Was ist die Jastrowsche Klausel?

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Zusammenfassung

Die Jastrowsche Klausel ist eine Erweiterung der Pflicht­teils­straf­klausel, die in gemeinschaftlichen Testamenten von Ehe­partnern genutzt wird, um Pflicht­teils­ansprüche von Kindern nach dem Tod des ersten Elternteils zu begrenzen. Sie sichert eine gerechte Verteilung des Nachlasses und schützt den länger­lebenden Partner vor finanziellen Belastungen. Ihre Verwendung erfordert jedoch eine rechtssichere Formulierung und fachkundige Beratung.

Synonym: Jastrowsche Formel

Die Jastrowsche Klausel stellt eine besondere Regelung im deutschen Erbrecht dar, die vor allem bei gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten Anwendung findet. Sie schützt den Nach­lass vor unerwünschten Pflicht­teils­ansprüchen und sichert die Vermögens­übertragung nach den Wünschen der Erb­lasser:innen. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und wann sollten Sie eine solche Klausel in Betracht ziehen?

Was ist die Jastrowsche Klausel?

Die Jastrowsche Klausel ist eine spezielle Erweiterung der Pflicht­teils­straf­klausel, die in gemeinschaftlichen Testamenten von Ehe­partnern oder Lebens­partner:innen eingesetzt wird. Benannt wurde sie nach dem Verfasser eines Aufsatzes in der Zeitschrift des Deutschen Notarvereins aus dem Jahr 1904[4].

Diese Klausel kommt typischerweise beim sogenannten “Berliner Testament” zum Einsatz, bei dem sich Ehe­partner gegenseitig als Allein­erb:innen einsetzen und die Kinder erst nach dem Tod des länger­lebenden Elternteils erben sollen[2].

Der Kerngedanke dieser Klausel: Kinder, die nach dem Tod des erst­versterbenden Elternteils keinen Pflicht­teil fordern, erhalten ein Vermächtnis aus dem Nachlass des Erst­versterbenden. Dieses wird jedoch erst nach dem Tod des länger­lebenden Elternteils zur Auszahlung fällig[3].

Warum ist die Jastrowsche Klausel wichtig?

Bei einem Berliner Testament werden die Kinder zunächst von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie haben jedoch nach deutschem Recht einen Pflicht­teils­anspruch, den sie nach dem Tod des ersten Elternteils geltend machen können. Dies führt zu folgenden Problemen:

  1. Der über­lebende Ehe­partner muss möglicherweise Vermögens­werte verkaufen, um den Pflicht­teil auszuzahlen
  2. Das Kind, das seinen Pflicht­teil fordert, könnte insgesamt mehr erhalten als die Geschwister, die warten[6]

Die einfache Pflicht­teils­straf­klausel schließt ein Kind, das nach dem ersten Todes­fall seinen Pflicht­teil fordert, auch vom Erbe nach dem zweiten Todes­fall aus. Dies reicht jedoch manchmal nicht aus, da das pflichtteilsfordernde Kind durch zweimalige Pflicht­teils­ansprüche (nach jedem Elternteil) möglicherweise mehr erhält als die wartenden Geschwister[3].

Wie funktioniert die Jastrowsche Klausel?

Die Jastrowsche Klausel verschärft die Wirkung der einfachen Pflicht­teils­straf­klausel durch folgende Mechanismen:

  1. Kinder, die nach dem Tod des erst­versterbenden Elternteils keinen Pflicht­teil fordern, erhalten ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils[8]
  2. Dieses Vermächtnis entsteht bereits beim Tod des ersten Elternteils, wird aber erst beim Tod des zweiten Elternteils fällig[1]
  3. Dadurch wird der Nachlass des länger­lebenden Elternteils durch Vermächtnis­schulden verringert[7]
  4. Der Pflicht­teils­anspruch des “abtrünnigen” Kindes nach dem zweiten Todes­fall wird dadurch ebenfalls geringer[8]

Ein typisches Formulierungs­beispiel für die Jastrowsche Klausel lautet:

In diesem Fall erhält jeder der Erben, mit Ausnahme desjenigen, der seinen Pflicht­teil verlangt hat und dessen Abkömmlingen, aus dem Nachlass des Erst­versterbenden ein Geld­vermächtnis in Höhe des Wertes seines gesetzlichen Erbteils nach dem Erst­versterbenden. Der gesetzliche Erbteil ist nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des über­lebenden Ehe­gatten zu bestimmen, berechnet nach dem Wert des zum Zeitpunkt des Todes des Längst­lebenden noch vorhandenen Nach­lasses des Erst­versterbenden. Diese Vermächtnisse fallen erst mit dem Tod des Längst­lebenden an und nur zu diesem Zeitpunkt noch lebende Bedachte.[1]

Ein anschauliches Beispiel

Stellen Sie sich folgende Situation vor:

Ein Ehepaar hat zwei Kinder, Anna und Bernd. Im Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig als Allein­erb:innen ein und bestimmen ihre Kinder als Schluss­erb:innen. Zusätzlich fügen sie eine Jastrowsche Klausel ein.

Nach dem Tod des Vaters fordert Bernd seinen Pflicht­teil in Höhe von 12,5% des Nachlass­wertes. Anna respektiert den letzten Willen der Eltern und wartet.

Durch die Jastrowsche Klausel erhält Anna nun ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils (25% des Nachlasses des Vaters). Dieses wird jedoch erst nach dem Tod der Mutter fällig.

Wenn später die Mutter stirbt, wird Annas Vermächtnis­anspruch von der Erbmasse abgezogen, bevor Bernds Pflicht­teil berechnet wird. So erhält Bernd insgesamt weniger, als wenn er geduldig gewesen wäre.

Vor- und Nachteile der Jastrowschen Klausel

Vorteile:

  • Stärkerer Schutz des über­lebenden Ehe­partners vor Pflicht­teils­ansprüchen der Kinder[3]
  • Gerechte Verteilung des Nach­lasses unter den Kindern, da pflichtteilsfordernde Kinder nicht mehr erhalten als wartende Geschwister[1]
  • Zusätzliche Abschreckung vor vorzeitiger Geltendmachung von Pflicht­teils­ansprüchen[6]

Nachteile:

  • Komplexe rechtliche Konstruktion, die fachkundiger Beratung bedarf[3]
  • Steuerliche Nachteile sind möglich, da das Vermächtnis nicht als Nachlass­verbindlichkeit beim letztversterbenden Ehe­partner abgezogen werden kann[7]
  • Erhöhter Verwaltungs­aufwand durch die Berechnung und Dokumentation der Vermächtnis­ansprüche

Steuerliche Aspekte beachten

Bei der Erbschafts­steuer wird das Vermächtnis aus der Jastrowschen Klausel wie eine Nacherbschaft behandelt. Das bedeutet:

  1. Es wird erst beim Tod des länger­lebenden Ehe­partners als Erwerb versteuert[3]
  2. Das Vermächtnis kann jedoch nicht als Nachlass­verbindlichkeit beim länger­lebenden Ehe­partner abgezogen werden[3]
  3. Der Bundesfinanzhof hat kürzlich ein Urteil gefällt, das steuerliche Auswirkungen haben kann[8]

Wann ist die Jastrowsche Klausel sinnvoll?

Die Jastrowsche Klausel eignet sich besonders in folgenden Fällen:

  • Wenn Sie als Ehe­paar mit Kindern ein Berliner Testament errichten möchten
  • Wenn Sie befürchten, dass eines Ihrer Kinder seinen Pflicht­teil nach dem ersten Todes­fall fordern könnte
  • Wenn Sie sicherstellen möchten, dass der länger­lebende Partner finanziell abgesichert ist
  • Wenn Sie Wert auf eine gerechte Verteilung unter Ihren Kindern legen

Tipp: Lassen Sie sich vor der Verwendung dieser Klausel unbedingt von Fach­leuten für Erbrecht beraten, da die rechtlichen und steuerlichen Auswirkungen komplex sein können.

Alternative Gestaltungs­möglichkeiten

Neben der Jastrowschen Klausel gibt es weitere Möglichkeiten, den Nachlass zu schützen:

  1. Pflicht­teils­verzichts­vertrag: Ihre Kinder können notariell auf ihren Pflicht­teil verzichten
  2. Vermögensübergabe zu Lebzeiten: Durch frühzeitige Schenkungen können Sie Ihr Vermögen bereits vor dem Erbfall übertragen
  3. Testamentarische Anordnungen: Sie können bestimmte Vermögenswerte gezielt einzelnen Erb:innen zuweisen

Wie setzen Sie die Jastrowsche Klausel richtig um?

Wenn Sie eine Jastrowsche Klausel in Ihr Testament aufnehmen möchten, beachten Sie folgende Punkte:

  1. Lassen Sie sich fachkundig beraten: Die Formulierung sollte rechtssicher sein, um spätere Anfechtungen zu vermeiden
  2. Dokumentieren Sie Ihre Vermögenswerte: Für die spätere Berechnung ist eine gute Dokumentation wichtig
  3. Informieren Sie Ihre Erb:innen: Erklären Sie Ihren Kindern die Gründe für diese Regelung

Bedeutung für Ihre Nachlass­planung

Die Jastrowsche Klausel ist ein wirksames, aber komplexes Instrument im deutschen Erbrecht. Sie hilft Ihnen, Ihren letzten Willen durchzusetzen und Ihre Familie vor Streitigkeiten zu bewahren. Durch die geschickte Kombination mit einem Berliner Testament können Sie sowohl den länger­lebenden Partner schützen als auch für eine ausgewogene Verteilung unter Ihren Kindern sorgen.

Denken Sie daran: Eine gute Nachlass­planung gibt Ihnen nicht nur Sicherheit für die Zukunft, sondern kann auch den Familien­frieden nach Ihrem Ableben bewahren. Die Jastrowsche Klausel kann dabei ein hilfreiches Werkzeug sein - vorausgesetzt, sie wird richtig eingesetzt und fachkundig gestaltet.