Was ist ein Stückvermächtnis?

Zusammenfassung

Ein Stückvermächtnis gewährt einer benannten Person einen schuldrechtlichen Anspruch auf einen genau bezeichneten Nachlassgegenstand, ohne sie zur Erbin zu machen. Es muss zum Todeszeitpunkt noch vorhanden sein und gilt nur bei ausdrücklicher Ersatzregelung weiter, wenn der Gegenstand fehlt.

Ein Stück­ver­mächt­nis gehört zu den häufig­sten Ge­stal­tungs­mit­teln im deutschen Erb­recht. Wenn Sie einen ganz be­stimm­ten Gegen­stand aus Ihrem Nach­lass einer be­stimm­ten Person zu­wen­den möchten, ohne diese zur Er­bin oder zum Erben zu machen, ist das Stück­ver­mächt­nis das rich­ti­ge In­stru­ment. Im Gegen­satz zu anderen Ver­mächt­nis­ar­ten be­zieht es sich auf einen kon­kre­ten, ein­deu­tig be­zeich­ne­ten Gegen­stand. Diese Form der Ver­er­bung bringt jedoch auch recht­li­che Be­son­der­hei­ten mit sich, die Sie ken­nen soll­ten.

Was genau ist ein Stück­ver­mächt­nis?

Ein Stück­ver­mächt­nis liegt vor, wenn Sie in Ihrem Tes­ta­ment oder Erb­ver­trag be­stim­men, dass eine be­stimm­te Person einen ganz kon­kre­ten Gegen­stand aus Ihrem Nach­lass er­hal­ten soll[1]. Es han­delt sich dabei um einen be­stimm­ten Gegen­stand aus dem Nach­lass, bei­spiels­wei­se eine gol­de­ne Uhr, ein Auto oder ein Ge­mäl­de[1].

Das Be­son­de­re am Stück­ver­mächt­nis: Die be­dach­te Person wird nicht Er­bin oder Erbe, son­dern er­hält le­dig­lich einen schuld­recht­li­chen An­spruch gegen die Er­b:in­nen auf Her­aus­ga­be des spe­zi­fi­schen Gegen­stan­des[12]. Die Per­son, die das Ver­mächt­nis er­fül­len muss, über­eig­net den be­stimm­ten Ver­mächt­nis­ge­gen­stand un­ent­gelt­lich[2].

Prak­ti­sche Bei­spie­le aus dem All­tag

Ty­pi­sche Stück­ver­mächt­nis­se sind:

  • Brief­mar­ken­samm­lung an den Nach­barn[5]
  • Gold­ket­te einer be­stimm­ten Mar­ke an eine Freun­din[15]
  • Kon­kre­tes Fahr­zeug mit Fahr­ge­stell­num­mer an ein Fa­mi­li­en­mit­glied[20]
  • An­ti­kes Mö­bel­stück an Pa­ten­kin­der[20]
  • Spe­zi­el­les Kunst­werk an Kunst­lieb­ha­ben­de[2]

Wie un­ter­schei­det sich das Stück­ver­mächt­nis von an­de­ren Ver­mächt­nis­ar­ten?

Das deutsche Erb­recht kennt ver­schie­de­ne Ver­mächt­nis­ar­ten, die Sie je nach Ihren Wün­schen ein­set­zen kön­nen[5][10]:

Stück­ver­mächt­nis vs. Gat­tungs­ver­mächt­nis

Beim Gat­tungs­ver­mächt­nis be­stim­men Sie den ver­mach­ten Gegen­stand nur der Gat­tung nach[10]. Bei­spiel: “Mei­ner Toch­ter ver­ma­che ich einen Sport­wa­gen”[5]. Hier kön­nen die Er­b:in­nen ent­schei­den, wel­cher Sport­wa­gen über­ge­ben wird.

Beim Stück­ver­mächt­nis hin­ge­gen be­zeich­nen Sie den Gegen­stand kon­kret: “Mei­ner Toch­ter ver­ma­che ich mei­nen roten Por­sche 911 mit dem Kenn­zei­chen XY-AB 123.”

Stück­ver­mächt­nis vs. Ver­schaf­fungs­ver­mächt­nis

Ein Ver­schaf­fungs­ver­mächt­nis liegt vor, wenn Sie einen Gegen­stand ver­ma­chen, der nicht zu Ihrem Nach­lass ge­hört[7]. Die Er­b:in­nen müs­sen die­sen Gegen­stand erst be­schaf­fen. Bei­spiel: “Mein Pa­ten­kind er­hält eine Rei­se ins Phan­ta­sia­land mit Über­nach­tung”[5].

Wahl­ver­mächt­nis

Beim Wahl­ver­mächt­nis darf sich die be­dach­te Per­son aus meh­re­ren im Nach­lass be­find­li­chen Gegen­stän­den einen aus­su­chen[10]. Bei­spiel: “Mein Sohn darf sich eine von mei­nen fünf Rolex-Arm­band­uh­ren aus­su­chen”[5].

Recht­li­che Grund­la­gen nach § 2169 BGB

Das Stück­ver­mächt­nis ist in § 2169 BGB ge­re­gelt[4]. Die­ser Para­graf ent­hält eine wich­ti­ge Grund­re­gel: Das Ver­mächt­nis eines be­stimm­ten Gegen­stan­des ist un­wirk­sam, so­weit der Gegen­stand zur Zeit des Erb­falls nicht zur Erb­schaft ge­hört[4].

Was be­deu­tet das für Sie?

Die Wirk­sam­keit Ihres Stück­ver­mächt­nis­ses hängt davon ab, ob sich der ver­mach­te Gegen­stand zum Zeit­punkt Ihres To­des noch in Ihrem Be­sitz be­fin­det[19]. Maß­geb­lich ist immer der To­des­zeit­punkt, nicht der Zeit­punkt der Tes­ta­ments­er­rich­tung[10].

Aus­nah­men von der Grund­re­gel

Auch wenn der Gegen­stand nicht mehr vor­han­den ist, kann das Ver­mächt­nis trotz­dem wirk­sam blei­ben:

Bei Be­sitz ohne Ei­gen­tum: Haben Sie nur den Be­sitz der ver­mach­ten Sa­che, gilt im Zwei­fel der Be­sitz als ver­mächt[4].

Bei An­sprü­chen auf den Gegen­stand: Steht Ihnen ein An­spruch auf Leis­tung des ver­mach­ten Gegen­stan­des zu, gilt im Zwei­fel der An­spruch als ver­macht[4].

Bei Er­satz­an­sprü­chen: Ist der Gegen­stand un­ter­ge­gan­gen und haben Sie einen Er­satz­an­spruch er­wor­ben, geht die­ser auf die Ver­mächt­nis­neh­men­den über[19].

Was pas­siert, wenn der Gegen­stand nicht mehr vor­han­den ist?

Diese Si­tua­ti­on tritt häu­fi­ger auf, als Sie den­ken mögen. Stel­len Sie sich vor: Sie ver­ma­chen Ihre gol­de­ne Arm­band­uhr an Ihre En­ke­lin, ver­kau­fen die­se aber spä­ter we­gen fi­nan­zi­el­ler Schwie­rig­kei­ten.

Re­gel-Aus­nah­me-Ver­hält­nis

In der Re­gel ist das Ver­mächt­nis un­wirk­sam, es sei denn, es liegt ein Ver­schaf­fungs­ver­mächt­nis vor[6]. Das be­deu­tet: Ihre En­ke­lin hat kei­nen An­spruch dar­auf, dass die Er­b:in­nen eine er­satz­wei­se gol­de­ne Uhr kau­fen.

Aus­le­gung des Tes­ta­ments ent­schei­det

Ob ein Ver­schaf­fungs­ver­mächt­nis vor­liegt, er­mit­teln die Ge­rich­te durch Aus­le­gung Ihres Tes­ta­ments[19]. Wirk­sam ist ein Ver­schaf­fungs­ver­mächt­nis nur dann, wenn Ihnen be­wusst war, dass Ihnen der Gegen­stand nicht ge­hört und Sie die Zu­wen­dung trotz­dem woll­ten[7].

Prak­ti­scher Tipp für die Tes­ta­ments­ge­stal­tung

Wenn Sie si­cher­stel­len möch­ten, dass die be­dach­te Per­son auch dann etwas er­hält, wenn der spe­zi­fi­sche Gegen­stand nicht mehr vor­han­den ist, for­mu­lie­ren Sie dies aus­drück­lich: “Mei­ne En­ke­lin er­hält mei­ne gol­de­ne Arm­band­uhr oder, falls die­se nicht mehr vor­han­den ist, eine gleich­wer­ti­ge Er­satz­uhr.”

Be­son­der­hei­ten bei Im­mo­bi­li­en­ver­mächt­nis­sen

Wenn Sie eine Im­mo­bi­lie oder ein Grund­stück ver­ma­chen möch­ten, gel­ten be­son­de­re Re­geln. Der Ver­mächt­nis­neh­men­de hat zu­nächst nur einen schuld­recht­li­chen An­spruch auf die Im­mo­bi­lie[3]. Um recht­mä­ßi­ge:r Ei­gen­tü­mer:in zu wer­den, be­nö­tigt es einen no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten Ver­mächt­nis­er­fül­lungs­ver­trag zwi­schen Er­b:in­nen und Ver­mächt­nis­neh­men­den[3].

Grund­buch­ein­tra­gung er­for­der­lich

Nach dem Ver­mächt­nis­er­fül­lungs­ver­trag muss eine Ei­gen­tums­än­de­rung im Grund­buch vor­ge­nom­men wer­den[3]. Das Grund­buch wird von den Amts­ge­rich­ten ge­führt und gibt Aus­kunft dar­über, wem wel­ches Grund­stück ge­hört[3].

Tes­ta­ments­voll­stre­ckung bei Im­mo­bi­li­en

Sie kön­nen auch einen Tes­ta­ments­voll­stre­cker für die Er­fül­lung des Ver­mächt­nis­ses ein­set­zen[3]. In­ter­es­sant: Sie kön­nen sogar die Ver­mächt­nis­neh­men­den selbst zur Tes­ta­ments­voll­stre­cker:in er­nen­nen[3].

Schul­den­über­nah­me bei Im­mo­bi­li­en

Grund­sätz­lich haf­ten Ver­mächt­nis­neh­men­de nicht für Schul­den des Erb­las­sen­den[8]. Bei Im­mo­bi­li­en gibt es je­doch eine ge­setz­li­che Zwei­fels­re­ge­lung: Bei Grund­stü­cken haf­ten Ver­mächt­nis­neh­men­de für die auf der Im­mo­bi­lie las­ten­den Be­las­tun­gen, wenn Sie nichts an­de­res be­stim­men[8].

For­mu­lie­rungs­tipps für Ihr Tes­ta­ment

Kon­kre­te Be­zeich­nung ist ent­schei­dend

Je prä­zi­ser Sie den Gegen­stand be­zeich­nen, desto we­ni­ger Aus­le­gungs­schwie­rig­kei­ten ent­ste­hen[8]. Bei Im­mo­bi­li­en soll­ten Sie das Grund­buch zur ge­nau­en Be­nen­nung her­an­zie­hen[8].

Bei­spie­le für klare For­mu­lie­run­gen:

Un­klar: “Mein Auto”
Bes­ser: “Mein schwar­zer BMW X5 mit dem Kenn­zei­chen M-AB 1234”

Un­klar: “Mein Schmuck”
Bes­ser: “Mei­ne gold­ene Hal­s­ket­te mit Dia­mant­an­hän­ger der Mar­ke Tif­fa­ny, Mo­dell XY”

Mus­ter­for­mu­lie­run­gen aus der Pra­xis

“Mei­nem Freund Max Mus­ter­mann, ge­bo­ren am 15.03.1980 in Ber­lin, wohn­haft in 10115 Ber­lin, Mus­ter­stra­ße 1, ver­ma­che ich mei­ne Brief­mar­ken­samm­lung”[15].

Un­ter­schei­dung zwi­schen Ver­mächt­nis und Erb­ein­set­zung

Bei un­kla­ren For­mu­lie­run­gen hilft eine ge­setz­li­che Ver­mu­tungs­re­gel: Wur­den nur ein­zel­ne Gegen­stän­de zu­ge­wen­det, ist im Zwei­fel von einem Ver­mächt­nis aus­zu­ge­hen[8][11]. Wur­den hin­ge­gen Ver­mö­gen oder Bruch­tei­le des Ver­mö­gens zu­ge­wie­sen, liegt in der Re­gel eine Erb­ein­set­zung vor[8].

Prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen

Der Un­ter­schied ist wich­tig: Er­b:in­nen er­ben au­to­ma­tisch mit dem Tod, Ver­mächt­nis­neh­men­de müs­sen ihren An­spruch ge­gen­über den Er­b:in­nen gel­tend ma­chen[12].

Durch­set­zung Ihres Ver­mächt­nis­an­spruchs

Falls Sie selbst Ver­mächt­nis­neh­men­de:r sind: Sie müs­sen die Er­b:in­nen an­schrei­ben und ge­ge­be­nen­falls unter Frist­set­zung die Er­fül­lung des Ver­mächt­nis­ses ver­lan­gen[6]. Wei­gern sich die Er­b:in­nen, kann der Rechts­weg be­schrit­ten wer­den[6].

Kos­ten­ri­si­ko be­ach­ten

Be­den­ken Sie: Allein für den ei­ge­nen Rechts­an­walt und die Ge­richts­kos­ten kön­nen schnell meh­re­re tau­send Euro an­fal­len[6]. Die Kos­ten der Ge­gen­sei­te müs­sen Sie im Fall des Ob­sie­gens er­stat­ten[6].

Ihr Weg zum wirk­sa­men Stück­ver­mächt­nis

Das Stück­ver­mächt­nis bie­tet Ihnen eine fle­xi­ble Mög­lich­keit, ganz be­stimm­te Gegen­stän­de ge­zielt an be­stimm­te Per­so­nen wei­ter­zu­ge­ben. Wich­tig ist die prä­zi­se Be­zeich­nung des Gegen­stan­des und die Be­ach­tung der recht­li­chen Be­son­der­hei­ten. Wenn Sie Un­si­cher­hei­ten haben oder kom­ple­xe­re Ver­mö­gens­wer­te ver­ma­chen möch­ten, kann eine fach­li­che Be­ra­tung sinn­voll sein.

Be­den­ken Sie: Ein klar for­mu­lier­tes Stück­ver­mächt­nis ver­hin­dert Strei­tig­kei­ten zwi­schen Ihren Er­b:in­nen und den be­dach­ten Per­so­nen. Neh­men Sie sich die Zeit für eine durch­dach­te Tes­ta­ments­ge­stal­tung - Ihre An­ge­hö­ri­gen wer­den es Ihnen dan­ken.