Was ist eine Sepsis?
Eine Sepsis ist eine lebensbedrohliche Überreaktion des Immunsystems auf eine Infektion, die schnell zu Organversagen führen kann. Typische Warnzeichen sind Fieber, Atemnot, Verwirrung und ein extrem schlechtes Allgemeingefühl - bei Verdacht sollte sofort der Notruf 112 gewählt werden. Vorbeugung durch Impfungen, Hygiene und frühzeitige Behandlung von Infektionen ist besonders für Risikogruppen entscheidend.
Eine Sepsis ist keine einfache Infektion, sondern ein medizinischer Notfall, bei dem die eigene Immunantwort den Körper schädigt. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 280.000 Menschen daran - jeder vierte Betroffene stirbt[2][7]. Diese Zahlen verdeutlichen, warum schnelles Erkennen und Handeln lebensrettend sein können.
Was genau passiert bei einer Sepsis?
Der Auslöser: Eine Infektion gerät außer Kontrolle
Jede Sepsis beginnt mit einer lokal begrenzten Infektion - sei es eine Blasenentzündung, Lungenentzündung oder eine kleine Wunde[2][7]. Gelangen Erreger wie Bakterien, Viren oder Pilze in den Blutkreislauf, startet das Immunsystem eine übermäßige Abwehrreaktion. Dabei werden Botenstoffe freigesetzt, die eigentlich helfen sollen, die Infektion zu bekämpfen.
Das Problem: Bei einer Sepsis gerät diese Reaktion außer Kontrolle. Die Botenstoffe schädigen statt der Erreger plötzlich die eigenen Gefäße und Organe[1][3]. Es kommt zu einer Kaskade von Entzündungsreaktionen, die binnen Stunden zum Versagen mehrerer Organe führen kann[1][6].
Der Irrtum mit der „Blutvergiftung“
Der umgangssprachliche Begriff „Blutvergiftung“ ist irreführend. Es handelt sich nicht um eine Vergiftung durch Erregergifte, sondern um eine fehlgesteuerte Abwehrreaktion des eigenen Körpers[2][6]. Ein roter Streifen auf der Haut - oft fälschlich als Warnzeichen interpretiert - zeigt lediglich eine entzündete Lymphbahn an und bedeutet nicht automatisch eine Sepsis[3][7].
Woran Sie eine Sepsis erkennen
Die sieben Alarmzeichen
Die Symptome entwickeln sich oft rasch und ähneln zunächst einer Grippe. Entscheidend sind Kombinationen dieser Anzeichen:
- Fieber über 38°C oder Körpertemperatur unter 36°C mit Schüttelfrost[3][7]
- Atemnot (mehr als 22 Atemzüge pro Minute)[3][8]
- Verwirrtheit oder Wesensveränderung (plötzliche Orientierungslosigkeit)[7][8]
- Extremes Krankheitsgefühl („Ich sterbe“-Empfinden)[8]
- Blässe oder bläulich-fleckige Haut[8]
- Systolischer Blutdruck unter 100 mmHg[3][7]
- Herzfrequenz über 120 Schläge/Minute[8]
Wichtig: Bereits bei zwei dieser Symptome plus Verdacht auf Infektion sollten Sie den Notruf 112 wählen[8].
Wie Ärzt:innen eine Sepsis diagnostizieren
Der Dreiklang der Sofortmaßnahmen
- Blutkulturen vor Antibiotika-Gabe[4][6]
- Bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder CT zur Infektionssuche[8]
- SOFA-Score zur Einschätzung des Organversagens[1][6]
Moderne Diagnostik setzt auf den qSOFA-Test:
- Verwirrtheit
- Atemfrequenz ≥22/min
- Systolischer RR ≤100 mmHg
Die Behandlung: Ein Wettlauf gegen die Zeit
Die „Golden Hour“ der Intensivmedizin
Innerhalb der ersten Stunde nach Diagnose müssen laut Leitlinien[4][5]:
- Breitbandantibiotika verabreicht werden
- Flüssigkeitsinfusionen den Kreislauf stabilisieren
- Die Infektionsquelle chirurgisch saniert werden (z.B. Abszess-Eröffnung)[5]
Therapiebausteine im Überblick
Maßnahme | Ziel |
---|---|
Antibiotika | Abtöten der Erreger |
Vasopressoren | Stabilisierung des Blutdrucks |
Beatmung | Sicherung der Sauerstoffversorgung |
Dialyse | Entgiftung bei Nierenversagen |
Immunmodulatoren | Dämpfung der Überreaktion |
Wer besonders gefährdet ist
Risikogruppen im Fokus
- Ältere Menschen über 65 Jahre
- Menschen mit chronischen Erkrankungen (Diabetes, COPD)
- Immunsupprimierte (z.B. nach Chemotherapie)
- Patient:innen mit Kathetern oder künstlichen Gelenken
- Frühgeborene und Neugeborene
Praxistipp: Bei diesen Personengruppen sollte schon bei leichten Infekten der Hausarzt oder die Hausärztin informiert werden.
Rechtliche Aspekte in der Behandlung
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
In § 1827 BGB ist geregelt, wie Behandlungswünsche bei Bewusstlosigkeit umgesetzt werden müssen. Eine konkrete Patientenverfügung sollte Angaben enthalten zu:
- Antibiotika-Gabe bei Sepsis
- Maschinelle Beatmung
- Nierenersatzverfahren
Wichtig: Besprechen Sie solche Entscheidungen frühzeitig mit Angehörigen und Ihrer Hausarztpraxis.
Wie Sie vorbeugen können
Fünf Schutzstrategien
- Impfen lassen gegen Pneumokokken, Influenza und COVID-19
- Hygiene bei chronischen Wunden (Handdesinfektion, sterile Verbände)
- Frühzeitige Antibiotika-Einnahme bei bekannter Milzfunktionsstörung
- Diabetes gut einstellen (HbA1c unter 7%)
- Symptom-Tagebuch bei wiederkehrenden Infekten führen
Nach der Sepsis: Das Leben danach
Langzeitfolgen und Rehabilitation
60% der Überlebenden leiden unter:
- Fatigue-Syndrom (extreme Erschöpfung)
- Konzentrationsstörungen
- Emotionaler Labilität
Reha-Maßnahmen umfassen:
- Neuropsychologisches Training
- Physiotherapie bei Muskelatrophie
- Sozialberatung zur Wiedereingliederung
Ihre Rolle als Angehörige:r
Wie Sie unterstützen können
- Klinik-Tagebuch führen (Behandlungsschritte, Medikamente)
- Entscheidungsraster erstellen (Was wäre im Notfall wichtig?)
- Psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen
Erinnerung: Vergessen Sie nicht Ihre eigene Gesundheit - Angehörigenberatung steht allen offen.