Was ist Kryonik?
Kryonik ist ein Verfahren, bei dem der menschliche Körper oder das Gehirn nach dem klinischen Tod bei -196°C in flüssigem Stickstoff konserviert wird, um eine mögliche Wiederbelebung in der Zukunft zu ermöglichen. Obwohl es derzeit keine wissenschaftlichen Beweise für die Machbarkeit einer Wiederbelebung gibt, setzen Befürworter:innen auf zukünftige medizinische Fortschritte. In Deutschland ist Kryonik rechtlich nicht verboten, wird jedoch nur von internationalen Anbietern wie in den USA oder Russland vollständig durchgeführt.
Synonym: Kryostase
- Grundlagen der Kryonik - Definition und Hintergrund
- Geschichte und aktueller Stand der Kryonik
- So funktioniert die Kryonik - von der Todeserklärung bis zur Lagerung
- Kryonik in Deutschland - Rechtliche Situation und Anbieter
- Kosten und praktische Überlegungen
- Wissenschaftliche Einschätzung und kritische Betrachtung
- Kryonik - zwischen Wissenschaft und Hoffnung
Die Kryonik ist ein faszinierendes und zugleich umstrittenes Verfahren, bei dem der menschliche Körper oder das Gehirn nach dem klinischen Tod bei extrem niedrigen Temperaturen konserviert wird. Diese besondere Form der Konservierung zielt darauf ab, Menschen nach ihrem Tod für eine mögliche Wiederbelebung in der Zukunft zu erhalten. Im folgenden Text erfahren Sie, wie dieses Verfahren funktioniert, welche rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland gelten und welche wissenschaftlichen Perspektiven damit verbunden sind.
Grundlagen der Kryonik - Definition und Hintergrund
Kryonik (vom griechischen Wort “kryos” für Eis oder Frost) ist ein Verfahren zur langfristigen Konservierung des menschlichen Körpers nach dem Tod. Anders als bei einer Bestattung geht es nicht um einen Abschied, sondern um den Versuch, den Verstorbenen für eine mögliche Wiederbelebung zu erhalten, sobald die Medizin weit genug fortgeschritten ist[1][8]. Kryonik gilt für viele als Plan B, wenn sie nicht lange genug leben sollten, um von künftigen medizinischen Fortschritten zu profitieren[1].
Die Idee dahinter fußt auf zwei Annahmen: Erstens, dass uns in Zukunft wissenschaftliche und technologische Fortschritte bevorstehen, die heute noch unvorstellbare Möglichkeiten eröffnen. Zweitens, dass der Sterbeprozess bei Temperaturen von -196°C in flüssigem Stickstoff nicht weiter voranschreiten kann[4]. In der Fachwelt wird nicht von “Verstorbenen” oder “Leichen” gesprochen, sondern von “Patient:innen” - ein Hinweis auf die Hoffnung auf eine künftige medizinische Behandlung[4].
Geschichte und aktueller Stand der Kryonik
Als Begründer der Kryonik gilt der amerikanische Hochschullehrer Robert Ettinger, der 1962 das Buch “The Prospect of Immortality” veröffentlichte und damit die Kryonik-Bewegung ins Leben rief[1]. 1967 ließ sich der erste Mensch - der Psychologieprofessor James Bedford aus den USA - nach seinem Tod kryokonservieren[1]. Auch der Pionier Ettinger selbst wurde 2011 nach seinem Tod kryokonserviert[4].
Mittlerweile werden weltweit rund 500 Menschen in speziellen Einrichtungen bei extrem niedrigen Temperaturen aufbewahrt[1][2]. Mehr als 4000 Personen haben bereits einen Vertrag für ihre eigene spätere Kryokonservierung abgeschlossen[1].
So funktioniert die Kryonik - von der Todeserklärung bis zur Lagerung
Der Prozess der Kryonik beginnt erst nach der offiziellen Todesfeststellung durch medizinisches Fachpersonal. Vorher darf keine Kryokonservierung durchgeführt werden - dies ist rechtlich und ethisch wichtig zu betonen[7]. Fachleute in der Kryonik arbeiten nach der SST-Methode: Standby, Stabilisierung und Transport[7].
Der Ablauf im Detail:
Nach der Feststellung des klinischen Todes beginnt die Stabilisierung des Körpers. Dabei wird der Körper, insbesondere der Kopf, schnell mit Wassereis gekühlt[4]. Gleichzeitig werden Maßnahmen wie künstliche Beatmung und Herzmassage durchgeführt, um den Sauerstofffluss im Gehirn aufrechtzuerhalten und Zellschäden zu minimieren[6].
Als nächster Schritt wird das Blut durch eine spezielle Schutzlösung ersetzt. Dies ist ein entscheidender Vorgang, da er die Bildung von Eiskristallen verhindert, die sonst Zellwände und besonders die empfindliche Struktur des Gehirns zerstören würden[3][5]. Die moderne Kryonik verwendet dafür ein Verfahren namens Vitrifizierung[8].
Nach dieser Vorbereitung wird der Körper stufenweise auf sehr niedrige Temperaturen abgekühlt, bis er schließlich bei -196°C in flüssigem Stickstoff gelagert wird[1][5][8]. Bei dieser Temperatur kommen alle biologischen Prozesse zum Stillstand, und der Körper kann theoretisch unbegrenzt aufbewahrt werden[1].
Kryonik in Deutschland - Rechtliche Situation und Anbieter
Nach aktuellem Stand ist die Kryonik in Deutschland nicht ausdrücklich verboten, allerdings gibt es auch keine spezifischen gesetzlichen Regelungen dafür[6]. Sobald ein:e Ärzt:in einen Totenschein ausgestellt hat, dürfen berechtigte Personen - in der Regel Mediziner:innen und Bestatter:innen - mit der kryonischen Erstversorgung beginnen[3].
Allerdings gibt es derzeit in Deutschland keine Unternehmen, die eine vollständige kryonische Erstversorgung als komplettes Dienstleistungspaket anbieten[3]. Für Interessierte gibt es jedoch Unterstützungsmöglichkeiten:
- Die Interessengemeinschaft Cryonics Germany bietet Beratung und Hilfe bei rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen[1][3].
- Das Berliner Startup Tomorrow Biostasis ist ein europäischer Anbieter für Kryonik[1][6].
Die drei weltweit größten Anbieter befinden sich in den USA und Russland: die Alcor Life Extension Foundation (Arizona), das Cryonics Institute (Michigan) und KrioRus (Moskau)[1].
Rechtlich betrachtet stellen kryokonservierte Menschen ihre Körper einem Forschungsprojekt zur Verfügung, ähnlich wie Organspender:innen[2].
Kosten und praktische Überlegungen
Eine Kryokonservierung ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Gesamtkosten liegen bei etwa 200.000 Euro[2][6]. Viele Menschen, die sich für diese Option entscheiden, finanzieren dies über eine Lebensversicherung[2].
Wenn Sie sich für Kryonik interessieren, sollten Sie folgende Punkte bedenken:
- Die Kryonik muss vor dem Tod geplant werden, da sofort nach dem klinischen Tod Maßnahmen eingeleitet werden müssen.
- Sie benötigen einen rechtsgültigen Vertrag mit einem Kryonik-Anbieter.
- Die Finanzierung muss gesichert sein, beispielsweise durch eine entsprechende Lebensversicherung.
- Nahestehende Personen sollten über Ihre Entscheidung informiert sein, um im Todesfall schnell handeln zu können.
Wissenschaftliche Einschätzung und kritische Betrachtung
Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Wiederbelebung nach dem “Auftauen” nach heutigem Kenntnisstand nicht möglich[8]. Die Versprechen einer möglichen zukünftigen Wiederbelebung werden von der Wissenschaft größtenteils abgelehnt[8].
Bei der Kryokonservierung kommt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Schäden, die mit den derzeit verfügbaren technischen Mitteln nicht behoben werden können[8]. Kritiker:innen argumentieren, dass Organe und Zellen während des Prozesses zu stark beschädigt werden, als dass eine Wiederbelebung jemals möglich sein könnte[4].
Befürworter:innen der Kryonik setzen dem entgegen, dass zukünftige Technologien wie Nanotechnologie oder regenerative Medizin diese Schäden beheben und sogar die ursprüngliche Todesursache heilen könnten[1][4].
Kryonik - zwischen Wissenschaft und Hoffnung
Die Kryonik steht an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlichen Möglichkeiten und menschlichen Hoffnungen. Sie versucht, den uralten Wunsch nach Überwindung des Todes mit modernen technologischen Mitteln zu erfüllen - ähnlich wie einst die alten Ägypter mit ihren Einbalsamierungen[4].
Ob die Kryonik jemals ihr Versprechen einer möglichen Wiederbelebung erfüllen kann, bleibt ungewiss. Die Entscheidung für eine Kryokonservierung ist höchst persönlich und sollte auf einer gründlichen Auseinandersetzung mit den wissenschaftlichen Fakten, den praktischen Möglichkeiten und den eigenen Wertvorstellungen basieren.
Wenn Sie sich näher mit dem Thema beschäftigen möchten, empfiehlt sich der Kontakt zu Organisationen wie Cryonics Germany, die Unterstützung bei Fragen rund um die Kryonik anbieten können.