Was ist ein Nachlassverfahren?
Das Nachlassverfahren regelt in Deutschland die Verteilung des Vermögens einer verstorbenen Person gemäß Testament oder gesetzlicher Erbfolge. Zuständig ist das Nachlassgericht, das Aufgaben wie die Testamentseröffnung, die Ausstellung von Erbscheinen und die Sicherung des Nachlasses übernimmt. Erb:innen sollten Fristen beachten, rechtzeitig handeln und bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einholen.
Mit dem Tod eines Menschen beginnt nicht nur die Zeit der Trauer, sondern auch ein rechtlicher Prozess, der den Nachlass regelt. Das Nachlassverfahren sichert die gerechte Verteilung von Vermögen und Besitztümer nach dem Willen des Verstorbenen oder den gesetzlichen Regelungen. Dieser Artikel erklärt Ihnen, was ein Nachlassverfahren ist, wer dafür zuständig ist und welche Schritte auf Hinterbliebene zukommen.
Was ist ein Nachlassverfahren?
Das Nachlassverfahren ist ein rechtlich festgelegter Prozess, der nach dem Tod eines Menschen eingeleitet wird. Ziel ist es, den oder die rechtmäßigen Erb:innen zu ermitteln und den Nachlass ordnungsgemäß zu übertragen.[1][2] In Deutschland ist das Nachlassverfahren eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit und wird vom zuständigen Nachlassgericht durchgeführt.[2]
Zum Nachlass gehören:
- Immobilien
- Bankguthaben und Wertpapiere
- Persönliche Gegenstände
- Aber auch: Schulden und Verpflichtungen
Besonders wichtig: Erben treten automatisch mit dem Tod des Verstorbenen in dessen Rechtsposition ein - mit allen Rechten und Pflichten.[5] Eine Erbschaft muss nicht aktiv angenommen werden, sie fällt Ihnen als Erb:in zu.
Wer ist zuständig? Das Nachlassgericht
Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts und für alle Nachlasssachen verantwortlich. Zuständig ist immer das Amtsgericht, in dessen Bezirk die verstorbene Person zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte.[3][6] Die praktische Arbeit wird meist von Rechtspfleger:innen erledigt.[2][4]
In Deutschland gibt es 533 Nachlassgerichte, die jährlich viele tausende Erbfälle bearbeiten.[5] Diese Gerichte sind Ihr zentraler Ansprechpartner bei allen Fragen rund um das Nachlassverfahren.
Die wichtigsten Aufgaben des Nachlassgerichts
Das Nachlassgericht übernimmt verschiedene wichtige Aufgaben im Nachlassverfahren:
- Verwahrung und Eröffnung von Testamenten und Erbverträgen[2][3][6]
- Ermittlung der rechtmäßigen Erb:innen[1][2][4]
- Ausstellung von Erbscheinen (auf Antrag)[1][6]
- Entgegennahme von Erbausschlagungen[2][3][4]
- Sicherung des Nachlasses, wenn Erb:innen unbekannt sind[1][2]
- Bestellung eines Nachlasspflegers bei ungeklärten Erbverhältnissen[1]
- Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung[2][4]
So läuft ein Nachlassverfahren ab
1. Information des Nachlassgerichts
Nach einem Todesfall informiert das Standesamt automatisch das zuständige Nachlassgericht.[1] Wenn ein Testament beim Nachlassgericht oder einem Notar hinterlegt wurde, wird das Gericht über das Zentrale Testamentsregister benachrichtigt.[3]
Bei privat aufbewahrten Testamenten besteht eine gesetzliche Pflicht: Jede Person, die ein Testament findet oder besitzt, muss dieses unverzüglich beim Nachlassgericht abgeben.[3] Leider gehen private Testamente manchmal verloren oder werden vergessen, was zu Komplikationen führen kann.
2. Testamentseröffnung
Sobald das Nachlassgericht vom Tod erfahren hat, wird ein vorhandenes Testament offiziell eröffnet.[1][2][3] Diese Eröffnung ist ein formeller Akt, bei dem das Testament verlesen und ein Protokoll erstellt wird.[3]
Das Gericht informiert anschließend alle Beteiligten schriftlich:
- Erb:innen
- Enterbte
- Vermächtnisnehmer:innen
- Testamentsvollstrecker:innen[3]
Alle erhalten eine Kopie des Testaments und das Eröffnungsprotokoll.
3. Ermittlung der Erb:innen
Je nachdem, ob ein Testament vorliegt oder nicht, werden die Erb:innen unterschiedlich ermittelt:
Mit Testament: Das Nachlassgericht prüft, wer laut Testament erbberechtigt ist.[1][3]
Ohne Testament: Es gilt die gesetzliche Erbfolge nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch:
- Erben erster Ordnung: Kinder und deren Nachkommen (§ 1924 BGB)[1][6]
- Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Nachkommen (§ 1925 BGB)[1]
- Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen (§ 1926 BGB)[1]
- Ehegatt:innen haben eine Sonderstellung (§ 1931 BGB)[1]
Wichtig: Bei der gesetzlichen Erbfolge werden die Erb:innen nicht automatisch vom Nachlassgericht benachrichtigt.[3] Hier müssen Sie als mögliche:r Erb:in selbst aktiv werden.
4. Ausstellung eines Erbscheins
Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das Ihre Erbenstellung nachweist. Das Nachlassgericht stellt den Erbschein nur auf Antrag aus.[6] Diesen Antrag müssen Sie als Erb:in beim Nachlassgericht oder bei einem Notar stellen.
Der Erbschein ist besonders wichtig, um:
- Bankgeschäfte zu erledigen
- Grundbucheinträge ändern zu lassen
- Verträge zu kündigen oder zu übernehmen
- Versicherungsleistungen zu erhalten
5. Möglichkeit der Erbausschlagung
Als Erb:in haben Sie das Recht, eine Erbschaft auszuschlagen. Dies kann sinnvoll sein, wenn der Nachlass überschuldet ist. Die Ausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbe beim Nachlassgericht erklärt werden.[3] Sie können die Ausschlagung entweder beim zuständigen Nachlassgericht oder beim Amtsgericht Ihres eigenen Wohnorts erklären.[3]
Kosten des Nachlassverfahrens
Für die verschiedenen Dienstleistungen des Nachlassgerichts fallen Gebühren an:
- Testamentsverwahrung: 75 Euro[3]
- Testamentseröffnung: 100 Euro plus Porto- und Versandkosten[3]
- Erbschein: Die Kosten richten sich nach dem Wert des Nachlasses[3]
- Erbausschlagung: 30 Euro bei überschuldetem Nachlass, sonst nach Nachlasswert[3]
Diese Gebühren müssen von den Erb:innen oder den ausschlagenden Personen getragen werden.
Praktische Tipps für Angehörige
-
Testament sicher aufbewahren: Es empfiehlt sich, ein Testament beim Amtsgericht oder einem Notariat zu hinterlegen. So ist sichergestellt, dass es im Erbfall gefunden wird.[3]
-
Frühzeitig informieren: Machen Sie sich bereits zu Lebzeiten mit dem Thema Erbe vertraut und treffen Sie klare Regelungen, um Ihren Angehörigen Streit zu ersparen.
-
Rechtliche Beratung in Anspruch nehmen: Bei komplexen Erbfällen oder Unsicherheiten sollten Sie rechtlichen Rat bei Fachanwält:innen für Erbrecht einholen.
-
Nachlassverzeichnis erstellen: Als Erb:in ist es hilfreich, frühzeitig eine Übersicht über alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu erstellen.
-
Frist für Erbausschlagung beachten: Die sechswöchige Frist für eine Erbausschlagung beginnt mit Kenntnis vom Erbe. Verpassen Sie diese Frist, gilt die Erbschaft als angenommen.
Besonderheiten bei internationalen Erbfällen
Wenn die verstorbene Person im Ausland gelebt hat oder ausländische Vermögenswerte besitzt, können komplexere Regelungen greifen. Seit 2015 gilt in den meisten EU-Ländern die Europäische Erbrechtsverordnung, nach der grundsätzlich das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar ist.
Fazit
Das Nachlassverfahren regelt die geordnete Übertragung von Vermögen nach einem Todesfall. Es schafft Rechtssicherheit für alle Beteiligten und sorgt dafür, dass der letzte Wille der verstorbenen Person respektiert wird. Als Erb:in oder potenziell Erbberechtigte:r sollten Sie die Grundzüge des Verfahrens kennen, um im Ernstfall angemessen handeln zu können.
Das Nachlassgericht ist dabei Ihr wichtigster Ansprechpartner und begleitet Sie durch den gesamten Prozess. Scheuen Sie sich nicht, bei Fragen fachkundigen Rat einzuholen - sei es beim Nachlassgericht selbst oder bei auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwält:innen.