Was ist ein Verschaffungsvermächtnis?
Ein Verschaffungsvermächtnis ermöglicht es, in einem Testament Gegenstände zu vermachen, die nicht im Besitz der verstorbenen Person sind. Die Erb:innen sind verpflichtet, den vermachten Gegenstand zu beschaffen und an die begünstigte Person zu übergeben, es sei denn, dies ist unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Eine klare Formulierung im Testament ist entscheidend, um den Willen rechtswirksam umzusetzen.
Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wie Sie in Ihrem Testament auch Dinge weitergeben können, die gar nicht in Ihrem Besitz sind? Das deutsche Erbrecht bietet hierfür eine besondere Möglichkeit: das Verschaffungsvermächtnis. Diese rechtliche Gestaltung erlaubt es Ihnen, über Gegenstände zu verfügen, die zum Zeitpunkt Ihres Todes nicht zu Ihrem Nachlass gehören werden.
Was genau ist ein Verschaffungsvermächtnis?
Ein Verschaffungsvermächtnis ist eine besondere Form des Vermächtnisses. Im Gegensatz zum üblichen Vermächtnis, bei dem Sie etwas aus Ihrem eigenen Besitz weitergeben, ermöglicht das Verschaffungsvermächtnis die Zuwendung eines Gegenstandes, der zur Zeit des Erbfalls nicht Teil Ihres Nachlasses ist[1][2].
Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 2170 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Regelung besagt, dass der mit dem Vermächtnis Belastete - meist Ihr:e Erb:in - verpflichtet ist, den vermachten Gegenstand zu beschaffen und dem:der Vermächtnisnehmer:in zu übereignen[1].
Wann kommt ein Verschaffungsvermächtnis zum Einsatz?
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie möchten, dass Ihr Enkelkind nach Ihrem Tod ein Fahrrad erhält. In Ihrem Besitz befindet sich jedoch kein passendes Fahrrad, oder Sie sind sich nicht sicher, ob das vorhandene zum Zeitpunkt Ihres Todes noch existiert. Mit einem Verschaffungsvermächtnis können Sie anordnen, dass Ihre Tochter als Erbin dem Enkelkind ein Fahrrad kaufen und übereignen muss[1].
Diese Möglichkeit kann in vielen Lebenssituationen sinnvoll sein:
- Wenn Sie einem:einer Bedachten etwas zukommen lassen möchten, das Sie derzeit nicht besitzen
- Wenn Sie nicht sicher sind, ob ein bestimmter Gegenstand bei Ihrem Tod noch in Ihrem Besitz sein wird
- Wenn Sie möchten, dass Ihr:e Erb:in einen ganz bestimmten Gegenstand für die begünstigte Person erwirbt
Rechtliche Besonderheiten beachten
Wichtig zu wissen: Nach § 2169 BGB ist grundsätzlich ein Vermächtnis unwirksam, wenn es sich auf einen Gegenstand bezieht, der zur Zeit des Erbfalls nicht zur Erbschaft gehört[1][2]. Das Verschaffungsvermächtnis stellt hier jedoch eine wichtige Ausnahme dar.
Damit es wirksam ist, muss aus dem Testament klar hervorgehen, dass Sie den Gegenstand dem:der Bedachten auch für den Fall zuwenden wollen, dass dieser nicht zu Ihrem Nachlass gehören wird[2]. Dies sollten Sie bei der Formulierung Ihres Testaments unbedingt beachten!
Verpflichtungen des Erben
Wer mit einem Verschaffungsvermächtnis belastet wird - in der Regel Ihr:e Erb:in - hat folgende Pflichten:
- Den vermachten Gegenstand zu beschaffen (meist zu kaufen)
- Diesen Gegenstand dem:der Vermächtnisnehmer:in zu übereignen[1]
Es gibt jedoch Grenzen dieser Verpflichtung. Ist Ihr:e Erb:in zur Beschaffung außerstande oder ist die Beschaffung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich, kann er oder sie sich durch Zahlung des entsprechenden Werts befreien[2]. Dies ist in § 2170 Abs. 2 BGB geregelt.
Praktische Hinweise für Ihr Testament
Um Unstimmigkeiten und mögliche Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Sie bei der Formulierung eines Verschaffungsvermächtnisses in Ihrem Testament folgende Punkte beachten:
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Eindeutige Bezeichnung: Machen Sie klar, dass es sich um ein Verschaffungsvermächtnis handelt[1].
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Klare Beschreibung: Beschreiben Sie den zu beschaffenden Gegenstand so genau wie möglich.
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Ausdrückliche Anordnung: Formulieren Sie deutlich, dass der Gegenstand dem:der Bedachten auch dann zugewendet werden soll, wenn er nicht zu Ihrem Nachlass gehört[1][2].
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Wertbegrenzung: Legen Sie gegebenenfalls einen Höchstbetrag fest, der für die Beschaffung aufgewendet werden soll.
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Alternativregelung: Bestimmen Sie, was geschehen soll, wenn der Gegenstand nicht beschafft werden kann.
Ein Beispiel für die Formulierung
Eine mögliche Formulierung für ein Verschaffungsvermächtnis könnte lauten:
“Ich vermache meinem Enkelkind [Name] ein neues Fahrrad der Marke [Marke], Modell [Modell] oder ein vergleichbares Fahrrad im Wert von bis zu [Betrag] Euro. Sollte sich zum Zeitpunkt meines Todes kein solches Fahrrad in meinem Besitz befinden, so verpflichte ich meine Erbin [Name], ein solches Fahrrad zu beschaffen und meinem Enkelkind zu übereignen. Hiermit ordne ich ausdrücklich ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des § 2170 BGB an.”
Steuerliche Aspekte
Bei der erbschaftsteuerlichen Betrachtung ist zu beachten, dass ein Verschaffungsvermächtnis mit dem gemeinen Wert des zu beschaffenden Gegenstands angesetzt wird[6]. Interessant ist auch, dass selbst ein zivilrechtlich unwirksames Vermächtnis für erbschaftsteuerliche Zwecke als gültig angesehen werden kann, wenn der Beschwerte es beachtet und tatsächlich erfüllt[6].
Unterschied zum normalen Vermächtnis
Im Gegensatz zum normalen Vermächtnis, bei dem ein Gegenstand aus dem vorhandenen Nachlass zugewendet wird, bezieht sich das Verschaffungsvermächtnis auf Gegenstände, die erst beschafft werden müssen. Während beim normalen Vermächtnis der:die Vermächtnisnehmer:in einen Anspruch auf einen bereits vorhandenen Gegenstand erhält, entsteht beim Verschaffungsvermächtnis ein Anspruch auf die Beschaffung eines bestimmten Gegenstands[3].
Fazit
Das Verschaffungsvermächtnis bietet Ihnen eine flexible Möglichkeit, in Ihrem Testament auch über Dinge zu verfügen, die nicht in Ihrem Besitz sind. Damit es rechtswirksam ist, sollten Sie bei der Formulierung besonders sorgfältig vorgehen und klar zum Ausdruck bringen, dass der Gegenstand auch dann zugewendet werden soll, wenn er nicht zu Ihrem Nachlass gehört.
Wenn Sie ein Verschaffungsvermächtnis anordnen möchten, ist es ratsam, sich von einem:einer Fachanwält:in für Erbrecht beraten zu lassen. So stellen Sie sicher, dass Ihr letzter Wille korrekt formuliert ist und später auch wie gewünscht umgesetzt werden kann.