Was ist Palliativ­medizin?

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Zusammenfassung

Palliativ­medizin ist eine ganzheitliche Versorgung für Menschen mit unheil­baren Erkrankungen, die sich auf die Linderung von Beschwerden, die Verbesserung der Lebens­qualität und die psychische, soziale sowie spirituelle Unter­stützung konzentriert. Sie begleitet Betroffene und Angehörige in der letzten Lebens­phase und respektiert den individuellen Willen. Ziel ist es, ein würdevolles Leben bis zuletzt zu ermöglichen, ohne den Tod zu beschleunigen oder hinauszuzögern.

Die Diagnose einer unheil­baren Erkrankung stellt Betroffene und Angehörige vor große Heraus­forderungen. Genau hier setzt die Palliativ­medizin an - sie bietet Unter­stützung und Begleitung für Menschen, deren Leben sich dem Ende zuneigt. Dieser Artikel erklärt, was Palliativ­medizin ist und wie sie Menschen in ihrer letzten Lebens­phase unter­stützen kann.

Definition und Grund­gedanke der Palliativ­medizin

Palliativ­medizin ist die ganzheitliche Betreuung von Menschen mit fort­schreitenden, unheil­baren Erkrankungen und begrenzter Lebens­erwartung.[11][12] Der Begriff stammt vom lateinischen Wort “pallium” (der Mantel) und beschreibt bildlich, wie diese Form der Medizin die Betroffenen umsorgt und “ummantelt”.[9]

Anders als die kurative (heilende) Medizin zielt die Palliativ­versorgung nicht auf die Heilung der Grund­erkrankung ab. Stattdessen konzentriert sie sich auf:

  • Die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen
  • Die Verbesserung der Lebens­qualität
  • Die psychische, soziale und spirituelle Unter­stützung
  • Die Begleitung von Angehörigen[11]

Wichtig zu wissen: Die Palliativ­medizin bejaht das Leben und betrachtet das Sterben als normalen Prozess. Sie will den Tod weder beschleunigen noch hinauszögern.[11]

Die Entstehung der modernen Palliativ­medizin

Die Grundlage der heutigen Palliativ­versorgung entstand aus der Erkenntnis, dass schwerkranke und sterbende Menschen in einem heilungs­orientierten Gesundheits­system oft nicht angemessen versorgt werden.[9]

Die englische Kranken­schwester und spätere Ärztin Cicely Saunders (1918-2005) erkannte diese Lücke und gründete 1967 das St. Christopher’s Hospice in London - ein Meilenstein in der Geschichte der Palliativ­medizin.[12]

In Deutschland begann die Entwicklung später:

  • In den 1980er Jahren entstanden die ersten Hospize und Palliativ­stationen
  • Mitte der 1990er Jahre gewann die Bewegung zunehmend an Dynamik
  • 2015 trat das Hospiz- und Palliativ­gesetz (HPG) in Kraft, das die Palliativ­versorgung zum offiziellen Bestandteil der gesetzlichen Kranken­versicherung machte[6][12]

Für wen ist Palliativ­medizin geeignet?

Palliativ­medizinische Versorgung kommt für Menschen mit verschiedenen Erkrankungen im fort­geschrittenen Stadium in Frage, bei denen keine Heilungs­aussicht mehr besteht. Dazu gehören:

  • Krebs­erkrankungen
  • Fortgeschrittene Herz- und Lungen­erkrankungen
  • Neurologische Erkrankungen wie ALS oder Multiple Sklerose
  • Demenz­erkrankungen in späten Stadien[5]

Die Beschwerden sind dabei so individuell wie die Menschen selbst und können körper­liche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte umfassen.

Wo findet Palliativ­versorgung statt?

Die Palliativ­versorgung kann an verschiedenen Orten stattfinden - je nach Wunsch der Betroffenen und den medizinischen Erfordernissen:

  • Zu Hause: Durch ambulante Palliativ­teams und Hospiz­dienste
  • Im Krankenhaus: Auf speziellen Palliativ­stationen
  • Im Pflege­heim: Durch zusätzliche palliativ­medizinische Betreuung
  • Im stationären Hospiz: Für Menschen, deren Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist[5][6]

Das Palliativ­team - gemeinsam für die Betroffenen

Ein wesentliches Merkmal der Palliativ­medizin ist die inter­disziplinäre Zusammen­arbeit verschiedener Berufs­gruppen. Zum Palliativ­team können gehören:

  • Ärzt:innen mit palliativ­medizinischer Zusatz­qualifikation
  • Spezialisierte Pflege­fachkräfte
  • Physio- und Ergo­therapeut:innen
  • Psycholog:innen und Seelsorger:innen
  • Sozial­arbeiter:innen
  • Ehrenamtliche Helfer:innen[11]

Alle arbeiten eng zusammen, um die bestmögliche Versorgung zu gewährleisten und auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen einzugehen.

Was leistet die Palliativ­medizin?

Die Palliativ­versorgung bietet ein breites Spektrum an Unter­stützungs­möglichkeiten:

Körperliche Beschwerden lindern

Die Kontrolle von Symptomen steht im Mittelpunkt der palliativ­medizinischen Behandlung. Dazu gehören:

  • Schmerztherapie mit verschiedenen Methoden
  • Behandlung von Atemnot, Übelkeit und anderen belastenden Symptomen
  • Anpassung der Medikation an die individuelle Situation
  • Physio­therapeutische Behandlungen wie Kranken­gymnastik, Lymph­drainage oder Wärme­therapie[5]

Psychische Unter­stützung

Menschen am Lebensende und ihre Angehörigen stehen vor emotionalen Heraus­forderungen. Die palliativ­medizinische Betreuung umfasst deshalb auch:

  • Gespräche über Ängste und Sorgen
  • Hilfe bei der Verarbeitung der Diagnose und der begrenzten Lebens­zeit
  • Unter­stützung bei der Bewältigung von Krisen

Soziale und praktische Hilfen

Das Palliativ­team hilft auch bei alltäglichen Fragen und Problemen:

  • Beratung zu Sozial­leistungen und finanziellen Hilfen
  • Unter­stützung bei der Organisation häuslicher Pflege
  • Hilfe bei der Regelung persönlicher Angelegen­heiten

Spirituelle Begleitung

Die Auseinander­setzung mit existenziellen Fragen ist für viele Menschen am Lebens­ende wichtig. Die spirituelle Begleitung:

  • Respektiert die religiösen oder welt­anschaulichen Überzeugungen der Betroffenen
  • Bietet Raum für Gespräche über Sinn­fragen
  • Ermöglicht Rituale, die Halt geben können

Ein Beispiel aus der Praxis

Wie Palliativ­medizin in der Praxis wirken kann, zeigt folgendes Beispiel:

Eine Patientin erlitt einen schweren Hirn­infarkt und konnte weder sprechen noch schlucken. Obwohl sie in ihrer Patienten­verfügung festgelegt hatte, keine künstliche Ernährung zu wollen, wurde zunächst eine Ernährungs­sonde gelegt. Die Patientin versuchte wiederholt, sich die Sonde zu ziehen. Das medizinische Team erkannte, dass sie sich gegen diese Maßnahme wehrte.

Nach Einsetzung eines gesetzlichen Betreuers wurde der in der Patienten­verfügung festgelegte Wille umgesetzt und die Patientin auf eine Palliativ­station verlegt. Dort erhielt sie eine angemessene Symptom­kontrolle nach palliativ­medizinischen Richtlinien. Ihr Ehemann konnte, begleitet durch den Krankenhaus­seelsorger, in Ruhe Abschied nehmen.[2]

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Willen der Patient:innen zu respektieren und eine würdevolle Begleitung am Lebens­ende zu ermöglichen.

Rechtliche Rahmen­bedingungen in Deutschland

Das Hospiz- und Palliativ­gesetz (HPG), das 2015 in Kraft trat, hat die Situation für schwer­kranke und sterbende Menschen in Deutschland deutlich verbessert:

  • Es fördert den flächen­deckenden Ausbau der Palliativ- und Hospiz­versorgung
  • Die Palliativ­versorgung wurde offizieller Bestandteil der Regel­versorgung der gesetzlichen Kranken­versicherung
  • Die finanzielle Ausstattung stationärer Hospize wurde verbessert
  • Ambulante Hospiz­dienste erhalten Zuschüsse für Personal- und Sachkosten
  • Die Sterbe­begleitung wurde ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungs­auftrages der sozialen Pflege­versicherung[3][6]

Wann sollte an Palliativ­versorgung gedacht werden?

Palliativ­medizin ist nicht nur für die allerletzten Lebens­tage gedacht. Oft kann eine früh­zeitige palliativ­medizinische Mitbetreuung sinnvoll sein - auch wenn noch andere Behandlungen laufen.

Folgende Anzeichen können darauf hindeuten, dass eine palliativ­medizinische Beratung hilfreich wäre:

  • Eine fortschreitende, unheilbare Erkrankung
  • Zunehmende oder schwer kontrollierbare Symptome
  • Häufige Krankenhaus­aufenthalte
  • Abnehmende Selbst­ständigkeit und steigender Hilfe­bedarf
  • Fragen zur weiteren Behandlungs­planung

Wie erhalten Sie Zugang zur Palliativ­versorgung?

Der Weg zur palliativ­medizinischen Versorgung kann über verschiedene Zugänge erfolgen:

  1. Hausärztliche Versorgung: Ihre Hausärztin oder Ihr Hausarzt kann palliativ­medizinische Leistungen erbringen oder Sie an spezialisierte Dienste überweisen.

  2. Spezialisierte ambulante Palliativ­versorgung (SAPV): Bei komplexen Symptomen kann die SAPV hinzugezogen werden - ein Team aus speziell ausgebildeten Ärzt:innen und Pflege­fachkräften, das zu Hause, im Pflege­heim oder im Hospiz tätig wird.

  3. Palliativ­stationen: Bei besonders schweren Symptomen kann eine stationäre Aufnahme auf einer Palliativ­station notwendig werden.

  4. Stationäre Hospize: Wenn die Versorgung zu Hause nicht mehr möglich ist, bieten Hospize eine umfassende Betreuung in familiärer Atmosphäre.

Wichtig: Für die Übernahme der Kosten durch die gesetzliche Kranken­versicherung ist in der Regel eine ärztliche Verordnung notwendig.

Fazit: Die Bedeutung der Palliativ­medizin

Palliativ­medizin steht für einen respektvollen und würdevollen Umgang mit Menschen am Lebens­ende. Sie erkennt an, dass Sterben ein Teil des Lebens ist, und möchte die verbleibende Zeit so angenehm und selbst­bestimmt wie möglich gestalten.

Der ganzheitliche Ansatz, der körperliche, psychische, soziale und spirituelle Aspekte berücksichtigt, macht die Palliativ­medizin zu einem wertvollen Angebot für Menschen mit unheil­baren Erkrankungen und deren Angehörige.

Die zentrale Botschaft der Palliativ­medizin lautet: Auch wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, gibt es noch viel, was für Sie getan werden kann.