden[3][8].

  • Verbinden Sie es mit einer Vorsorgevollmacht
    Bestimmen Sie eine Vertrauensperson, die Ihre Wünsche im Zweifelsfall gegenüber Kliniken durchsetzt. Dies ist besonders bei komplexen Behandlungs­wünschen entscheidend[4][11].

Rechtliche Absicherung: Daran müssen Sie denken

1. Unterschrift und Datum nicht vergessen

Ohne eigenhändige Unterschrift ist die Patientenverfügung unwirksam. Fügen Sie immer das aktuelle Datum hinzu[5][12].

2. Verteilen Sie Kopien

Hinterlegen Sie Exemplare bei:

  • Ihrer Hausarztpraxis
  • Dem bevollmächtigten Vertreter
  • Dem örtlichen Betreuungsgericht[7][11]

3. Digital zugänglich machen

Nutzen Sie zertifizierte Plattformen, die Ihren Dokumenten­bestand im Notfall bundesweit für Kliniken freischalten. Achten Sie auf DSGVO­-Konformität[6][10].

Häufige Fragen im Überblick

„Kann ich alternative Heilmethoden einfordern?“

Ja, sofern wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit vorliegen. Beispiel: „Bei chronischen Schmerzen wünsche ich Akupunktur gemäß Leitlinie DGN 030/111.“[3][9]

„Gilt mein Behandlungs­wunsch auch im Ausland?“

Nein. Patientenverfügungen unterliegen dem Recht des jeweiligen Landes. Bei Auslandsreisen empfiehlt sich eine englischsprachige Notfallversion[2][4].

„Was kostet die Erstellung?“

Die reinen Formularkosten sind gering. Investieren Sie jedoch in:

Ihr Weg zur wirksamen Verfügung: Schritt für Schritt

  1. Reflektieren Sie Ihre Werte
    Was bedeutet Lebensqualität für Sie? Unter welchen Umständen würden Sie Behandlungen befürworten oder ablehnen?

  2. Informieren Sie sich medizinisch
    Lassen Sie sich über Therapieoptionen Ihrer Vorerkrankungen aufklären. Fragen Sie explizit: „Was wäre in meinem Fall sinnvoll?

  3. Formulieren Sie positiv
    Statt „Ich will keine Maschinen“ schreiben Sie: „Ich wünsche natürliches Sterben mit symptomlindernder Begleitung.“

  4. Testen Sie Verständlichkeit
    Lassen Sie Ihre Verfügung von einer Laienperson lesen. Versteht sie ohne Erklärung, was Sie wollen?

  5. Binden Sie Ihr Umfeld ein
    Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Angehörigen und Ärzt:innen. Das verhindert spätere Konflikte[11][12].

Fazit: Selbstbestimmung braucht Klarheit

Eine Patientenverfügung ist mehr als ein Dokument - sie ist Ihr persönlicher Kompass in Gesundheitskrisen. Indem Sie nicht nur Ablehnungen, sondern konkrete Behandlungs­wünsche formulieren, nehmen Sie aktiv Einfluss auf Ihre medizinische Versorgung. Nutzen Sie die hier genannten Strategien, um Ihre Selbstbestimmung rechtssicher zu gestalten. Denn klar kommunizierte Wünsche geben Ärzt:innen und Angehörigen die Sicherheit, im entscheidenden Moment richtig zu handeln.