Ist die Betreuungsverfügung verpflichtend oder freiwillig?

Zusammenfassung

Die Betreuungsverfügung ist ein freiwilliges Dokument, das Sie selbst verfassen können und das im Betreuungsfall dem Gericht verbindlich Ihre Betreuer:innen-Wünsche vorgibt. Jede Person, die von ihrer Existenz erfährt, muss sie im Betreuungsverfahren ans Gericht übermitteln. Sie können die Verfügung ohne Formvorschriften jederzeit ändern oder widerrufen und im Zentralen Vorsorgeregister hinterlegen.

Die Betreuungs­verfügung gehört zu den wichtigsten Vorsorge­dokumenten in Deutschland, wirft aber bei vielen Menschen grundlegende Fragen auf. Eine zentrale Unsicherheit betrifft die Verbindlichkeit: Müssen Sie eine solche Verfügung erstellen oder bleibt das Ihre freie Entscheidung? Die Antwort ist eindeutig - die Betreuungs­verfügung ist vollständig freiwillig, bringt aber bestimmte rechtliche Verpflichtungen mit sich, sobald sie existiert.

Die Betreuungs­verfügung ist freiwillig

Niemand ist verpflichtet, eine Betreuungs­verfügung zu erstellen. Es handelt sich um eine freiwillige, privat­rechtliche Willenserklärung für Ihre persönliche Vorsorge[4]. Sie können selbst entscheiden, ob Sie dieses Vorsorge­instrument nutzen möchten oder nicht.

Die Betreuungs­verfügung entfaltet ihre Wirkungen nur dann, wenn sie tatsächlich erforderlich wird, gemäß § 1814 BGB[1]. Das bedeutet: Solange Sie Ihre Angelegenheiten selbst regeln können, bleibt das Dokument ohne rechtliche Auswirkungen auf Ihr Leben.

Wer kann eine Betreuungs­verfügung erstellen?

Jede volljährige Person kann eine Betreuungs­verfügung verfassen[4]. Besonders bemerkenswert: Sie müssen zum Zeitpunkt der Erstellung nicht geschäfts­fähig sein[1][6]. Das unterscheidet die Betreuungs­verfügung grundlegend von der Vorsorge­vollmacht, für die volle Geschäfts­fähigkeit erforderlich ist[6].

Diese Regelung ist besonders wichtig für Menschen, die bereits an Demenz erkrankt sind oder nach einem Unfall eingeschränkt sind. Sie können trotzdem ihre Wünsche für eine mögliche Betreuung festhalten[4].

Verpflichtungen rund um die Betreuungs­verfügung

Obwohl die Erstellung freiwillig ist, entstehen bestimmte Verpflichtungen, sobald eine Betreuungs­verfügung existiert.

Ablieferungs­pflicht bei Betreuungs­verfahren

Jede Person, die eine Betreuungs­verfügung besitzt oder findet, ist verpflichtet, diese beim Bekanntwerden eines gerichtlichen Betreuungs­verfahrens dem Betreuungs­gericht zu übermitteln[1][8][9]. Diese Pflicht trifft ausnahmslos alle - Angehörige, Freunde, medizinische Fachkräfte oder andere Personen.

Die rechtliche Grundlage findet sich in § 1816 Absatz 2 Satz 4 BGB[8][14]. Das Gericht ist darauf angewiesen, von der Existenz solcher Verfügungen zu erfahren, um die Wünsche der betroffenen Person berücksichtigen zu können.

Beachtungs­pflicht des Gerichts

Das Betreuungs­gericht muss die in der Betreuungs­verfügung geäußerten Wünsche im Rahmen des § 1816 Absatz 2 BGB berücksichtigen[1][8]. Wünscht eine Person eine bestimmte Betreuerin oder einen bestimmten Betreuer, ist diesem Wunsch zu entsprechen, es sei denn, die gewünschte Person ist für die Betreuung nicht geeignet[8][14].

Unterschiede zwischen Betreuungs­verfügung und Vorsorge­vollmacht

Viele Menschen verwechseln diese beiden wichtigen Vorsorge­instrumente. Die Unterschiede sind jedoch erheblich:

Aktivierung des Dokuments

Vorsorge­vollmacht: Die bevollmächtigte Person kann sofort handeln, sobald Sie Ihre Geschäfts­fähigkeit verlieren. Das Dokument wird automatisch wirksam[3].

Betreuungs­verfügung: Der gewünschte Betreuer oder die gewünschte Betreuerin kann erst handeln, nachdem das Betreuungs­gericht eine offizielle Bestellung vorgenommen hat[3][5]. Dies bedeutet eine zusätzliche rechtliche Hürde.

Kontrolle und Überwachung

Bei einer Vorsorge­vollmacht sind Sie auf das Vertrauen zur bevollmächtigten Person angewiesen[1]. Bei der Betreuungs­verfügung steht der Betreuer oder die Betreuerin unter ständiger gerichtlicher Kontrolle[2][16].

Der Betreuer oder die Betreuerin muss jede wichtige Entscheidung gegebenenfalls vor dem Betreuungs­gericht rechtfertigen[5]. Dies bietet zusätzlichen Schutz, kann aber auch Entscheidungs­prozesse verlangsamen.

Geschäfts­fähigkeit bei der Erstellung

Für eine Vorsorge­vollmacht benötigen Sie volle Geschäfts­fähigkeit[6]. Eine Betreuungs­verfügung können Sie auch erstellen, wenn Sie bereits eingeschränkt geschäfts­fähig oder sogar geschäfts­unfähig sind[1][4][6].

Wann ist eine Betreuungs­verfügung sinnvoll?

Als Alternative zur Vorsorge­vollmacht

Die Betreuungs­verfügung eignet sich besonders, wenn Sie niemanden kennen, dem Sie vollständig vertrauen würden[4]. Die gerichtliche Kontrolle schützt vor Missbrauch, kann aber Entscheidungen verlangsamen.

Als Ergänzung zur Vorsorge­vollmacht

Selbst wenn Sie bereits eine Vorsorge­vollmacht haben, kann eine ergänzende Betreuungs­verfügung sinnvoll sein[4][5]. Sie greift, falls:

  • Die Vorsorge­vollmacht ihre Gültigkeit verliert
  • Der Bevollmächtigte seine Aufgaben nicht erfüllen kann
  • Eine gerichtliche Betreuung trotz Vollmacht notwendig wird

Für alle Altersgruppen relevant

Niemand ist zu jung für eine Betreuungs­verfügung[4]. Schon ab dem 18. Lebensjahr können unvorhergesehene Ereignisse wie Unfälle oder plötzliche Erkrankungen eine Betreuung erforderlich machen.

Inhalte einer Betreuungs­verfügung

Personen­vorschläge

Sie können festlegen[6][16]:

  • Wen Sie sich als Betreuer:in wünschen
  • Wen Sie als Ersatz­betreuer:in vorschlagen
  • Welche Personen auf keinen Fall Ihre Betreuung übernehmen sollen

Wünsche zur Betreuungs­führung

Die Verfügung kann auch konkrete Vorstellungen zur Durchführung der Betreuung enthalten[6][16]:

  • Bevorzugte Pflege­dienste oder Pflege­heime
  • Wohn­wünsche (zu Hause bleiben oder Umzug)
  • Medizinische Behandlungs­präferenzen
  • Regelungen zu Ihrem Vermögen

Formale Anforderungen

Geringe formale Hürden

Für die Betreuungs­verfügung gelten keinerlei Formvorschriften[6]. Das Gericht muss sogar mündliche Erklärungen beachten, wobei hier erhebliche Beweis­schwierigkeiten auftreten können[6].

Empfohlen wird dennoch:

Registrierung im Zentralen Vorsorge­register

Seit 2009 können Sie Ihre Betreuungs­verfügung im Zentralen Vorsorge­register der Bundes­notar­kammer registrieren lassen[6][10]. Das Betreuungs­gericht soll vor jeder Betreuer­bestellung prüfen, ob Dokumente in diesem Register hinterlegt sind[9][15].

Die Registrierung erfolgt[10]:

  • Online über das Portal des Zentralen Vorsorge­registers
  • Schriftlich mit entsprechenden Formularen
  • Über Notar:innen, Rechts­anwält:innen oder Betreuungs­behörden

Widerruf und Änderungen

Eine Betreuungs­verfügung können Sie jederzeit ohne Einhaltung einer Form widerrufen oder ändern[12]. Dies gilt auch, wenn Sie bereits geschäfts­unfähig geworden sind - dann bestimmt das Betreuungs­gericht einen anderen Betreuer oder eine andere Betreuerin[12].

Rechtliche Verbindlichkeit der Wünsche

Für das Gericht

Das Betreuungs­gericht ist grundsätzlich an Ihre Wünsche gebunden[18]. Die in der Betreuungs­verfügung niedergelegten Festlegungen sind verbindlich, es sei denn:

  • Die gewünschte Person ist zur Betreuungs­führung nicht geeignet
  • Erhebliche Interessens­konflikte stehen entgegen

Für Betreuer:innen

Auch für die bestellten Betreuer:innen gilt eine Wunsch­befolgungs­pflicht[18]. Sie dürfen Ihre Wünsche nur übergehen, wenn eine erhebliche Gefährdung wichtiger Rechts­güter droht.

Praktische Handlungs­empfehlungen

Aufbewahrung und Information

  • Informieren Sie vertrauens­volle Personen über die Existenz Ihrer Betreuungs­verfügung
  • Bewahren Sie das Dokument an einem bekannten, zugänglichen Ort auf
  • Hinterlegen Sie Kopien bei Ihren Hausärzt:innen oder Rechts­anwält:innen
  • Erwägen Sie die Registrierung im Zentralen Vorsorge­register

Regelmäßige Überprüfung

  • Prüfen Sie Ihre Betreuungs­verfügung regelmäßig auf Aktualität
  • Setzen Sie bei Überprüfungen erneut Ihre Unterschrift mit aktuellem Datum
  • Passen Sie die Verfügung bei geänderten Lebens­umständen an

Kombination mit anderen Vorsorge­dokumenten

Eine Betreuungs­verfügung ergänzt andere wichtige Vorsorge­dokumente optimal:

Die Betreuungs­verfügung bleibt freiwillig, aber wer sie erstellt, schafft wichtige Klarheit für den Fall, dass andere für ihn oder sie entscheiden müssen. Sie behält dabei die Kontrolle über ihre Zukunft, auch wenn sie selbst nicht mehr entscheidungs­fähig sein sollte.