Kann man auch ohne Betreuungsverfügung einen Betreuer erhalten?
Das Betreuungsgericht bestellt einen Betreuer, wenn Sie Ihre Angelegenheiten wegen Krankheit oder Behinderung nicht mehr selbst regeln können - auch ohne schriftliche Betreuungsverfügung. Dabei berücksichtigt das Gericht Ihre Wünsche zu Person und Aufgabenbereich, soweit sie Ihrem Wohl nicht widersprechen.
Die kurze Antwort lautet: Ja, Sie können auch ohne Betreuungsverfügung einen Betreuer erhalten. Eine Betreuungsverfügung ist keine Voraussetzung für die Bestellung eines Betreuers durch das Betreuungsgericht. Sie dient lediglich dazu, Ihre Wünsche bezüglich der Person des Betreuers zu äußern. Wenn Sie keine solche Verfügung erstellt haben, bestellt das Gericht trotzdem einen Betreuer, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Wann wird eine Betreuung auch ohne Verfügung eingerichtet?
Das Betreuungsgericht kann eine rechtliche Betreuung anordnen, wenn Sie als volljährige Person Ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht mehr besorgen können und dies auf einer Krankheit oder Behinderung beruht[10].
Die gesetzlichen Voraussetzungen
Nach § 1814 BGB müssen folgende Bedingungen erfüllt sein[5][10]:
- Volljährigkeit: Sie müssen das 18. Lebensjahr vollendet haben
- Beeinträchtigung: Sie leiden an einer psychischen Krankheit oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung
- Hilfsbedürftigkeit: Sie können Ihre Angelegenheiten dauerhaft nicht mehr selbst regeln
- Fehlende Alternativen: Es existieren keine anderen Hilfemöglichkeiten wie zum Beispiel eine Vollmacht
Typische Situationen ohne Betreuungsverfügung
Betreuungen werden häufig in Notsituationen eingerichtet, in denen die betroffene Person keine Vorsorge getroffen hat[12]:
- Plötzliche Erkrankungen: Schlaganfall, Herzinfarkt oder Unfälle
- Demenzerkrankungen: Fortschreitender Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit
- Psychische Krisen: Akute psychische Erkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen
- Suchterkrankungen: Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
Wer kann eine Betreuung anregen?
Wichtig: Angehörige sind nicht automatisch betreuungsberechtigt[2][8]. Selbst Ehepartner:innen haben keine automatische Funktion als Betreuer:in. Wer letztendlich Betreuer:in wird, entscheidet allein das zuständige Betreuungsgericht[2].
Diese Personen können eine Betreuung anregen:
- Sie selbst (auch wenn Sie geschäftsunfähig sind)[3]
- Angehörige wie Ehepartner:innen, Kinder oder Eltern
- Nachbar:innen oder Freund:innen[11]
- Behörden wie Sozialämter oder Gesundheitsämter[9]
- Medizinische Fachkräfte oder Pflegende
- Soziale Einrichtungen
Das Verfahren beginnt “von Amts wegen”, sobald das Betreuungsgericht Kenntnis von der Notwendigkeit einer Betreuung erhält[9]. Eine Anregung kann formlos mit einem einfachen Schreiben erfolgen[11].
Wie läuft das Verfahren ohne Betreuungsverfügung ab?
Schritt 1: Anregung oder Antrag
Das Betreuungsverfahren startet durch:
- Ihren eigenen Antrag (formlos möglich)[11]
- Anregung durch Dritte (z.B. Angehörige, Behörden)[9]
- Eigeninitiative des Gerichts bei Kenntniserlangung
Schritt 2: Prüfung durch das Betreuungsgericht
Das Gericht prüft sorgfältig, ob alle Voraussetzungen vorliegen[11]:
- Persönliche Anhörung: Sie werden vom Gericht angehört
- Ärztliche Begutachtung: Ein Sachverständiger prüft Ihren Gesundheitszustand
- Prüfung von Alternativen: Gibt es andere Hilfsmöglichkeiten?
Schritt 3: Auswahl der Betreuungsperson
Ohne Betreuungsverfügung wählt das Gericht den Betreuer oder die Betreuerin nach folgenden Kriterien aus[4][9]:
- Nahestehende Personen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis
- Ehrenamtlich tätige Personen
- Berufsbetreuer:innen
- Mitarbeitende von Betreuungsvereinen
- Betreuungsbehörde
Bei der Auswahl werden Ihre Wünsche berücksichtigt, soweit sie Ihrem Wohl nicht widersprechen[4][9].
Welche Aufgaben übernimmt der Betreuer?
Das Gericht bestimmt genau, für welche Bereiche Sie Betreuung benötigen[7]. Mögliche Aufgabenkreise sind:
- Gesundheitssorge: Medizinische Entscheidungen und Behandlungen[7]
- Vermögensverwaltung: Umgang mit Geld und Verträgen
- Wohnungsangelegenheiten: Mietverträge und Wohnraumfragen[7]
- Aufenthaltsbestimmung: Entscheidung über den Wohnort
- Behördenkontakte: Vertretung bei Ämtern und Versicherungen
Wichtig: Eine rechtliche Betreuung ist keine Entmündigung[4]. Sie können weiterhin höchstpersönliche Rechtsgeschäfte selbst vornehmen, wie:
- Heirat
- Testamentserrichtung
- Wahlrecht
- Kirchenaustritt
Kosten einer Betreuung ohne Verfügung
Die Kosten richten sich nach Ihren Vermögensverhältnissen[6]:
- Bei geringem Vermögen: Übernahme durch die Staatskasse
- Bei höherem Vermögen: Eigenbeteiligung nach festgelegten Sätzen
- Gerichtskosten: Fallen unter bestimmten Voraussetzungen an
Unterschied zur Vorsorgevollmacht
Anders als bei einer Vorsorgevollmacht wird bei der Betreuung das Gericht dauerhaft einbezogen[17]:
Betreuung:
- Gericht bestellt und überwacht Betreuer:in
- Regelmäßige Kontrollen und Berichterstattung
- Gerichtliche Genehmigung bei wichtigen Entscheidungen
Vorsorgevollmacht:
- Direkte Bevollmächtigung ohne Gericht
- Keine regelmäßige Kontrolle
- Mehr Flexibilität, aber auch weniger Schutz
Was können Sie auch ohne Betreuungsverfügung beeinflussen?
Auch wenn Sie keine Betreuungsverfügung erstellt haben, können Sie während des Verfahrens noch Einfluss nehmen[9]:
- Personenwünsche äußern: Wen Sie sich als Betreuer:in wünschen
- Personen ausschließen: Wen Sie nicht als Betreuer:in möchten
- Aufgabenbereiche festlegen: Welche Bereiche betreut werden sollen
- Lebensgestaltung: Wie Sie leben möchten
Das Gericht ist verpflichtet, Ihre Wünsche zu berücksichtigen, sofern sie Ihrem Wohl nicht widersprechen[9].
Dringlichkeitsfälle: Vorläufige Betreuung
In Notsituationen kann das Gericht einen vorläufigen Betreuer bestellen[14]:
- Bei akuter Gefahr für Sie oder Ihr Vermögen
- Wenn das normale Verfahren zu lange dauern würde
- Bis zur endgültigen Entscheidung
Fazit: Betreuung ist auch ohne Verfügung möglich
Sie können auch ohne Betreuungsverfügung einen Betreuer erhalten, wenn Sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Das Betreuungsgericht prüft jeden Einzelfall sorgfältig und bestellt eine geeignete Person als Betreuer:in. Obwohl eine Betreuungsverfügung Ihre Wünsche besser absichert, schützt Sie das deutsche Betreuungsrecht auch ohne vorherige Verfügung vor Nachteilen.
Rat: Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Wünsche für den Betreuungsfall. Diese können Ihre Vorstellungen dann dem Gericht mitteilen, auch ohne schriftliche Verfügung.