Welche häufigen Missverständnisse gibt es zur Betreuungsverfügung?
Betreuungsverfügung benennt, wer im Fall einer gerichtlichen Betreuung bestellt werden soll, unterscheidet sich klar von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung und regelt nicht Ihre medizinischen Maßnahmen. Sie bleibt verbindlich, kann jederzeit geändert oder widerrufen werden und dient der kontrollierten Gestaltung, ohne eine Betreuung zu verhindern.
Über eine Million Menschen in Deutschland leben unter rechtlicher Betreuung[17]. Trotzdem kursieren noch immer zahlreiche Missverständnisse rund um die Betreuungsverfügung. Diese Irrtümer können im Ernstfall schwerwiegende Folgen haben und dazu führen, dass nicht die gewünschte Person Ihre Betreuung übernimmt. Dieser Artikel klärt die häufigsten Missverständnisse auf und zeigt Ihnen, was Sie tatsächlich über Betreuungsverfügungen wissen müssen.
Missverständnis 1: Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht sind dasselbe
Die Wahrheit: Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht unterscheiden sich grundlegend[2]. Mit einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigen Sie eine vertraute Person direkt, an Ihrer Stelle zu handeln. Diese Person kann sofort entscheiden, ohne dass ein Gericht eingeschaltet wird.
Eine Betreuungsverfügung funktioniert anders: Sie teilen dem Betreuungsgericht mit, welche Person Sie sich als Betreuer:in wünschen[5]. Das Gericht muss jedoch erst die Notwendigkeit einer Betreuung feststellen und die gewünschte Person offiziell bestellen. Erst dann kann diese Person rechtlich für Sie handeln.
Der wesentliche Unterschied liegt in der Kontrolle: Betreuer:innen unterliegen der strikten gerichtlichen Überwachung und müssen jährlich Rechenschaft ablegen[6]. Bevollmächtigte aus einer Vorsorgevollmacht handeln dagegen weitestgehend selbstständig.
Missverständnis 2: Ehepartner:innen dürfen automatisch für mich entscheiden
Die Wahrheit: Auch Ehepartner:innen benötigen eine ausdrückliche Bevollmächtigung[4][12]. Es gibt in Deutschland kein Gesetz, nach dem nahe Angehörige automatisch als Vertreter:innen in Aktion treten können, wenn Sie handlungsunfähig werden.
Seit dem 1. Januar 2023 gilt jedoch das Ehegatt:innenvertretungsrecht[11]. Ehepartner:innen und Lebenspartner:innen können einander in Gesundheitsangelegenheiten für die Dauer von sechs Monaten gegenseitig vertreten. Dies gilt jedoch nur bei vorübergehender Handlungsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall.
Wichtig: Diese gesetzliche Regelung ist eine Notlösung[1]. Sie greift nicht bei länger andauernder Handlungsunfähigkeit oder wenn bereits eine Betreuung oder Vorsorgevollmacht vorliegt. Für alle anderen Lebensbereiche wie Finanzen oder Wohnungsangelegenheiten benötigen auch Ehepartner:innen eine entsprechende Vollmacht.
Missverständnis 3: Eine Betreuungsverfügung verhindert eine gerichtliche Betreuung
Die Wahrheit: Die Betreuungsverfügung dient nicht der Betreuungsvermeidung, sondern der näheren Gestaltung der vom Gericht angeordneten Betreuung[6]. Sie ist eine Art “Wunschliste” für den Fall, dass eine gerichtliche Betreuung notwendig wird.
Wenn Sie eine gerichtliche Betreuung vollständig vermeiden möchten, benötigen Sie eine Vorsorgevollmacht. Diese ermöglicht es Ihrer vertrauten Person, direkt zu handeln, ohne dass das Betreuungsgericht eingeschaltet werden muss.
Eine Betreuungsverfügung ist dann sinnvoll, wenn Sie keine besonders vertraute Person haben, die Sie voll bevollmächtigen möchten, oder wenn Sie möchten, dass Ihr:e Betreuer:in unter gerichtlicher Kontrolle steht[9].
Missverständnis 4: Das Gericht muss meinen Wünschen immer folgen
Die Wahrheit: Das Betreuungsgericht ist grundsätzlich an Ihre Wünsche gebunden, kann aber in Ausnahmefällen davon abweichen[5]. Die Betreuungsverfügung entfaltet Bindungswirkung gegenüber dem Gericht, sofern die schriftlich niedergelegten Wünsche nicht Ihrem Wohl zuwiderlaufen[6].
Statistiken zeigen: In über 90 Prozent der Fälle folgen die Gerichte den Vorschlägen aus der Betreuungsverfügung[17]. Das Gericht kann nur dann eine andere Person bestellen, wenn:
- Die gewünschte Person nicht geeignet ist
- Die Person die Betreuung ablehnt
- Ihre Wünsche Ihrem Wohl zuwiderlaufen würden
- Die Person aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist
Missverständnis 5: Medizinische Entscheidungen sind in der Betreuungsverfügung geregelt
Die Wahrheit: Die Betreuungsverfügung regelt wer Ihre medizinischen Angelegenheiten verwaltet, aber nicht was medizinisch geschehen soll[12]. Für konkrete medizinische Wünsche benötigen Sie eine Patientenverfügung.
Die drei Dokumente ergänzen sich:
- Patientenverfügung: Regelt welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen
- Vorsorgevollmacht: Bestimmt eine Person, die Ihren in der Patientenverfügung geäußerten Willen durchsetzen kann
- Betreuungsverfügung: Nennt eine Person für den Fall, dass eine gerichtliche Betreuung notwendig wird
Ihr:e Betreuer:in im Bereich Gesundheitssorge kann Einwilligungen in medizinische Behandlungen erteilen, Ärzt:innen und Krankenhäuser auswählen und die medizinische Versorgung organisieren[17]. Die Entscheidungsbefugnis ist dabei an Ihre vorher festgelegten Wünsche in der Patientenverfügung gebunden.
Missverständnis 6: Eine Betreuungsverfügung muss notariell beurkundet werden
Die Wahrheit: Eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich[17]. Eine rechtsgültige Betreuungsverfügung muss lediglich:
- Schriftlich verfasst sein
- Von Ihnen persönlich unterschrieben werden
- Mit Datum versehen sein
- Im Original vorliegen
Missverständnis 7: Ich kann eine Betreuungsverfügung nicht mehr ändern
Die Wahrheit: Sie können Ihre Betreuungsverfügung jederzeit ändern oder widerrufen[20]. Dies müssen Sie weder begründen noch gegenüber einer früheren benannten Person rechtfertigen. Solche Änderungen kommen häufiger vor, als viele denken: Die gewünschte Person könnte beispielsweise selbst nicht mehr in der Lage sein, Sie zu betreuen, oder Sie benötigen jemanden, der näher bei Ihnen wohnt.
Wichtig: Vernichten Sie bei einer Änderung das Original der alten Betreuungsverfügung und erstellen ein neues Dokument. Falls Sie das Original bei einem Notar oder Dienstleister hinterlegt haben, informieren Sie diese über die Änderung.
Missverständnis 8: Der:die Betreuer:in kann alles entscheiden
Die Wahrheit: Betreuer:innen haben strenge gesetzliche Beschränkungen und unterliegen einer strikten gerichtlichen Überwachung[6]. Sie müssen:
- Zum Wohl der betreuten Person handeln
- Sich an gesetzliche Vorgaben halten
- Wichtige Entscheidungen vom Gericht genehmigen lassen
- Jährlich über eine Vermögensverwaltung Rechenschaft ablegen[6]
- Dem Betreuungsgericht auf Verlangen Auskunft über ihre Amtsführung geben
Die reformierten Betreuungsgesetze von 2023 stellen noch stärker die Selbstbestimmung der betreuten Person in den Mittelpunkt[20]. Betreuer:innen müssen sich intensiv mit den Wünschen der betreuten Person auseinandersetzen und dürfen ihre Vertretungsmacht nur nutzen, wenn dies unbedingt nötig ist.
Missverständnis 9: 92 Prozent aller Betreuungsverfahren sind vermeidbar
Die Wahrheit: Tatsächlich könnten 92 Prozent aller Betreuungsverfahren durch eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung vermieden werden[17]. Diese Zahl zeigt, wie wichtig rechtzeitige Vorsorge ist. Ein gerichtliches Betreuungsverfahren kostet durchschnittlich zwischen 1.500 und 3.000 Euro[17] und dauert oft mehrere Monate.
Jedoch ist die Betreuungsverfügung nicht immer die beste Lösung zur Vermeidung eines Verfahrens. Wenn Sie eine besonders vertraute Person haben, ist eine Vorsorgevollmacht oft die bessere Alternative[9]. Damit sparen Sie sich das gerichtliche Betreuungsverfahren komplett.
Praktische Handlungsempfehlungen
Wann sollten Sie eine Betreuungsverfügung erstellen?
Eine Betreuungsverfügung ist sinnvoll, wenn:
- Sie keine besonders vertraute Person für eine umfassende Vorsorgevollmacht haben
- Sie möchten, dass Ihr:e Betreuer:in unter gerichtlicher Kontrolle steht
- Sie als “Notlösung” zusätzlich zu einer Vorsorgevollmacht vorsorgen möchten[6]
Was gehört in eine Betreuungsverfügung?
- Vollständige persönliche Daten
- Name und Kontaktdaten der gewünschten Betreuer:innen
- Ersatzpersonen benennen
- Konkrete Wünsche zur Art der Betreuung
- Ausschluss bestimmter Personen[17]
Formulieren Sie präzise
Vermeiden Sie Missverständnisse durch klare, eindeutige Formulierungen[20]. Eine durchdachte Betreuungsverfügung gibt Ihnen Sicherheit und sorgt dafür, dass im Ernstfall eine Person Ihres Vertrauens für Sie da ist. Zögern Sie nicht, sich professionelle Hilfe zu holen - die Investition in eine gute Vorsorge zahlt sich aus.