Was ist bei Patientenverfügung mit Demenz zu beachten?

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Zusammenfassung

Eine Patientenverfügung bei Demenz sollte frühzeitig und konkret erstellt werden, um individuelle Wünsche für medizinische Maßnahmen festzulegen. Wichtig sind klare Formulierungen, regelmäßige Aktualisierungen und die Kombination mit einer Vorsorgevollmacht. Beratungsangebote und der Austausch mit Angehörigen und Ärzt:innen helfen, den Willen der betroffenen Person bestmöglich umzusetzen.

Menschen mit Demenz stehen vor der Herausforderung, ihren Willen für spätere Behandlungs­situationen frühzeitig zu formulieren. Eine Patientenverfügung bietet hier die Möglichkeit, medizinische und pflegerische Entscheidungen vorab zu regeln - vorausgesetzt, sie wird sorgfältig und unter Berücksichtigung der Erkrankung gestaltet. Dieser Artikel zeigt, worauf es bei der Erstellung und Anwendung ankommt.

Grundlagen der Patientenverfügung bei Demenz

Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Die gesetzliche Grundlage für Patientenverfügungen findet sich im § 1827 BGB. Demnach haben einwilligungsfähige Volljährige das Recht, schriftlich festzulegen, welche medizinischen Maßnahmen sie in zukünftigen Entscheidungs­situationen wünschen oder ablehnen[1][5]. Für Menschen mit Demenz gilt: Die Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung ist entscheidend[2][4].

Im Unterschied zur Geschäftsfähigkeit bezieht sich die Einwilligungsfähigkeit konkret auf das Verständnis der jeweiligen medizinischen Maßnahme. Selbst bei fortgeschrittener Demenz kann diese Fähigkeit für bestimmte Entscheidungen noch vorhanden sein[8].

Typische Problemfelder

Viele Standardvorlagen berücksichtigen nicht die Besonderheiten de­menzieller Erkrankungen. Konflikte entstehen häufig durch:

Ein Beispiel: Die pauschale Ablehnung von “lebensverlängernden Maßnahmen” ist rechtlich unzureichend. Konkrete Formulierungen wie “Verzicht auf PEG-Sonde im fortgeschrittenen Demenz­stadium bei Schluckstörungen” geben mehr Sicherheit[6].

Inhaltliche Gestaltung: Von der Theorie zur Praxis

Konkretisierung von Behandlungsszenarien

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft empfiehlt, mindestens fünf konkrete Situations­beschreibungen aufzunehmen[3][7]:

  1. Unmittelbarer Sterbeprozess
  2. Schwere Gehirnschädigung mit unwiederbringlichem Kontaktverlust
  3. Fortgeschrittene Demenz mit Nahrungsverweigerung
  4. Koma ohne Aufwachprognose
  5. Dauerhafter Ausfall lebenswichtiger Organfunktionen

Zu jeder Situation sollten Sie Aussagen treffen zu:

Formulierungsbeispiele aus der Praxis

Ein wirksamer Eingangssatz könnte lauten:
“Für den Fall, dass ich meinen Willen nicht mehr bilden oder äußern kann, bestimme ich…”[3].

Bei der Ablehnung von Maßnahmen ist die Begründung entscheidend:
“Ich lehne eine dauerhafte künstliche Beatmung ab, weil mir die Erhaltung der Kommunikationsfähigkeit wichtiger ist als reine Lebensverlängerung.”[4][7]

Der Prozess der Willensbildung

Rolle medizinischer Beratung

Eine rechtsverbindliche Patientenverfügung erfordert keine notarielle Beglaubigung, aber fachliche Beratung[2][8]. Hausärzt:innen oder Fachärzt:innen für Neurologie können:

  • Den mutmaßlichen Krankheitsverlauf erläutern
  • Medizinische Maßnahmen anschaulich erklären
  • Die Urteilsfähigkeit zum Erstellungszeitpunkt bestätigen[1][4]

Emotionale Begleitung

Das Ausfüllen der Verfügung löst bei vielen Betroffenen Ängste aus. Sozial­dienste oder psychosoziale Beratungsstellen bieten hier Unterstützung. Wichtig: Nehmen Sie sich mehrere Gesprächstermine und dokumentieren Sie Zwischenentscheidungen[1][7].

Umsetzung im Krankheitsverlauf

Frühphase der Demenz

In diesem Stadium sollten Sie:

  • Die Verfügung alle 6-12 Monate überprüfen
  • Neue Behandlungsmethoden ergänzen
  • Konkrete Personen als Vertrauens­personen benennen[2][5]

Ein Beispiel: Die ursprüngliche Ablehnung von Antidepressiva kann nach Entwicklung einer Depression neu bewertet werden.

Fortgeschrittenes Stadium

Ab mittlerer Demenz kommt es auf die Dokumentation von Alltagsentscheidungen an. Pflege­kräfte und Angehörige sollten Beobachtungen festhalten:

  • Reaktionen auf Medikamente
  • Vorlieben bei der Körperpflege
  • Nonverbale Äußerungen zu Schmerzen[4][7]

Diese Aufzeichnungen helfen später bei der Interpretation der Patientenverfügung.

Kommunikation mit Angehörigen und Ärzt:innen

Praktische Hilfen für Gespräche

Erstellen Sie ein Begleitdokument mit:

  • Kurzzusammenfassung der wichtigsten Punkte
  • Kontaktdaten der behandelnden Ärzt:innen
  • Hinweisen zur Interpretation unspezifischer Formulierungen[6][8]

Nutzen Sie Visitenkarten­größe Auszüge für die Brieftasche oder den Notfallordner.

Umgang mit Widerständen

Manche Angehörige haben Schwierigkeiten, schriftliche Festlegungen zu akzeptieren. In solchen Fällen helfen:

  • Gemeinsame Gespräche mit Ethikberatungsstellen
  • Mediative Verfahren durch Betreuungsvereine
  • Klare schriftliche Delegation von Entscheidungskompetenzen[2][8]

Rechtliche Absicherung

Kombination mit anderen Dokumenten

Eine Patientenverfügung wirkt nur im Verbund mit:

Wichtig: Die Vollmacht sollte explizit auf medizinische Entscheidungsbefugnisse verweisen.

Aktualisierungsmanagement

Das Gesetz sieht keine festen Fristen vor, aber Experten empfehlen:

  • Bei Diagnose­änderung: Sofortige Überprüfung
  • Im stabilen Zustand: Alle 2 Jahre Bestätigung
  • Nach Krankenhausaufenthalten: Ggf. Anpassung[1][4]

Nutzen Sie Erinnerungsfunktionen im Smartphone oder binden Sie jährliche Gesprächstermine mit Hausärzt:innen ein.

Ethische Grenzen und Lösungsansätze

Das Dilemma des mutmaßlichen Willens

Studien zeigen: Bis zu 40% der Menschen mit Demenz entwickeln im Verlauf gegenläufige Präferenzen zu ihrer ursprünglichen Verfügung[4][7]. Lösungsansätze hierfür:

  • Regelmäßige Videoaufzeichnungen zur Willensbekundung
  • “Lebensbücher” mit biografischen Präferenzen
  • Ethikkomitee-Einbindung bei Konfliktfällen[7][8]

Palliativkonzepte speziell für Demenz

Moderne Palliativ­versorgung bei Demenz umfasst:

  • Validationstechniken zur Stressreduktion
  • Naturalistische Schmerzerkennungs­methoden
  • Spezielle Ernährungsstrategien im Endstadium[1][4]

Fragen Sie in Pflegeeinrichtungen gezielt nach dementia-spezifischen Palliativkonzepten.

Fazit: Selbstbestimmung als Prozess

Eine gut durchdachte Patientenverfügung bei Demenz ist kein starres Dokument, sondern Teil eines kontinuierlichen Dialogprozesses. Durch regelmäßige Anpassungen und die Einbindung aller Beteiligten lässt sich auch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium ein Höchstmaß an Respekt für den individuellen Willen erreichen. Nutzen Sie Beratungsangebote von Alzheimer-Gesellschaften und überprüfen Sie Ihre Dokumente mindestens alle zwei Jahre - so schaffen Sie Sicherheit für sich und Ihre Angehörigen.