Was bedeutet Rechtswahl?

veröffentlicht am
aktualisiert am
Zusammenfassung

Die Rechtswahl ermöglicht es Ihnen, selbst zu bestimmen, welches nationale Recht auf Ihre grenz­überschreitenden Rechts­beziehungen angewendet werden soll, etwa im Vertrags-, Arbeits-, Erb- oder Familienrecht. Sie bietet Klarheit, Flexibilität und Rechts­sicherheit, unterliegt jedoch bestimmten Grenzen wie Verbraucher­schutz und zwingenden Vorschriften. Eine klare und fachlich fundierte Rechtswahl kann Ihnen helfen, rechtliche Konflikte zu vermeiden und Ihre Interessen besser zu schützen.

Die Rechtswahl ist eine wichtige Möglichkeit, die es Ihnen erlaubt, selbst zu entscheiden, welches Recht auf Ihre rechtlichen Beziehungen angewendet werden soll. Dies kann besonders in grenz­überschreitenden Situationen von großer Bedeutung sein. Mit diesem Artikel möchten wir Ihnen erläutern, was eine Rechtswahl genau ist und wann sie für Sie persönlich relevant werden könnte.

Was bedeutet Rechtswahl genau?

Eine Rechtswahl ist die Möglichkeit für die Beteiligten eines Rechts­verhältnisses, selbst zu bestimmen, welches nationale Recht auf ihre Rechts­beziehung angewendet werden soll[1]. Stellen Sie sich vor, Sie schließen als Person mit Wohnsitz in Deutschland einen Vertrag mit einem Unter­nehmen aus Österreich - hier könnten Sie vereinbaren, ob deutsches oder öster­reichisches Recht gelten soll.

Die Rechtswahl ist Ausdruck der sogenannten Partei­autonomie - Sie können in bestimmten Grenzen selbst entscheiden, welchen Regeln Sie sich unter­werfen möchten[1]. Sie ermöglicht es, Klarheit über das anzuwendende Recht zu schaffen und hilft dabei, die Kosten für die Ermittlung des anwend­baren Rechts zu senken[1].

In welchen Lebens­bereichen spielt die Rechtswahl eine Rolle?

Die Möglichkeit der Rechtswahl findet sich in verschiedenen Rechts­gebieten:

Vertragsrecht

Beim Abschluss von Verträgen mit Auslands­bezug können Sie meist frei vereinbaren, welches Recht gelten soll[7]. Dies ist besonders bei grenz­überschreitenden Kauf­verträgen oder Dienst­leistungen relevant.

Arbeitsrecht

Bei Arbeits­verhältnissen mit internationalem Bezug können Arbeit­geber:innen und Arbeit­nehmende grundsätzlich eine Rechtswahl treffen[3]. Besonders wichtig: Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass zwingende Schutz­vorschriften des Arbeits­rechts umgangen werden[3].

Erbrecht

Im Erbrecht können Sie als Erb­lasser:in durch eine Rechtswahl bestimmen, dass das Recht des Staates anwendbar sein soll, dessen Staats­angehörigkeit Sie besitzen[8]. Dies kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn Sie in einem anderen Land leben als dem Ihrer Staats­angehörigkeit.

Familien­recht

Im Bereich des Ehe­güterrechts können Ehe­partner:innen ebenfalls eine Rechtswahl treffen, die aber bestimmten Form­vorschriften unterliegt[2].

Welche Vorteile bietet Ihnen eine Rechtswahl?

Eine durchdachte Rechtswahl kann Ihnen mehrere Vorteile bieten:

  • Rechts­sicherheit: Sie wissen von Anfang an, welches Recht anwendbar ist[1]
  • Vereinfachung: Sie sparen Zeit und Kosten für die Ermittlung des anwend­baren Rechts[1]
  • Flexibilität: Sie können das Recht wählen, das am besten zu Ihrer Situation passt[1]
  • Planungs­sicherheit: Sie können Ihre rechtlichen Angelegen­heiten besser planen[1]

Welche Grenzen hat die Rechtswahl?

Trotz aller Freiheit bei der Rechtswahl gibt es Grenzen, die Sie beachten sollten:

Verbraucher­schutz

Als Verbraucher:in sind Sie besonders geschützt. Eine Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass Sie schlechter gestellt werden als nach dem Recht Ihres gewöhnlichen Aufent­halts[7]. Dies wird durch einen sogenannten “Günstigkeits­vergleich” sicher­gestellt.

Zwingende Schutz­vorschriften

Bestimmte zwingende Vorschriften können durch eine Rechtswahl nicht umgangen werden[7][3]. Dies betrifft besonders Schutz­normen im Arbeits­recht, Verbraucher­recht und anderen Bereichen.

Inlands­sachverhalte

Bei reinen Inlands­sachverhalten (also ohne Auslands­bezug) können zwingende inländische Rechts­vorschriften nicht durch eine Rechtswahl ausgeschlossen werden[7].

Wie wird eine Rechtswahl wirksam vereinbart?

Eine Rechtswahl kann auf verschiedene Weise erfolgen:

Ausdrückliche Rechtswahl

Die häufigste Form ist eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien, meist durch eine entsprechende Klausel in einem Vertrag[1][7]. Ein Beispiel wäre: “Dieser Vertrag unterliegt dem deutschen Recht.”

Stillschweigende Rechtswahl

In manchen Fällen kann eine Rechtswahl auch stillschweigend erfolgen, wenn sie sich eindeutig aus den Umständen ergibt[7]. Dies kann der Fall sein, wenn:

  • Sie sich auf Vorschriften einer bestimmten Rechts­ordnung beziehen[7]
  • Sie sich auf einen bestimmten Gerichts­stand geeinigt haben[7]

Form­vorschriften

Je nach Rechts­gebiet gibt es unterschiedliche Form­vorschriften:

  • Im Erbrecht muss eine Rechtswahl in Form einer letzt­willigen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) erfolgen[8]
  • Im Ehe­güterrecht muss die Rechts­wahl­vereinbarung schriftlich abgefasst, datiert und von beiden Ehe­partner:innen unterzeichnet sein[2]
  • Bei gewöhnlichem Aufent­halt in Deutschland kann eine notarielle Beurkundung erforderlich sein[2]

Vorsicht bei Rechts­wahl­klauseln in AGB

Besondere Vorsicht ist geboten bei Rechts­wahl­klauseln in Allgemeinen Geschäfts­bedingungen (AGB). Der Bundes­gerichtshof hat entschieden, dass eine in AGB enthaltene Rechts­wahl­klausel unwirksam sein kann, wenn sie nicht transparent ist und deutsche Verbraucher:innen unangemessen benachteiligt[6].

Eine typische AGB-Klausel wie “Es gilt ausschließlich das Recht des Landes X” kann irreführend sein, da sie suggeriert, dass alle zwingenden Schutz­vorschriften des deutschen Rechts ausgeschlossen sind - was rechtlich nicht möglich ist[6].

Praktische Tipps zur Rechtswahl

Wenn Sie eine Rechtswahl treffen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Überlegen Sie genau: Ist eine Rechtswahl in Ihrer Situation sinnvoll? Welches Recht passt am besten zu Ihren Bedürfnissen?[2]
  • Holen Sie fachlichen Rat ein: Bei komplexen Fällen sollten Sie sich von einer Fach­person für internationales Privatrecht beraten lassen
  • Dokumentieren Sie die Rechtswahl: Sorgen Sie für eine klare und eindeutige Formulierung der Rechtswahl
  • Beachten Sie Form­vorschriften: Je nach Rechts­gebiet kann eine bestimmte Form erforderlich sein[2][8]
  • Prüfen Sie Grenzen: Informieren Sie sich über die Grenzen der Rechtswahl in Ihrem konkreten Fall[3][7]

Rechtswahl im Erbrecht: Ein praktisches Beispiel

Frau Müller ist deutsche Staats­angehörige und lebt seit vielen Jahren in Spanien. Ohne eine Rechtswahl würde nach der EU-Erbrechts­verordnung auf ihren Nachlass spanisches Erbrecht angewendet werden (da sie ihren letzten gewöhnlichen Aufent­halt in Spanien hatte)[8].

Da Frau Müller aber möchte, dass für ihren Nachlass deutsches Erbrecht gilt, kann sie in ihrem Testament eine entsprechende Rechtswahl treffen[8]. Dazu muss sie in ihrem Testament ausdrücklich festlegen, dass auf ihren gesamten Nachlass deutsches Recht angewendet werden soll[8].

Rechtswahl im Arbeits­verhältnis

Herr Schmidt erhält ein Angebot für eine Stelle bei einem deutschen Unter­nehmen, soll aber in dessen niederländischer Nieder­lassung arbeiten. Im Arbeits­vertrag könnte eine Rechts­wahl­klausel stehen, die deutsches Recht für anwendbar erklärt[3].

Wichtig zu wissen: Trotz dieser Rechtswahl können zwingende arbeits­rechtliche Schutz­vorschriften des niederländischen Rechts nicht umgangen werden, wenn sie für Herrn Schmidt günstiger sind[3]. Dies bedeutet, dass ein sogenannter “Günstigkeits­vergleich” durchgeführt werden muss[3].

Fazit zur Rechtswahl

Die Rechtswahl ist ein nützliches Instrument, das Ihnen ermöglicht, in grenz­überschreitenden Situationen Klarheit und Rechts­sicherheit zu schaffen. Sie können damit selbst bestimmen, welches Recht auf Ihre Rechts­beziehungen angewendet werden soll - sei es im Vertrags­recht, Arbeits­recht, Erb­recht oder Familien­recht.

Nutzen Sie diese Möglichkeit bewusst und informiert. Bei komplexeren Fällen sollten Sie sich fachlichen Rat holen, um die für Sie günstigste Lösung zu finden und keine formalen Fehler zu machen. Eine gut durchdachte Rechtswahl kann Ihnen viel Ärger, Zeit und Kosten ersparen.