Was passiert, wenn keine Betreuungsverfügung vorliegt?
Ohne Betreuungsverfügung bestimmt das Gericht eine rechtliche Vertretung nach gesetzlicher Rangfolge, die möglicherweise nicht Ihren Wünschen entspricht - dabei können fremde Berufsbetreuer:innen oder Konflikte unter Angehörigen entstehen. Entscheidungen über Gesundheit, Finanzen und Unterkunft verzögern sich oft, da Ihre persönlichen Vorstellungen nicht dokumentiert sind. Schützen Sie sich durch eine schriftliche Betreuungsverfügung, kombiniert mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, um Ihre Selbstbestimmung zu wahren.
Wenn Sie keine Betreuungsverfügung erstellt haben und betreuungsbedürftig werden, übernimmt das Betreuungsgericht die Auswahl Ihrer rechtlichen Vertretung. Das Gericht kennt dabei Ihre persönlichen Wünsche und Vorstellungen nicht und muss nach gesetzlichen Vorgaben entscheiden. Diese Situation kann dazu führen, dass eine Person zu Ihrer Betreuung bestellt wird, die Sie sich nicht gewünscht hätten oder die Ihre Werte und Überzeugungen nicht teilt[2].
Das Betreuungsgericht entscheidet ohne Ihre Wünsche
Keine automatische Betreuung durch Angehörige
Ein weit verbreiteter Irrtum besteht darin, dass nahe Angehörige automatisch zu Betreuer:innen werden. Weder der Ehepartner noch die Lebenspartnerin haben eine automatische Funktion als rechtliche Vertretung[11][13]. Selbst Eltern volljähriger Kinder sind nicht automatisch berechtigt, Entscheidungen für ihr erwachsenes Kind zu treffen, wenn dieses nicht mehr einwilligungsfähig ist[13].
Die einzige Ausnahme gilt seit 2023 für Ehepartner:innen und eingetragene Lebenspartner:innen: Sie dürfen im medizinischen Notfall durch das Ehegatten-Notvertretungsrecht für sechs Monate entscheiden. Darüber hinaus ergibt sich für Verwandte keine automatische Entscheidungsmacht[10].
Gerichtliche Auswahl nach gesetzlicher Rangfolge
Das Betreuungsgericht muss bei der Auswahl einer geeigneten Person eine bestimmte Rangfolge einhalten[3][8]:
- Wunsch der betroffenen Person (falls noch äußerbar)
- Ehepartner:in, Lebenspartner:in, Eltern oder Kinder
- Weitere Verwandte oder Bekannte
- Ehrenamtliche Betreuer:innen
- Vereinsbetreuer:innen, Behördenbetreuer:innen, Berufsbetreuer:innen
- Betreuungsverein, Betreuungsbehörde
Ohne eine Betreuungsverfügung kann das Gericht nur diese gesetzliche Reihenfolge anwenden, ohne Ihre persönlichen Präferenzen zu kennen. Eine Abweichung von dieser Rangfolge ist nur mit triftigen Gründen möglich[8].
Verlängerte Verfahrensdauer und Unsicherheiten
Zeitaufwändige Ermittlungen
Ohne Ihre vorab geäußerten Wünsche muss das Betreuungsgericht aufwändige Ermittlungen durchführen. Das Gericht holt ein fachärztliches Gutachten ein, hört Sie persönlich an und prüft, welche Personen aus Ihrem Umfeld als Betreuer:innen geeignet wären[9]. Diese Verfahrensschritte können mehrere Wochen oder Monate dauern[1].
Mit einer Betreuungsverfügung würde das gerichtliche Betreuungsverfahren deutlich beschleunigt, da Sie dem Gericht bereits einen konkreten Vorschlag für Ihre Betreuung gemacht hätten[1].
Mögliche Familienkonflikte
Fehlt eine klare Willensäußerung Ihrerseits, können unter Ihren Angehörigen Konflikte darüber entstehen, wer die Betreuung übernehmen soll. Das Betreuungsgericht muss dann zwischen verschiedenen Interessen abwägen, ohne Ihre Präferenzen zu kennen[3].
Fremde Personen als Betreuer:innen
Wenn keine geeigneten Angehörigen verfügbar sind
Stehen keine geeigneten Familienmitglieder oder Bekannten zur Verfügung, bestellt das Gericht professionelle Betreuer:innen[8]. Diese können sein:
- Berufsbetreuer:innen: Personen, die hauptberuflich Betreuungen führen
- Vereinsbetreuer:innen: Mitarbeitende von Betreuungsvereinen
- Behördenbetreuer:innen: Angestellte kommunaler Betreuungsbehörden
Diese professionellen Betreuer:innen kennen Sie nicht persönlich und müssen sich erst über Ihre Lebensumstände, Werte und Wünsche informieren. Dabei können wichtige Details Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Vorstellungen unberücksichtigt bleiben[2].
Eingeschränkte Berücksichtigung persönlicher Bedürfnisse
Professionelle Betreuer:innen müssen oft mehrere Personen gleichzeitig betreuen. Sie haben daher weniger Zeit, sich intensiv mit Ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen auseinanderzusetzen. Ihre Betreuung erfolgt eher nach standardisierten Verfahren als nach Ihren persönlichen Vorstellungen[2].
Rechtliche Konsequenzen der fehlenden Willensäußerung
Ungewisse Auslegung Ihres mutmaßlichen Willens
Liegt keine Betreuungsverfügung vor, muss der oder die Betreuer:in Ihren mutmaßlichen Willen ermitteln. Dies geschieht durch Gespräche mit Angehörigen, Freund:innen oder durch Rückschlüsse aus Ihrem bisherigen Leben[6]. Diese Ermittlung ist jedoch unsicher und kann zu Entscheidungen führen, die nicht Ihren tatsächlichen Wünschen entsprechen.
Ein dokumentiertes Beispiel zeigt die Problematik: Ein Patient erhielt gegen den Willen seines Sohnes weiterhin künstliche Ernährung, weil der vom Gericht bestellte Betreuer einer Beendigung nicht zustimmte. Der Sohn klagte später erfolglos auf Schmerzensgeld, da keine Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung vorlag[10].
Keine Garantie für wunschgemäße Betreuung
Ohne Ihre schriftlich fixierten Wünsche kann das Gericht nicht sicherstellen, dass die Betreuung in Ihrem Sinne erfolgt. Der oder die bestellte Betreuer:in muss zwar Ihr Wohl berücksichtigen, aber die Interpretation dessen, was zu Ihrem Wohl gehört, kann von Ihren eigenen Vorstellungen abweichen[6].
Eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten
Schwierige nachträgliche Änderungen
Sind Sie mit der vom Gericht bestellten Person nicht einverstanden, können Sie nachträglich einen Wechsel beantragen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn Sie noch geschäftsfähig sind oder wenn triftige Gründe für einen Wechsel vorliegen[1]. Ein solches Verfahren ist zeitaufwändig und belastend.
Gerichtliche Überwachung als zweischneidiges Schwert
Rechtliche Betreuer:innen unterliegen der Kontrolle des Betreuungsgerichts, was zunächst als Schutz erscheint[11]. Diese Kontrolle bedeutet aber auch, dass Entscheidungen über Sie von Personen getroffen werden, die Sie nicht persönlich kennen und die möglicherweise nicht verstehen, was Ihnen wichtig ist.
Praktische Auswirkungen im Alltag
Verzögerungen bei wichtigen Entscheidungen
Ohne klare Vorstellungen über Ihre Wünsche können sich Entscheidungen über Ihre medizinische Behandlung, Pflege oder Unterbringung verzögern. Betreuer:innen, die Sie nicht kennen, benötigen Zeit, um sich über Ihre Bedürfnisse zu informieren und angemessene Entscheidungen zu treffen[2].
Mögliche Fehlentscheidungen bei der Vermögensverwaltung
Ihre finanzielle Situation wird von einer Person verwaltet, die Ihre finanziellen Gewohnheiten und Prioritäten nicht kennt. Dies kann zu Entscheidungen führen, die nicht Ihren Vorstellungen entsprechen - etwa bei der Verwaltung von Ersparnissen oder bei geplanten Schenkungen an Familienmitglieder[11].
Was Sie jetzt tun können
Erstellen einer Betreuungsverfügung
Eine Betreuungsverfügung können Sie zu jedem Zeitpunkt erstellen, solange Sie volljährig sind. Sie müssen nicht geschäftsfähig sein[1][6]. In der Verfügung können Sie festlegen:
- Welche Person Sie als Betreuer:in wünschen
- Welche Personen Sie als Betreuer:in ablehnen
- Wie die Betreuung geführt werden soll
- Ihre Werte und Wünsche für verschiedene Lebensbereiche
Kombination mit anderen Vorsorgemaßnahmen
Experten empfehlen, zusätzlich zur Betreuungsverfügung auch eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu erstellen[10][11]. Diese drei Dokumente ergänzen sich und sorgen für eine umfassende Vorsorgeregelung.
Rechtzeitige Gespräche mit Angehörigen
Sprechen Sie mit der Person, die Sie als Betreuer:in benennen möchten. Informieren Sie sie über Ihre Wünsche und stellen Sie sicher, dass sie bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen[1]. Diese Gespräche sind genauso wichtig wie die schriftliche Dokumentation.
Regelmäßige Überprüfung und Anpassung
Ihre Lebensumstände und Wünsche können sich ändern. Überprüfen Sie Ihre Betreuungsverfügung daher spätestens alle sieben Jahre und passen Sie sie bei Bedarf an[1]. So bleibt Ihre Vorsorgeregelung aktuell und entspricht Ihren gegenwärtigen Vorstellungen.
Die fehlende Betreuungsverfügung kann weitreichende Konsequenzen für Ihr Leben haben. Mit einer rechtzeitigen und durchdachten Vorsorge behalten Sie die Kontrolle über wichtige Entscheidungen und sorgen dafür, dass Ihre Wünsche auch dann berücksichtigt werden, wenn Sie sie nicht mehr selbst äußern können.