Was ist eine Plastination?

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Zusammenfassung

Die Plastination ist ein Verfahren zur dauerhaften Konservierung menschlicher Körper oder Körperteile, bei dem Körperflüssigkeiten durch Kunststoffe ersetzt werden. Die Methode wurde 1977 von Dr. Gunther von Hagens entwickelt und ermöglicht die Herstellung geruchsfreier, haltbarer Präparate für medizinische Ausbildung, Forschung und öffentliche Ausstellungen. Sie wirft ethische Fragen auf, bietet jedoch einzigartige Möglichkeiten zur anatomischen Bildung und gesundheitlichen Aufklärung.

Die Plastination ist ein Verfahren zur dauerhaften Konservierung menschlicher Körper oder Körperteile, bei dem Körperflüssigkeiten durch Kunststoffe ersetzt werden. Das Ergebnis - sogenannte Plastinate - sind trockene, geruchsfreie und unbegrenzt haltbare anatomische Präparate, die vor allem in der medizinischen Ausbildung, für Forschungszwecke und in Ausstellungen zur Gesundheitsaufklärung eingesetzt werden. Durch dieses besondere Konservierungsverfahren bleiben die natürlichen Strukturen des Körpers erhalten und können auf anschauliche Weise präsentiert werden.

Der Erfinder und die Geschichte der Plastination

Die Methode der Plastination wurde 1977 von Dr. Gunther von Hagens am Anatomischen Institut der Universität Heidelberg erfunden und bis heute ständig weiterentwickelt[1][2]. Der deutsche Arzt und Anatom, geboren 1945, hat mit dieser Erfindung die Art und Weise revolutioniert, wie anatomische Präparate hergestellt und genutzt werden können. Vor der Entwicklung der Plastination waren anatomische Präparate nur begrenzt haltbar, mussten in Flüssigkeiten aufbewahrt werden und waren für Laien oft schwer zugänglich[3].

Gunther von Hagens machte sich mit seinen “Körperwelten”-Ausstellungen weltweit einen Namen. Diese öffentlichen Präsentationen von plastinierten menschlichen Körpern begannen 1996 und haben seitdem Millionen von Besucher:innen angezogen[3][10]. Nach seiner Parkinson-Diagnose im Jahr 2008 hat von Hagens seine beruflichen Tätigkeiten an seinen Sohn und seine zweite Ehefrau übergeben, bleibt aber als “Erfinder der Plastination” bekannt[3].

Das Verfahren der Plastination im Detail

Die Plastination ist ein komplexer Prozess, der mehrere Monate bis zu einem Jahr dauern kann[11]. Bei einem Ganzkörperplastinat werden etwa 1500 Arbeitsstunden benötigt[11]. Der Prozess lässt sich in folgende Hauptschritte unterteilen:

1. Fixierung

Zunächst wird der Verwesungsprozess gestoppt. Dazu wird eine Formalin­lösung in das Arterien­system des Körpers gepumpt. Dies tötet sämtliche Bakterien ab und verhindert durch chemische Prozesse den Zerfall des Gewebes[1][9]. Dieser erste Schritt dauert etwa 3-4 Stunden[1].

2. Anatomische Präparation

In diesem aufwändigen Schritt werden mit großer Sorgfalt Haut, Fett­gewebe und Binde­gewebe entfernt, um die einzelnen anatomischen Strukturen wie Muskeln, Sehnen, Nerven und Gefäße freizulegen[1][5]. Diese Präparation erfordert gute anatomische Kenntnisse, manuelles Geschick und viel Geduld[1]. Ein ganzer Körper kann bis zu 800 Arbeits­stunden für die Präparation benötigen[1].

3. Entwässerung und Entfettung

Da der menschliche Körper zu etwa 70% aus Wasser besteht, muss dieses entfernt werden. Der Körper wird in ein -25°C kaltes Azeton­bad gelegt, wobei das Körper­wasser durch das Lösungs­mittel ersetzt wird[9]. Je nach Größe des Präparats dauert dieser Prozess zwischen zwei Wochen und drei Monaten[9]. Anschließend werden im warmen Azeton­bad die Fette durch Azeton ersetzt - ein Vorgang, der mehrere Monate in Anspruch nimmt[9].

4. Forcierte Imprägnierung

Dies ist der entscheidende Schritt der Plastination. Das Präparat wird in eine Kunst­stoff­lösung (z.B. Silikon­kautschuk) eingelegt und in eine Vakuum­kammer gestellt[5][11]. Das Vakuum saugt das Azeton aus dem Präparat heraus und lässt den Kunst­stoff bis in die letzte Zelle ein­dringen[5][11]. Dünne Körper­scheiben benötigen dafür nur einige Tage, ganze präparierte Körper hingegen mehrere Wochen[2].

5. Positionierung

Nach der Imprägnierung wird der Körper in die gewünschte Haltung gebracht. Mit Hilfe von Drähten, Nadeln, Klammern und Schaum­stoff­blöcken werden die anatomischen Strukturen korrekt positioniert und fixiert[5][11].

6. Härtung

Im letzten Schritt wird das Präparat je nach verwendetem Kunststoff mit Gas, UV-Licht oder Wärme ausgehärtet[5][11]. Damit ist der Plastinations­prozess abgeschlossen.

Einsatzbereiche und Bedeutung der Plastinate

Die durch Plastination hergestellten Präparate haben mehrere wichtige Anwendungs­bereiche:

Medizinische Ausbildung

Plastinate sind für die Ausbildung angehender Mediziner:innen von unschätzbarem Wert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Präparaten sind sie dauerhaft haltbar, geruchsfrei und ermöglichen ein direktes “Begreifen” der anatomischen Strukturen[1][2].

Gesundheitliche Aufklärung

Durch Ausstellungen wie “Körperwelten” wird anatomisches Wissen auch für interessierte Laien zugänglich gemacht[1][2]. Diese Ausstellungen tragen zur gesundheitlichen Bildung bei und können das Bewusstsein für den eigenen Körper stärken.

Wissenschaftliche Forschung

Die Dauerhaftigkeit der Plastinate macht sie zu wertvollen Objekten für die langfristige wissenschaftliche Forschung und Dokumentation[4].

Körperspende zur Plastination

Wenn Sie sich für eine Körper­spende zur Plastination interessieren, sollten Sie einige wichtige Aspekte beachten:

Voraussetzungen für die Körperspende

Eine Körperspende zur Plastination muss freiwillig und nach umfassender Aufklärung erfolgen[4][8]. Die Spender:innen müssen über die möglichen Verwendungszwecke informiert sein und ihr Einverständnis geben[4]. Dies ist besonders wichtig, da die Plastinate möglicherweise öffentlich ausgestellt werden.

Rechtliche Grundlagen

Die Verfügung, den eigenen Körper zur Plastination zu spenden, ist rechtlich wirksam, sofern sie nicht gegen die guten Sitten verstößt[4]. Nach aktueller Rechtslage wird eine Körperspende zur Plastination nicht grundsätzlich als Verstoß gegen die guten Sitten angesehen, solange die Person umfassend aufgeklärt wurde und freiwillig entschieden hat[4].

Ethische und rechtliche Aspekte

Die öffentliche Ausstellung plastinierter Körper ist nicht unumstritten und wirft ethische Fragen auf:

Menschenwürde und Plastination

Der würdige Umgang mit dem Leichnam ist ein zentrales Anliegen. Solange die Plastinate für medizinische und bildende Zwecke eingesetzt werden und nicht als bloße Kunst­objekte dienen, wird die Menschen­würde des Körper­spenders nach vorherrschender Meinung nicht verletzt[4][8].

Ethische Richtlinien

Für Ausstellungen plastinierter Körper werden ethische Richt­linien empfohlen, die unter anderem die Begutachtung durch einen Ethik­ausschuss, die Überprüfung der Einwilligungs­erklärungen und die Einhaltung geltender Gesetze umfassen[8].

Pietät und Autonomie

Es gibt eine Diskussion über das Spannungs­verhältnis zwischen der Pietät gegenüber Verstorbenen und der Autonomie des Spenders. Die Recht­sprechung tendiert dazu, der Selbst­bestimmung des Spenders Vorrang zu geben[4].

Vor- und Nachteile der Plastination

Die Plastination bietet gegenüber anderen Konservierungs­methoden mehrere Vorteile:

  • Die Präparate sind trocken und geruchfrei
  • Sie sind praktisch unbegrenzt haltbar
  • Die anatomischen Strukturen bleiben naturgetreu erhalten
  • Die Präparate können direkt berührt werden (sind “begreifbar”)
  • Es besteht keine Gesundheits­gefährdung beim Umgang mit den Präparaten[1][9]

Als Nachteile gelten hingegen:

  • Der Prozess ist sehr zeit- und arbeits­intensiv
  • Die Herstellung ist mit hohen Kosten verbunden[9]

Schlusswort zur Plastination

Die Plastination hat die Art und Weise, wie wir den menschlichen Körper studieren und verstehen können, grundlegend verändert. Als Verfahren zur dauerhaften Konservierung von Körpern und Körper­teilen hat sie sowohl für die medizinische Ausbildung als auch für die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung große Bedeutung erlangt.

Wenn Sie sich mit dem Gedanken einer Körper­spende beschäftigen, sollten Sie sich gründlich informieren und alle Aspekte sorgfältig abwägen. Die Entscheidung bleibt höchst persönlich und sollte auf einer umfassenden Kenntnis des Verfahrens und seiner möglichen Verwendungs­zwecke beruhen.

Die Plastination steht damit in einer langen Tradition der anatomischen Forschung und Lehre, hat diese aber durch ihre besonderen Möglichkeiten auf ein neues Niveau gehoben - mit allen Chancen und ethischen Heraus­forderungen, die damit verbunden sind.