Was ist Palliativmedizin?
Palliativmedizin ist eine ganzheitliche Versorgung für Menschen mit unheilbaren Erkrankungen, die sich auf die Linderung von Beschwerden, die Verbesserung der Lebensqualität und die psychische, soziale sowie spirituelle Unterstützung konzentriert. Sie begleitet Betroffene und Angehörige in der letzten Lebensphase und respektiert den individuellen Willen. Ziel ist es, ein würdevolles Leben bis zuletzt zu ermöglichen, ohne den Tod zu beschleunigen oder hinauszuzögern.
- Definition und Grundgedanke der Palliativmedizin
- Die Entstehung der modernen Palliativmedizin
- Für wen ist Palliativmedizin geeignet?
- Wo findet Palliativversorgung statt?
- Das Palliativteam - gemeinsam für die Betroffenen
- Was leistet die Palliativmedizin?
- Ein Beispiel aus der Praxis
- Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
- Wann sollte an Palliativversorgung gedacht werden?
- Wie erhalten Sie Zugang zur Palliativversorgung?
- Fazit: Die Bedeutung der Palliativmedizin
Die Diagnose einer unheilbaren Erkrankung stellt Betroffene und Angehörige vor große Herausforderungen. Genau hier setzt die Palliativmedizin an - sie bietet Unterstützung und Begleitung für Menschen, deren Leben sich dem Ende zuneigt. Dieser Artikel erklärt, was Palliativmedizin ist und wie sie Menschen in ihrer letzten Lebensphase unterstützen kann.
Definition und Grundgedanke der Palliativmedizin
Palliativmedizin ist die ganzheitliche Betreuung von Menschen mit fortschreitenden, unheilbaren Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung.[11][12] Der Begriff stammt vom lateinischen Wort “pallium” (der Mantel) und beschreibt bildlich, wie diese Form der Medizin die Betroffenen umsorgt und “ummantelt”.[9]
Anders als die kurative (heilende) Medizin zielt die Palliativversorgung nicht auf die Heilung der Grunderkrankung ab. Stattdessen konzentriert sie sich auf:
- Die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen
- Die Verbesserung der Lebensqualität
- Die psychische, soziale und spirituelle Unterstützung
- Die Begleitung von Angehörigen[11]
Wichtig zu wissen: Die Palliativmedizin bejaht das Leben und betrachtet das Sterben als normalen Prozess. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern.[11]
Die Entstehung der modernen Palliativmedizin
Die Grundlage der heutigen Palliativversorgung entstand aus der Erkenntnis, dass schwerkranke und sterbende Menschen in einem heilungsorientierten Gesundheitssystem oft nicht angemessen versorgt werden.[9]
Die englische Krankenschwester und spätere Ärztin Cicely Saunders (1918-2005) erkannte diese Lücke und gründete 1967 das St. Christopher’s Hospice in London - ein Meilenstein in der Geschichte der Palliativmedizin.[12]
In Deutschland begann die Entwicklung später:
- In den 1980er Jahren entstanden die ersten Hospize und Palliativstationen
- Mitte der 1990er Jahre gewann die Bewegung zunehmend an Dynamik
- 2015 trat das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) in Kraft, das die Palliativversorgung zum offiziellen Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung machte[6][12]
Für wen ist Palliativmedizin geeignet?
Palliativmedizinische Versorgung kommt für Menschen mit verschiedenen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium in Frage, bei denen keine Heilungsaussicht mehr besteht. Dazu gehören:
- Krebserkrankungen
- Fortgeschrittene Herz- und Lungenerkrankungen
- Neurologische Erkrankungen wie ALS oder Multiple Sklerose
- Demenzerkrankungen in späten Stadien[5]
Die Beschwerden sind dabei so individuell wie die Menschen selbst und können körperliche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte umfassen.
Wo findet Palliativversorgung statt?
Die Palliativversorgung kann an verschiedenen Orten stattfinden - je nach Wunsch der Betroffenen und den medizinischen Erfordernissen:
Das Palliativteam - gemeinsam für die Betroffenen
Ein wesentliches Merkmal der Palliativmedizin ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen. Zum Palliativteam können gehören:
- Ärzt:innen mit palliativmedizinischer Zusatzqualifikation
- Spezialisierte Pflegefachkräfte
- Physio- und Ergotherapeut:innen
- Psycholog:innen und Seelsorger:innen
- Sozialarbeiter:innen
- Ehrenamtliche Helfer:innen[11]
Alle arbeiten eng zusammen, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.
Was leistet die Palliativmedizin?
Die Palliativversorgung bietet ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten:
Körperliche Beschwerden lindern
Die Kontrolle von Symptomen steht im Mittelpunkt der palliativmedizinischen Behandlung. Dazu gehören:
- Schmerztherapie mit verschiedenen Methoden
- Behandlung von Atemnot, Übelkeit und anderen belastenden Symptomen
- Anpassung der Medikation an die individuelle Situation
- Physiotherapeutische Behandlungen wie Krankengymnastik, Lymphdrainage oder Wärmetherapie[5]
Psychische Unterstützung
Menschen am Lebensende und ihre Angehörigen stehen vor emotionalen Herausforderungen. Die palliativmedizinische Betreuung umfasst deshalb auch:
- Gespräche über Ängste und Sorgen
- Hilfe bei der Verarbeitung der Diagnose und der begrenzten Lebenszeit
- Unterstützung bei der Bewältigung von Krisen
Soziale und praktische Hilfen
Das Palliativteam hilft auch bei alltäglichen Fragen und Problemen:
- Beratung zu Sozialleistungen und finanziellen Hilfen
- Unterstützung bei der Organisation häuslicher Pflege
- Hilfe bei der Regelung persönlicher Angelegenheiten
Spirituelle Begleitung
Die Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen ist für viele Menschen am Lebensende wichtig. Die spirituelle Begleitung:
- Respektiert die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Betroffenen
- Bietet Raum für Gespräche über Sinnfragen
- Ermöglicht Rituale, die Halt geben können
Ein Beispiel aus der Praxis
Wie Palliativmedizin in der Praxis wirken kann, zeigt folgendes Beispiel:
Eine Patientin erlitt einen schweren Hirninfarkt und konnte weder sprechen noch schlucken. Obwohl sie in ihrer Patientenverfügung festgelegt hatte, keine künstliche Ernährung zu wollen, wurde zunächst eine Ernährungssonde gelegt. Die Patientin versuchte wiederholt, sich die Sonde zu ziehen. Das medizinische Team erkannte, dass sie sich gegen diese Maßnahme wehrte.
Nach Einsetzung eines gesetzlichen Betreuers wurde der in der Patientenverfügung festgelegte Wille umgesetzt und die Patientin auf eine Palliativstation verlegt. Dort erhielt sie eine angemessene Symptomkontrolle nach palliativmedizinischen Richtlinien. Ihr Ehemann konnte, begleitet durch den Krankenhausseelsorger, in Ruhe Abschied nehmen.[2]
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Willen der Patient:innen zu respektieren und eine würdevolle Begleitung am Lebensende zu ermöglichen.
Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
Das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG), das 2015 in Kraft trat, hat die Situation für schwerkranke und sterbende Menschen in Deutschland deutlich verbessert:
- Es fördert den flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung
- Die Palliativversorgung wurde offizieller Bestandteil der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung
- Die finanzielle Ausstattung stationärer Hospize wurde verbessert
- Ambulante Hospizdienste erhalten Zuschüsse für Personal- und Sachkosten
- Die Sterbebegleitung wurde ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungsauftrages der sozialen Pflegeversicherung[3][6]
Wann sollte an Palliativversorgung gedacht werden?
Palliativmedizin ist nicht nur für die allerletzten Lebenstage gedacht. Oft kann eine frühzeitige palliativmedizinische Mitbetreuung sinnvoll sein - auch wenn noch andere Behandlungen laufen.
Folgende Anzeichen können darauf hindeuten, dass eine palliativmedizinische Beratung hilfreich wäre:
- Eine fortschreitende, unheilbare Erkrankung
- Zunehmende oder schwer kontrollierbare Symptome
- Häufige Krankenhausaufenthalte
- Abnehmende Selbstständigkeit und steigender Hilfebedarf
- Fragen zur weiteren Behandlungsplanung
Wie erhalten Sie Zugang zur Palliativversorgung?
Der Weg zur palliativmedizinischen Versorgung kann über verschiedene Zugänge erfolgen:
-
Hausärztliche Versorgung: Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt kann palliativmedizinische Leistungen erbringen oder Sie an spezialisierte Dienste überweisen.
-
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV): Bei komplexen Symptomen kann die SAPV hinzugezogen werden - ein Team aus speziell ausgebildeten Ärzt:innen und Pflegefachkräften, das zu Hause, im Pflegeheim oder im Hospiz tätig wird.
-
Palliativstationen: Bei besonders schweren Symptomen kann eine stationäre Aufnahme auf einer Palliativstation notwendig werden.
-
Stationäre Hospize: Wenn die Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist, bieten Hospize eine umfassende Betreuung in familiärer Atmosphäre.
Wichtig: Für die Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung ist in der Regel eine ärztliche Verordnung notwendig.
Fazit: Die Bedeutung der Palliativmedizin
Palliativmedizin steht für einen respektvollen und würdevollen Umgang mit Menschen am Lebensende. Sie erkennt an, dass Sterben ein Teil des Lebens ist, und möchte die verbleibende Zeit so angenehm und selbstbestimmt wie möglich gestalten.
Der ganzheitliche Ansatz, der körperliche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte berücksichtigt, macht die Palliativmedizin zu einem wertvollen Angebot für Menschen mit unheilbaren Erkrankungen und deren Angehörige.
Die zentrale Botschaft der Palliativmedizin lautet: Auch wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, gibt es noch viel, was für Sie getan werden kann.