Was ist eine muslimische Bestattung?
Eine muslimische Bestattung folgt festen religiösen Ritualen, darunter die rituelle Waschung, das Totengebet und die Beisetzung in Richtung Mekka, traditionell ohne Sarg. In Deutschland wurden viele Anpassungen vorgenommen, wie islamische Grabfelder und Ausnahmen von der Sargpflicht, um diese Traditionen zu ermöglichen. Angehörige sollten frühzeitig ein spezialisiertes Bestattungsunternehmen kontaktieren und sich über lokale Gegebenheiten informieren.
Synonyme: Islamische Bestattung, djanāza, djināza
Die muslimische Bestattung folgt einem klar strukturierten Ablauf mit tief in der islamischen Tradition verwurzelten Ritualen. Für Angehörige und Betroffene in Deutschland bestehen dabei besondere Herausforderungen, da die traditionellen islamischen Bestattungsvorschriften nicht immer vollständig mit der deutschen Gesetzgebung vereinbar sind. Dennoch gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, eine würdevolle muslimische Bestattung in Deutschland durchzuführen. Dieser Artikel erläutert die wesentlichen Elemente der muslimischen Bestattungskultur und gibt praktische Hinweise zur Umsetzung in Deutschland.
Rituale vor und unmittelbar nach dem Tod
Das islamische Glaubensbekenntnis beim Sterben
Die muslimische Bestattung beginnt bereits vor dem eigentlichen Tod. Wenn ein Muslim im Sterben liegt, versammeln sich die Angehörigen am Sterbebett[3]. Gemeinsam mit dem Sterbenden wird das islamische Glaubensbekenntnis (Schahada) gesprochen[1][4]. Dieses lautet: „Aschadu an la illeha ila Allah wa aschadu ana Muhammad rasul Allah" - „Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer dem einzigen Gott, und ich bezeuge, dass Mohammed sein Gesandter ist"[8]. Falls der sterbende Mensch selbst nicht mehr sprechen kann, unterstützen die Angehörigen beim Aufsagen dieses Bekenntnisses[3].
Wichtig für Angehörige: Der sterbende Mensch sollte dabei mit dem Gesicht in Richtung Mekka ausgerichtet werden[3].
Erste Handlungen nach dem Tod
Sobald der Tod eintritt, werden dem verstorbenen Menschen die Augen geschlossen und Bittgebete für ihn gesprochen[3][8]. Anschließend wird der Mund verschlossen, indem der Unterkiefer verbunden wird[3][8]. Der Leichnam wird vollständig mit einem Tuch bedeckt[8].
Nach islamischer Tradition soll die Bestattung möglichst noch am Todestag erfolgen[1][3]. In Deutschland ist dies aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur bedingt möglich - hierzu später mehr.
Die rituelle Waschung und Einkleidung
Ghusl - Die rituelle Waschung
Ein zentrales Element der muslimischen Bestattung ist die rituelle Waschung des Leichnams, auch Ghusl genannt[7][8]. Diese Waschung ist eine religiöse Pflicht für die muslimische Gemeinschaft (Fard ul Kifeya)[8].
Die Waschung folgt einer festgelegten Reihenfolge und wird in der Regel bei verstorbenen Männern von einem Mann (oft einem Imam) und bei verstorbenen Frauen von einer Frau durchgeführt[2][6][7]. Eine Ausnahme bilden Ehepartner:innen, die ihre verstorbenen Partner:innen waschen dürfen[4][6].
Auf manchen Friedhöfen und in speziellen Bestattungseinrichtungen in Deutschland gibt es mittlerweile spezielle Räumlichkeiten für diese rituelle Waschung[7].
Einkleidung in das Leichentuch (Kefen)
Nach der Waschung wird der verstorbene Mensch in ein weißes Leichentuch (Kefen) gehüllt[2][6][7]. Bei Männern werden in der Regel drei Leinentücher verwendet, während Frauen zusätzlich zu den drei Tüchern noch mit einem Kopftuch und einem Brusttuch eingehüllt werden[5].
Diese Einkleidung in das Leichentuch ist für die spätere Beisetzung ohne Sarg gedacht - eine Tradition, die in Deutschland besondere rechtliche Aspekte mit sich bringt.
Totengebet und Gemeinschaftsaspekte
Das Totengebet in der Moschee
Nach der Waschung und Einkleidung wird der verstorbene Mensch zur Moschee oder zum Gebetsplatz am Friedhof gebracht, um das Totengebet zu verrichten[8]. Dieses gemeinsame Gebet ist ein wichtiger Bestandteil der Trauerfeier und bietet der Gemeinschaft die Möglichkeit, Abschied zu nehmen.
Die Trauerfeier kann je nach Glaubensgemeinde unterschiedlich gestaltet sein, findet aber grundsätzlich in einer Moschee statt oder kann auch in anderen geeigneten Räumen abgehalten werden[1]. In Deutschland bemühen sich viele Friedhofsverwaltungen mittlerweile, in Trauerhallen vorhandene christliche Symbole so anzubringen, dass sie für eine muslimische Bestattung entfernt werden können[1][6].
Freisprechung von Sünden
Ein bedeutsames Element im Ablauf der muslimischen Bestattung ist die sogenannte Freisprechung, bei der dem verstorbenen Menschen vor der Gemeinschaft alle Sünden vergeben werden[2]. Dieses Ritual betont den Aspekt der Vergebung und der Gemeinschaft im islamischen Glauben.
Auf dem Weg zur Grabstelle wird von der Trauergemeinde wiederholt das Glaubensbekenntnis aufgesagt[3].
Die Beisetzung nach islamischem Ritus
Grablegung mit Blick nach Mekka
Bei der Beisetzung wird der verstorbene Mensch traditionell ohne Sarg in das Grab hinabgelassen[4]. Dort wird er auf die rechte Seite gelegt, mit dem Gesicht in Richtung Mekka, zur sogenannten Kaaba, dem „Haus Allahs"[1][2][4].
Am Grab hält der Imam eine Ansprache und trägt Verse aus dem Koran vor[3]. Die Angehörigen und Freund:innen sprechen Gebete und rezitieren Suren aus dem Koran[1][4].
Verschließen des Grabes
Nach islamischer Tradition werden über dem verstorbenen Menschen Holzbretter in Form eines Daches angeordnet, bevor das Grab verschlossen wird[6]. Das Grab wird gemeinsam von Freund:innen und Angehörigen mit Erde gefüllt[4]. Dabei wird häufig die Sure 20,55 aus dem Koran rezitiert: „Aus Erde haben wir euch erschaffen und in sie lassen wir euch zurückkehren, und aus ihr bringen wir euch ein anderes Mal hervor"[4].
Besonderheit: Die Grabstätte wird traditionell nur mit einem Stein versehen und ansonsten nicht geschmückt. Eine Bepflanzung eines islamischen Grabes ist nach Tradition nicht vorgesehen[5].
Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
Sargpflicht und Ausnahmeregelungen
In Deutschland galt lange Zeit die sogenannte Sargpflicht, die eine Bestattung ohne Sarg untersagte[2][5]. Seit 2003 wurde diese Regelung jedoch gelockert[2], und mittlerweile erlauben fast alle Bundesländer aus religiösen und weltanschaulichen Gründen auch Tuchbestattungen ohne Sarg[6].
Wichtig zu wissen: Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Tuchbestattung. Die Entscheidung darüber liegt bei den einzelnen Kommunen und hängt auch von der Bodenbeschaffenheit der Friedhöfe ab[6].
Bestattungsfristen
Nach islamischer Tradition soll die Bestattung möglichst am Todestag erfolgen[1][3]. In Deutschland ist gesetzlich geregelt, dass Verstorbene frühestens 48 Stunden nach dem Tod bestattet werden dürfen[2][6]. Allerdings haben einige Bundesländer diese Regelung mittlerweile gelockert, sodass kürzere Bestattungsfristen möglich sind[6].
Islamische Grabfelder
Auf vielen Friedhöfen in Deutschland gibt es inzwischen spezielle islamische Grabfelder[1][2][5]. Diese sind so angelegt, dass die Gräber nach Mekka ausgerichtet werden können[5]. Dies erleichtert die Einhaltung der islamischen Bestattungsvorschriften erheblich.
Praktischer Hinweis: Islamische Grabfelder sind inzwischen vor allem in Großstädten mit einem hohen Anteil an muslimischer Bevölkerung zu finden[2].
Moderne Anpassungen und Optionen
Überführung ins Heimatland oder Bestattung in Deutschland
Traditionell wurden verstorbene Muslim:innen oft in ihre Heimatländer überführt, um dort nach islamischen Regeln bestattet zu werden[1][2][5]. Dies war mit hohen Kosten verbunden und ist heutzutage in vielen Fällen nicht mehr notwendig[1].
Der Wunsch nach einer Bestattung in Deutschland wächst, besonders bei Muslim:innen, die hier geboren und aufgewachsen sind[5]. Sie haben oft weniger Bezug zum Heimatland ihrer Familien und möchten in Deutschland bestattet werden[5].
Spezialisierte Bestattungsunternehmen
Mittlerweile bieten viele Bestattungsunternehmen in Deutschland muslimische Bestattungen an oder haben sich sogar darauf spezialisiert[5][6]. Diese Unternehmen werden oft von gläubigen Muslim:innen geführt und kennen sowohl die religiösen Anforderungen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland[5].
Diese Bestattungsunternehmen können Sie bei allen Aspekten einer muslimischen Bestattung unterstützen - von der rituellen Waschung über die Begleitung der Trauerfeier bis hin zur Überführung ins Heimatland, falls dies gewünscht wird.
Vorbereitung und praktische Hinweise
Was Sie im Trauerfall tun können
Wenn Sie einen muslimischen Angehörigen verlieren, sollten Sie folgende Schritte beachten:
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Kontaktieren Sie umgehend ein auf muslimische Bestattungen spezialisiertes Bestattungsunternehmen. Diese können Sie durch den gesamten Prozess begleiten und kennen die lokalen Gegebenheiten.
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Klären Sie die Möglichkeit einer Bestattung ohne Sarg in Ihrer Kommune. Das Bestattungsunternehmen kann Ihnen dabei helfen.
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Informieren Sie sich über islamische Grabfelder auf den Friedhöfen in Ihrer Nähe.
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Organisieren Sie die rituelle Waschung mit Hilfe der örtlichen Moschee oder des Bestattungsunternehmens.
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Planen Sie die Trauerfeier in Abstimmung mit der Moscheegemeinde.
Vorsorge treffen
Wenn Sie selbst Vorsorge für Ihre eigene muslimische Bestattung treffen möchten, haben Sie folgende Möglichkeiten:
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Bestattungsvorsorgevertrag: Legen Sie Ihre Wünsche bezüglich einer islamischen Bestattung schriftlich fest.
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Finanzielle Vorsorge: Eine Bestattungsvorsorgeversicherung kann die Kosten der Bestattung abdecken, besonders wichtig bei einer eventuellen Überführung ins Heimatland.
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Bevollmächtigung: Bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die im Todesfall Ihre Wünsche bezüglich der Bestattung durchsetzen kann.
Fazit
Die muslimische Bestattungskultur ist reich an Traditionen und Ritualen, die den Übergang vom Leben zum Tod begleiten und der trauernden Gemeinschaft Struktur und Trost bieten. In Deutschland wurden in den letzten Jahren viele Anpassungen vorgenommen, um muslimische Bestattungen nach traditionellen Riten zu ermöglichen.
Durch die zunehmende Anzahl islamischer Grabfelder, die Lockerung der Sargpflicht in vielen Bundesländern und das wachsende Angebot spezialisierter Bestattungsunternehmen ist es heute für Muslim:innen leichter als je zuvor, ihre Verstorbenen nach islamischen Traditionen in Deutschland zu bestatten.
Für Angehörige und Betroffene empfiehlt es sich, sich frühzeitig über die Möglichkeiten in ihrer Region zu informieren und gegebenenfalls Vorsorge zu treffen, um im Trauerfall gut vorbereitet zu sein.