Was ist ein Vermächtnis?
in Vermächtnis ist eine Verfügung im Testament oder Erbvertrag, bei der eine bestimmte Person einen konkreten Vermögensvorteil (z. B. Geld, Gegenstände, Immobilien) erhält, ohne Erbe zu werden. Der Anspruch des*der Vermächtnisnehmer:in richtet sich gegen die Erben, die zur Erfüllung verpflichtet sind. Es bietet eine flexible Möglichkeit, gezielte Zuwendungen vorzunehmen und Erbstreitigkeiten zu vermeiden.
Synonyme: Damnationslegat, Vindikationslegat
- Die rechtliche Definition des Vermächtnisses
- Der grundlegende Unterschied: Vermächtnis und Erbe
- Was kann Gegenstand eines Vermächtnisses sein?
- Wie funktioniert ein Vermächtnis in der Praxis?
- Besondere Arten von Vermächtnissen
- Vorteile eines Vermächtnisses in der Nachlassplanung
- Annahme oder Ausschlagung eines Vermächtnisses
- Häufige Missverständnisse
- Ein praktisches Beispiel
- Fazit
Ein Vermächtnis ist im deutschen Erbrecht ein wichtiges Instrument, um einzelne Vermögenswerte gezielt an bestimmte Personen zu übertragen. Anders als bei einer Erbeinsetzung erhält die begünstigte Person nur konkrete Gegenstände oder Werte - ohne die umfassenden Rechte und Pflichten eines Erben. Dieser Artikel erklärt Ihnen, was ein Vermächtnis genau ist, wie es sich von einer Erbschaft unterscheidet und welche Möglichkeiten es Ihnen bei Ihrer Nachlassplanung bietet.
Die rechtliche Definition des Vermächtnisses
Ein Vermächtnis ist laut § 1939 BGB eine Zuwendung eines Vermögensvorteils durch Testament oder Erbvertrag, ohne dass die begünstigte Person als Erbe eingesetzt wird[2]. Es wird auch als “Legat” (vom lateinischen “legatum”) bezeichnet[2]. Die gesetzlichen Regelungen zum Vermächtnis finden sich in den §§ 2147 ff. BGB[2].
Durch ein Vermächtnis können Sie einer Person etwas aus Ihrem Nachlass zukommen lassen, ohne dass diese Person Teil der Erbengemeinschaft wird. Sie können beispielsweise festlegen, dass eine bestimmte Person Ihre wertvolle Uhrensammlung erhalten soll, während der Rest Ihres Vermögens an die Familienmitglieder verteilt wird.
Der grundlegende Unterschied: Vermächtnis und Erbe
Der Erbe tritt in die gesamte Rechtsposition des Erblassers ein. Das bedeutet, dass alle Rechte, Pflichten und Verbindlichkeiten automatisch auf den Erben übergehen[1]. Der Erbe wird zum Gesamtrechtsnachfolger und übernimmt damit auch die Verantwortung für Schulden oder andere Verpflichtungen[3].
Der Vermächtnisnehmer hingegen erhält lediglich einen Anspruch auf bestimmte Vermögenswerte[1][2]. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Erben, die verpflichtet sind, das Vermächtnis zu erfüllen[3]. Der Vermächtnisnehmer bekommt die vermachten Gegenstände nicht automatisch mit dem Erbfall, sondern muss seinen Anspruch geltend machen[1].
Ein praktisches Beispiel: Wenn Sie in Ihrem Testament schreiben “Ich vermache meinen Schmuck meiner Nichte Maria”, dann wird Maria nicht Ihre Erbin. Sie erhält lediglich einen Anspruch auf Ihren Schmuck, den sie gegenüber Ihren Erben geltend machen kann.
Was kann Gegenstand eines Vermächtnisses sein?
Als Gegenstand eines Vermächtnisses eignet sich grundsätzlich alles, was einen Vermögensvorteil darstellt[1]. Dazu gehören:
Wie funktioniert ein Vermächtnis in der Praxis?
Wenn Sie ein Vermächtnis anordnen möchten, müssen Sie dies in einem Testament oder Erbvertrag festhalten. Anders als die Erbeinsetzung, die auch durch die gesetzliche Erbfolge eintreten kann, ist ein Vermächtnis nur durch eine ausdrückliche Verfügung von Todes wegen möglich[3].
Anspruch und Erfüllung
Der Vermächtnisnehmer erhält mit dem Erbfall einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Erfüllung des Vermächtnisses[2]. Im deutschen Recht handelt es sich dabei um ein sogenanntes “Damnationslegat” - der Vermächtnisnehmer erwirbt den Gegenstand nicht automatisch, sondern muss ihn erst von den Erben fordern[2].
Der Anspruch auf ein Vermächtnis besteht für drei Jahre ab Kenntnisnahme und ist auch gerichtlich durchsetzbar[8]. Verstreicht diese Frist, ohne dass der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch geltend gemacht hat, erlischt das Recht - es ist dann verjährt[8].
Wer muss das Vermächtnis erfüllen?
In der Regel ist der Erbe mit dem Vermächtnis beschwert[1][7]. Dies bedeutet, dass der Erbe verpflichtet ist, den vermachten Gegenstand an den Vermächtnisnehmer zu übereignen[3]. Es ist jedoch auch möglich, dass ein Vermächtnisnehmer selbst mit einem weiteren Vermächtnis beschwert wird - man spricht dann von einem “Untervermächtnis”[2].
Besondere Arten von Vermächtnissen
Es gibt verschiedene spezielle Formen des Vermächtnisses:
- Ersatzvermächtnis: Tritt ein, wenn der ursprüngliche Vermächtnisnehmer das Vermächtnis nicht annehmen kann oder will[7]
- Nachvermächtnis: Ähnlich dem Nacherben, erhält der Nachvermächtnisnehmer den Gegenstand erst nach dem ersten Vermächtnisnehmer[7]
- Verschaffungsvermächtnis: Verpflichtet den Erben, dem Vermächtnisnehmer einen Gegenstand zu verschaffen, der nicht zum Nachlass gehört[7]
- Wahlvermächtnis: Erlaubt es dem Vermächtnisnehmer oder dem Beschwerten, zwischen verschiedenen Gegenständen zu wählen[7]
- Gattungsvermächtnis: Betrifft Gegenstände einer bestimmten Gattung (z.B. “ein Auto”)[7]
- Zweckvermächtnis: Ist mit einem bestimmten Zweck verbunden[7]
- Vorausvermächtnis: Ein Vermächtnis an einen Miterben, zusätzlich zu dessen Erbteil[7]
Vorteile eines Vermächtnisses in der Nachlassplanung
Ein Vermächtnis bietet mehrere Vorteile für Ihre Nachlassplanung:
Gezielte Zuwendungen: Sie können bestimmte Gegenstände an Personen geben, die Ihnen wichtig sind, ohne sie zu Erben zu machen[5].
Vermeidung von Erbstreitigkeiten: Durch klare Festlegungen können mögliche Konflikte innerhalb der Erbgemeinschaft vermieden werden[5].
Steuerliche Gestaltung: In manchen Fällen kann ein Vermächtnis helfen, die Erbschaftsteuer zu optimieren[5].
Flexibilität: Sie können viel genauer bestimmen, wer was erhalten soll, als bei einer einfachen Erbeinsetzung[5].
Annahme oder Ausschlagung eines Vermächtnisses
Anders als bei einer Erbschaft, bei der die Ausschlagung aktiv innerhalb einer Sechswochenfrist erklärt werden muss, muss ein Vermächtnis nicht angenommen werden[8]. Der Vermächtnisnehmer kann die Annahme ablehnen, insbesondere wenn mehrere Empfänger:innen bei unteilbaren Gegenständen betroffen sind[8].
Häufige Missverständnisse
Ein häufiges Missverständnis liegt in der umgangssprachlichen Verwendung der Begriffe “vererben” und “vermachen”[3]. Viele Menschen setzen diese Worte gleich, obwohl sie rechtlich unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn Sie in Ihrem Testament schreiben “Ich vermache mein gesamtes Vermögen an…”, meinen Sie vermutlich eine Erbeinsetzung und nicht ein Vermächtnis.
Das Gesetz hilft in solchen Fällen durch Auslegungsregeln: Hat der Erblasser sein Vermögen oder einen Bruchteil seines Vermögens zugewendet, ist die Verfügung als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist[7]. Sind jedoch nur einzelne Gegenstände zugewendet, ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte Erbe sein soll, selbst wenn er als Erbe bezeichnet wurde[7].
Ein praktisches Beispiel
Familie Müller möchte ihre Nachlassplanung regeln. Die Eltern haben zwei Kinder und möchten, dass diese den Großteil ihres Vermögens erben. Frau Müller besitzt jedoch eine wertvolle Gemäldesammlung, die sie ihrer Nichte überlassen möchte, da diese Kunstgeschichte studiert hat.
Anstatt die Nichte als Miterbin einzusetzen, was zu einer komplizierten Erbengemeinschaft führen würde, ordnet Frau Müller in ihrem Testament ein Vermächtnis an: “Ich vermache meine gesamte Gemäldesammlung meiner Nichte Emma.” Nach dem Tod von Frau Müller erben ihre beiden Kinder das Vermögen, sind aber verpflichtet, die Gemälde an die Nichte zu übergeben.
Fazit
Ein Vermächtnis ist ein wertvolles Instrument im deutschen Erbrecht, um einzelne Vermögenswerte gezielt an bestimmte Personen zu übertragen, ohne diese zu Erben zu machen. Der Vermächtnisnehmer erhält lediglich einen Anspruch auf den vermachten Gegenstand gegenüber den Erben.
Wenn Sie Ihre Nachlassplanung gestalten, sollten Sie die Unterschiede zwischen Erbe und Vermächtnis kennen und für Ihre persönliche Situation die passende Lösung wählen. Eine präzise Formulierung in Ihrem Testament kann späteren Streit und Auslegungsprobleme vermeiden.
Bei komplexeren Nachlassplanungen kann es sinnvoll sein, fachkundige Beratung durch Notar:innen oder Fachanwält:innen für Erbrecht in Anspruch zu nehmen, um Ihre Wünsche rechtssicher umzusetzen.