Was ist ein Wahlvermächtnis?
Ein Wahlvermächtnis ist eine besondere Form des Vermächtnisses, bei der der Erblasser mehrere Gegenstände zur Auswahl stellt, von denen der Begünstigte nur einen oder einzelne erhält. Das Wahlrecht kann dabei dem Vermächtnisnehmer, den Erb:innen oder einer dritten Person zugewiesen werden. Diese flexible Regelung ermöglicht eine individuellere Nachlassgestaltung und sollte klar formuliert sowie gut durchdacht sein, um Missverständnisse oder Streitigkeiten zu vermeiden.
- Rechtliche Grundlagen des Wahlvermächtnisses
- Wer hat das Wahlrecht?
- Praktische Beispiele für ein Wahlvermächtnis
- Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer
- Steuerliche Aspekte des Wahlvermächtnisses
- Vorteile des Wahlvermächtnisses
- Praktische Tipps für die Gestaltung eines Wahlvermächtnisses
- Fazit zum Wahlvermächtnis
Ein Wahlvermächtnis ist eine besondere Form des Vermächtnisses im deutschen Erbrecht, bei der der Erblasser mehrere Vermögensgegenstände bestimmt, von denen der Bedachte jedoch nur einen oder einzelne erhalten soll. Dieses Instrument der Nachlassgestaltung bietet mehr Flexibilität bei der Verteilung des Vermögens und kann helfen, die persönlichen Bedürfnisse und Interessen der Begünstigten zu berücksichtigen.
Rechtliche Grundlagen des Wahlvermächtnisses
Das Wahlvermächtnis ist im § 2154 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gesetzlich verankert. Dort heißt es:
“Der Erblasser kann ein Vermächtnis in der Art anordnen, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll.”[7]
Im Unterschied zum klassischen Vermächtnis, bei dem ein bestimmter Gegenstand vermacht wird, stellt der Erblasser beim Wahlvermächtnis eine Auswahl zur Verfügung. Wichtig zu wissen: Der Vermächtnisnehmer erhält nicht alle genannten Gegenstände, sondern muss sich für einen entscheiden - die übrigen Gegenstände verbleiben in der Erbmasse.[2]
Wer hat das Wahlrecht?
Eine zentrale Frage beim Wahlvermächtnis ist, wer das Recht hat, die Auswahl zu treffen:
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Der Erbe (Beschwerte): Im Zweifelsfall, wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, steht das Wahlrecht dem Erben zu (§ 262 BGB).[1]
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Der Vermächtnisnehmer (Bedachte): Der Erblasser kann festlegen, dass der Begünstigte selbst wählen darf, welchen Gegenstand er erhalten möchte.[5]
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Eine dritte Person: Das Wahlrecht kann auch einer dritten Person übertragen werden. In diesem Fall muss die Wahl durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten erfolgen (§ 2154 Abs. 1 BGB).[3]
Wenn eine dritte Person das Wahlrecht hat, aber nicht wählen kann oder will, geht das Wahlrecht auf den Beschwerten über. Trifft auch dieser keine Wahl, geht das Wahlrecht zuletzt auf den Bedachten über (§ 264 BGB).[1]
Praktische Beispiele für ein Wahlvermächtnis
Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele, wie ein Wahlvermächtnis im Testament formuliert werden kann:
Beispiel 1: “Aus meiner Gemäldesammlung soll meine Nichte Anna nur ein einziges Bild erhalten.”[1]
Beispiel 2: “Mein Neffe Thomas erhält im Wege des Vermächtnisses aus meiner Sammlung von Armbanduhren eine Armbanduhr. Die Auswahl hat der Vermächtnisnehmer zu treffen.”[3]
Beispiel 3: “Meine Freundin Sarah soll eine meiner beiden Immobilien in der Bergstraße 12 oder in der Seestraße 5 erhalten. Die Wahl trifft mein Testamentsvollstrecker.”
Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer
Um das Konzept des Wahlvermächtnisses vollständig zu verstehen, ist es wichtig, den grundlegenden Unterschied zwischen Erben und Vermächtnisnehmern zu kennen:
Merkmal | Erbe | Vermächtnisnehmer |
---|---|---|
Rechtsnachfolge | Wird Rechtsnachfolger des Erblassers | Wird nicht Rechtsnachfolger |
Eigentum | Erhält automatisch Eigentum am Nachlass | Hat nur einen Anspruch auf den vermachten Gegenstand |
Haftung für Schulden | Haftet für Schulden des Erblassers | Haftet in der Regel nicht für Nachlassschulden |
Geltendmachung | Automatisch mit Erbfall | Muss Anspruch aktiv geltend machen |
Erbschein | Meist erforderlich | Nicht erforderlich |
Der Vermächtnisnehmer muss seinen Anspruch auf den vermachten Gegenstand bei den Erb:innen einfordern - er erhält ihn nicht automatisch.[6]
Steuerliche Aspekte des Wahlvermächtnisses
Auch aus steuerlicher Sicht gibt es beim Wahlvermächtnis Besonderheiten:
Zeitpunkt der Besteuerung: Bei einem Wahlvermächtnis, bei dem das Wahlrecht dem Bedachten zusteht, richtet sich die Besteuerung bereits vom Erbfall an ausschließlich auf den Gegenstand, für den sich der Bedachte entscheidet (Bundesfinanzhof, Urteil vom 6. Juni 2001, II R 14/00).[3]
Freibeträge: Wie bei anderen Formen der Vermögensübertragung gelten auch beim Wahlvermächtnis die üblichen Freibeträge der Erbschaftssteuer.
Vorteile des Wahlvermächtnisses
Das Wahlvermächtnis bietet mehrere Vorteile:
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Flexibilität in der Nachlassplanung: Sie können mehrere Gegenstände zur Auswahl stellen, ohne dass alle Gegenstände an den Vermächtnisnehmer fallen.
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Berücksichtigung persönlicher Präferenzen: Der Begünstigte kann, wenn ihm das Wahlrecht zusteht, den für ihn passenden Gegenstand auswählen.
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Weniger Streitanfälligkeit: Durch die klare Regelung des Wahlrechts können mögliche Konflikte zwischen den Erb:innen vermieden werden.[8]
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Gezielte Vermögensübertragung: Sie können bestimmte Gegenstände gezielt aus dem Nachlass herauslösen, ohne die gesamte Erbfolge zu verändern.
Praktische Tipps für die Gestaltung eines Wahlvermächtnisses
Wenn Sie ein Wahlvermächtnis in Ihrem Testament vorsehen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:
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Klare Bezeichnung der Gegenstände: Benennen Sie die zur Auswahl stehenden Gegenstände möglichst genau, um spätere Unklarheiten zu vermeiden.
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Eindeutige Bestimmung des Wahlrechts: Legen Sie fest, wer das Wahlrecht ausüben soll - der Erbe, der Vermächtnisnehmer oder eine dritte Person.
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Zeitliche Vorgaben: Setzen Sie eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts, um lange Schwebezeiten zu vermeiden.
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Regelung für den Fall der Nichtausübung: Treffen Sie eine Regelung für den Fall, dass das Wahlrecht nicht ausgeübt wird.
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Fachliche Beratung einholen: Bei komplexen Vermögensverhältnissen empfiehlt sich die Beratung durch Fachanwält:innen für Erbrecht.
Fazit zum Wahlvermächtnis
Das Wahlvermächtnis ist ein sinnvolles Instrument der Nachlassplanung, wenn Sie bestimmten Personen die Möglichkeit geben möchten, aus mehreren Gegenständen einen auszuwählen. Es bietet mehr Flexibilität als ein gewöhnliches Vermächtnis und kann den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Bedachten besser gerecht werden.
Bei der Gestaltung sollten Sie besonders auf klare Formulierungen und die eindeutige Zuweisung des Wahlrechts achten. So können Sie dazu beitragen, dass Ihr letzter Wille ohne Komplikationen umgesetzt werden kann und keine unnötigen Konflikte entstehen.
Denken Sie daran: Ein gut formuliertes Wahlvermächtnis kann dazu beitragen, dass Ihre persönlichen Wertgegenstände in die richtigen Hände gelangen und im Sinne Ihrer Wünsche weiterleben.