Was ist invasive Beatmung?
Die invasive Beatmung ist ein lebensrettendes Verfahren, bei dem ein Schlauch in die Luftröhre eingeführt wird, um die Atmung künstlich zu unterstützen, wenn die eigene Atmung nicht ausreicht. Sie wird bei akuten Notfällen, schweren Erkrankungen oder während Operationen eingesetzt, birgt jedoch Risiken wie Infektionen oder Schäden an den Atemwegen. Eine frühzeitige und umfassende Aufklärung helfen Betroffenen und Angehörigen, informierte Entscheidungen zu treffen.
- Wann wird invasive Beatmung notwendig?
- So funktioniert das Verfahren
- Risiken und Nebenwirkungen
- Unterschiede zur nicht-invasiven Beatmung
- Rechtliche Aspekte in Deutschland
- Praxistipps für Angehörige
- Der Weg zurück zur Eigenatmung
- Alternativen kritisch prüfen
- Ihr Recht auf Aufklärung
- Emotionale Aspekte
- Kostenübernahme
- Leben mit Langzeitbeatmung
- Vorausplanung gibt Sicherheit
- Die Entscheidung respektieren
Bei der invasiven Beatmung handelt es sich um ein lebensrettendes Verfahren, das in Notfallsituationen oder bei schweren Erkrankungen zum Einsatz kommt. Dieses Verfahren ermöglicht es, die Atmung künstlich aufrechtzuerhalten, wenn die eigene Atmung nicht mehr ausreicht. Im Folgenden erfahren Sie, wann diese Methode angewendet wird, wie sie abläuft und was Sie als Betroffene:r oder Angehörige:r beachten sollten.
Wann wird invasive Beatmung notwendig?
Die invasive Beatmung kommt immer dann zum Einsatz, wenn der Körper nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen oder Kohlendioxid abgeben kann - ein Zustand, der als respiratorische Insuffizienz bezeichnet wird[2][6]. Typische Situationen sind:
- Schwere Unfälle mit Verletzungen der Lunge oder des Brustkorbs
- Akute Atemnot bei Lungenentzündungen, Asthmaanfällen oder COVID-19
- Operative Eingriffe unter Vollnarkose, bei denen die natürliche Atmung ausgeschaltet ist
- Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle, die die Atemsteuerung beeinträchtigen[5][6]
Auch bei langfristigen Erkrankungen wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) kann eine invasive Beatmung erforderlich werden, wenn nicht-invasive Methoden nicht ausreichen[8].
So funktioniert das Verfahren
Der Beatmungszugang
Bei der invasiven Beatmung wird ein dünner Schlauch - Endotrachealtubus genannt - durch Mund oder Nase in die Luftröhre eingeführt[2][5]. Bei längerfristiger Beatmung (mehr als 14 Tage) wird oft ein Tracheostoma angelegt: ein chirurgischer Zugang zur Luftröhre durch den Hals[6][7].
Die Beatmungstechnik
Moderne Beatmungsgeräte passen sich individuell an die Bedürfnisse der Patient:innen an. Sie können:
- Druck unterstützen, wenn die eigene Atmung zu schwach ist
- Volumen garantieren, um mindestens eine bestimmte Luftmenge pro Atemzug zu liefern
- Sauerstoffkonzentration je nach Blutwerten automatisch anpassen[3][7]
Ein Beispiel aus der Praxis: Bei einem Menschen mit schwerem Lungenödem (Wasser in der Lunge) wird das Gerät so eingestellt, dass es besonders hohen Druck aufbaut, um die Flüssigkeit aus den Lungenbläschen zu verdrängen[3].
Risiken und Nebenwirkungen
Obwohl lebensrettend, bringt die invasive Beatmung Herausforderungen mit sich:
Potenzielle Komplikationen | Vorbeugungsmaßnahmen |
---|---|
Lungenentzündungen durch Keime im Tubus | Regelmäßige Reinigung des Systems, Oberkörperhochlagerung |
Schäden an Stimmbändern oder Luftröhre | Sorgfältige Platzierung des Tubus durch erfahrene Fachkräfte |
Druckstellen im Rachenraum | Wechsel der Fixierungsbänder alle 24 Stunden |
Abhängigkeit vom Beatmungsgerät | Frühzeitige Physiotherapie und Atemtraining[2][4][7] |
Manche intensiv beatmeten Patient:innen entwickeln vorübergehend Schluckbeschwerden. Diese sind meist reversibel, erfordern aber logopädische Unterstützung.
Unterschiede zur nicht-invasiven Beatmung
Die nicht-invasive Beatmung (NIV) erfolgt über Masken, die nur auf Gesicht oder Nase aufgesetzt werden[1][4]. Vorteile im Vergleich zur invasiven Methode:
Allerdings eignet sich die NIV nicht für bewusstlose Menschen oder bei stark verschleimten Atemwegen. Hier bleibt die invasive Beatmung unverzichtbar[2][6].
Rechtliche Aspekte in Deutschland
Selbstbestimmungsrecht
Gemäß § 1827 BGB haben Sie das Recht, im Voraus festzulegen, ob und wie lange Sie beatmet werden möchten. Diese Entscheidung können Sie in einer Patientenverfügung dokumentieren[6].
Entscheidungsprozess im Notfall
Wenn keine Verfügung vorliegt, orientieren sich Ärzt:innen an mutmaßlichem Willen. Angehörige werden in die Entscheidung einbezogen[6].
Praxistipps für Angehörige
-
Kommunikation ermöglichen
Beatmete Menschen können oft nicht sprechen. Stellen Sie Schreibtafeln bereit oder vereinbaren Sie Blickzeichen für Ja/Nein-Fragen. -
Mundpflege unterstützen
Trockene Schleimhäute sind ein häufiges Problem. Befeuchten Sie die Lippen mit speziellen Pflegestiften (ohne Vaseline!). -
Entscheidungen vorbereiten
Besprechen Sie frühzeitig mit dem Behandlungsteam:- Wie lange soll die Beatmung maximal dauern?
- Unter welchen Bedingungen würde man sie beenden?
-
Eigene Grenzen achten
Pflegende Angehörige haben Anspruch auf Unterstützung durch ambulante Pflegedienste[6].
Der Weg zurück zur Eigenatmung
Das Weaning (Entwöhnung vom Beatmungsgerät) ist ein schrittweiser Prozess:
-
Reduzierung der Beatmungsunterstützung
Das Gerät wird täglich für kurze Zeiträume abgeschaltet - zunächst Minuten, später Stunden. -
Atemtraining
Spezielle Übungen stärken Zwerchfell und Brustmuskulatur. Beispiel: Mit einem Strohhalm gegen Wasserwiderstand ausatmen. -
Psychologische Begleitung
Ängste vor der eigenständigen Atmung sind normal. Hier helfen Atemtherapeut:innen mit Entspannungstechniken[3][7].
Alternativen kritisch prüfen
Hochfrequenzbeatmung
Eine Sonderform der invasiven Beatmung mit sehr kleinen Atemhüben und hoher Frequenz. Besonders schonend bei schwerem Lungenversagen, aber nicht überall verfügbar[7].
ECMO-Verfahren
Eine Art “künstliche Lunge”, die Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff anreichert. Kommt nur bei ausgewählten Fällen zum Einsatz und erfordert große Kliniken[2].
Ihr Recht auf Aufklärung
Ärzt:innen müssen Sie über alle Risiken, Alternativen und Prognosen aufklären - in verständlicher Sprache und mit ausreichend Bedenkzeit[6]. Zögern Sie nicht, folgende Fragen zu stellen:
- Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mein Angehöriger wieder selbstständig atmen kann?
- Gibt es Möglichkeiten, Schmerzen oder Angst während der Beatmung zu lindern?
- Welche Spätfolgen sind nach längerer Beatmung möglich?
Emotionale Aspekte
Eine Beatmungssituation ist für alle Beteiligten belastend. Diese Strategien helfen:
Für Betroffene
- Erinnerungsstücke aus dem Heimatumfeld (Fotos, Musik) reduzieren das ICU-Syndrom (Verwirrtheit durch Intensivaufenthalt)
- Tägliche Visitenzettel mit Uhrzeit und Behandlungsschritten geben Orientierung
Für Angehörige
- Festgelegte Besuchszeiten strukturieren den Tag
- Tagebuch führen über den Gesundheitszustand (Atemfrequenz, Wachphasen) hilft, Fortschritte zu erkennen
Kostenübernahme
Die invasive Beatmung ist eine Regelleistung der Krankenkassen. Für besondere Komfortausstattung (z.B. spezielle Lagerungskissen) kann ein Zuschuss beantragt werden. Pflegestützpunkte beraten hierzu kostenlos.
Leben mit Langzeitbeatmung
Immer mehr Menschen werden dank verbesserter Technik auch zu Hause beatmet. Wichtige Voraussetzungen:
✅ Speziell geschultes Pflegeteam
✅ Stromunterbrechungsalarm für das Beatmungsgerät
✅ Notfallrufnummern an allen Telefonen hinterlegt
Unterstützungsangebote finden Sie über die Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB).
Vorausplanung gibt Sicherheit
Erstellen Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam einen Beatmungsnotfallplan:
- Liste der Anlaufstellen bei nächtlichen Problemen
- Notfallmedikamente im Kühlschrank gekennzeichnet
- ggf. Kopie der Patientenverfügung bereit halten
Diese Vorbereitung reduziert nachweislich Stresssituationen.
Die Entscheidung respektieren
Ob sich jemand für oder gegen eine invasive Beatmung entscheidet - beide Wege verdienen Respekt. Wichtig ist, dass die Wahl frei von Druck und auf Basis klarer Informationen erfolgt. Sozialdienste der Kliniken helfen bei ethischen Konflikten weiter.