Was ist bei Patientenverfügung während Schwangerschaft zu beachten?

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Zusammenfassung

Eine Patienten­verfügung während der Schwan­ger­schaft erfordert besondere Sorgfalt, da sie sowohl die Gesundheit der Mutter als auch das Wohl des ungeborenen Kindes berücksichtigt. Wichtig ist, konkrete Wünsche für medizi­nische Maßnahmen zu formulieren, Vertrauens­personen einzubeziehen und regelmäßige Aktualisierungen vorzunehmen. Eine rechtliche Beratung und die Abstimmung mit dem medizi­nischen Team helfen, Konflikte zu vermeiden und den eigenen Willen klar festzuhalten.

Eine Patienten­verfügung ermöglicht es Ihnen, medizi­nische Ent­schei­dungen für den Ernstfall vorzu­bereiten. Während der Schwan­ger­schaft gewinnt dieses Dokument eine besondere Dimension: Es geht nicht nur um Ihre eigene Gesundheit, sondern auch um die Verant­wortung für das ungeborene Kind. Dieser Artikel zeigt, wie Sie Ihre Wünsche rechtssicher formulieren und worauf Sie in dieser sensiblen Lebensphase achten sollten.

Rechtliche Grundlagen der Patienten­verfügung in Deutschland

Die gesetzliche Basis für Patienten­verfügungen ist in § 1827 BGB verankert. Das Gesetz betont, dass Ihr Wille in medizi­nischen Fragen maßgeblich ist - selbst wenn Sie ihn nicht mehr äußern können[1][5]. Für Schwan­gere gelten dieselben Rechte, doch die Situation erfordert besondere Sorgfalt:

  • Konkrete Formulierung: Allgemeine Aussagen wie „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ sind unzureichend[1][10]. Benennen Sie stattdessen exakt, welche Eingriffe Sie in spezifischen Szenarien wünschen oder ablehnen, z. B. bei Komplikationen mit Frühgeburtsrisiko[11].
  • Aktualität: Überprüfen Sie die Verfügung mindestens alle zwei Jahre und nach diagnosti­zierten Gesundheits­veränderungen[3]. Eine Schwanger­schaft kann neue Prioritäten setzen - etwa den Wunsch, trotz eigener Lebensgefahr das Kind zu schützen[12].

Schwan­ger­schaftsspezifische Aspekte der Patienten­verfügung

Geburtsverfügung vs. allgemeine Patienten­verfügung

Während eine klassische Patienten­verfügung sich auf lebensbedrohliche Erkrankungen oder Unfälle bezieht, regelt eine Geburtsverfügung speziell Interventionen unter der Geburt[2]. Hier können Sie festlegen:

  • Ob Sie eine Periduralanästhesie wünschen oder ablehnen
  • Unter welchen Bedingungen ein Kaiserschnitt durchgeführt werden soll
  • Wie mit Notfallsituationen wie Nabelschnurvorfall umgegangen wird[2][6]

Ethische Abwägungen zwischen mütterlicher und kindlicher Gesundheit

In seltenen Fällen steht die Rettung des Kindeslebens im Konflikt mit der Gesundheit der Mutter. Klären Sie in der Verfügung, ob Sie in solchen Extremsituationen lebenserhaltende Maßnahmen auch dann fortsetzen lassen möchten, wenn dies das Kindeswohl gefährdet[4][14]. Religiöse oder kulturelle Überzeugungen spielen hier oft eine Rolle - erwähnen Sie diese explizit, um Ärzt:innen eine Orientierung zu geben[15].

Praktische Umsetzung: Schritt für Schritt

1. Festlegung von Vertrauenspersonen

Benennen Sie in einer Vorsorgevollmacht eine Person, die im Ernstfall Ihren Willen vertritt. Diese sollte:

  • Mit Ihren Werten vertraut sein
  • Über medizinische Grundkenntnisse verfügen
  • Emotional stabil genug sein, um unter Stress Entscheidungen zu treffen[5][8]

2. Dokumentation von Allergien und Vorerkrankungen

Schwan­gere mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Autoimmunstörungen sollten in der Patienten­verfügung detailliert auflisten:

  • Medikamente, die auch bei Bewusstlosigkeit weiterverabreicht werden müssen
  • Kontraindikationen für bestimmte Narkosemittel
  • Blutgerinnungsstörungen, die bei Entbindungen riskant sein können[7][13]

3. Kommunikation mit dem medizinischen Team

Reichen Sie die Patienten­verfügung bei der ersten Vorsorgeuntersuchung ein und besprechen Sie sie mit:

  • Ihrer Gynäkolog:in
  • Der Wunschhebamme
  • Dem Krankenhaus, in dem die Entbindung geplant ist[2][12]

Häufige Fallstricke und wie Sie sie vermeiden

1. Unklare Formulierungen bei lebensrettenden Maßnahmen

Ein BGH-Urteil von 2016 macht deutlich: Pauschale Aussagen wie „keine Apparatemedizin“ sind unwirksam[1]. Formulieren Sie stattdessen:

Ich lehne eine künstliche Beatmung ab, wenn nach ärztlicher Prognose keine realistische Chance auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht.[10]

2. Vernachlässigung psychosozialer Aspekte

Neben medizinischen Anweisungen können Sie in der Patienten­verfügung auch festhalten:

  • Ob Sie im Sterbeprozess religiösen Beistand wünschen
  • Welche Angehörigen informiert werden sollen
  • Ob Fotos oder Aufnahmen des Kindes angefertigt werden dürfen, falls Sie dies nicht selbst erleben[15]

3. Fehlende Berücksichtigung des Kindeswohls

Das Jugendamt muss eingeschaltet werden, wenn eine Patienten­verfügung der Mutter das Kindeswohl gefährdet. Um Konflikte zu vermeiden:

  • Konsultieren Sie einen Fachanwalt für Medizinrecht
  • Beziehen Sie sich in der Verfügung auf § 1627 BGB zur elterlichen Sorge
  • Klären Sie mit dem Partner oder der Partnerin, wer im Todesfall die Vormundschaft übernimmt[6][12]

Empfehlungen für spezielle Situationen

1. Risiko­schwan­ger­schaften

Bei diagnostizierten Risiken wie Präeklampsie oder Plazentainsuffizienz sollten Sie in der Verfügung regeln:

  • Frühgeburts­einleitung ab welcher Schwanger­schaftswoche
  • Maximale Intensivtherapie-Dauer bei maternalem Organversagen
  • Priorisierung zwischen fetaler und mütterlicher Überlebenschance[4][14]

2. Mehrlings­schwan­ger­schaften

Hier besteht erhöhte Komplikationsgefahr. Legen Sie fest:

  • Ob bei vitaler Bedrohung eines Zwillings selektive Reduktion in Betracht kommt
  • Wie mit Diskordanz­wachstum umgegangen werden soll
  • Ob Notfall-Kaiserschnitte ab einer bestimmten Reife priorisiert werden[9][13]

3. Palliativsituationen mit unheilbarer Diagnose

Wenn bei Ihnen eine tödliche Erkrankung diagnostiziert wurde, können Sie in der Verfügung:

  • Schmerztherapie vor Lebensverlängerung priorisieren
  • Hospizbetreuung statt intensivmedizinischer Behandlung wählen
  • Zeitfenster für experimentelle Therapien definieren[7][11]

Absicherung: Das sollten Sie prüfen

  1. Verteilung von Kopien: Hinterlegen Sie die Verfügung bei Hausarzt:in, Krankenkasse und Vertrauensperson.
  2. Kombination mit anderen Dokumenten:

Unterstützungsangebote und Beratungsstellen

Nutzen Sie kostenlose Muster der Bundesärztekammeroder des Justizministeriums als Insepration. Spezialisierte Beratung bieten:

  • Schwan­ger­schafts­beratungsstellen nach § 218 SGB V
  • Palliativmediziner:innen mit Expertise in geburtshilflichen Ethikfragen
  • Rechtsberatungen von Verbraucherzentralen[6][12]

Eine gut durchdachte Patienten­verfügung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihre Wünsche selbst in kritischen Phasen der Schwan­ger­schaft respektiert werden. Nehmen Sie sich Zeit, dieses Dokument mit Sorgfalt zu erstellen - es ist ein zentraler Baustein verantwortungsvoller Selbst­bestimmung.