Was ist ein Insichgeschäft?
Ein Insichgeschäft liegt vor, wenn eine Person ein Rechtsgeschäft mit sich selbst abschließt oder auf beiden Seiten eines Vertrags handelt, was laut § 181 BGB grundsätzlich verboten ist, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Ausnahmen bestehen bei ausdrücklicher Zustimmung, rechtlichem Vorteil für die vertretene Person oder der Erfüllung bestehender Verpflichtungen. Um rechtliche Probleme zu vermeiden, sollten Betroffene eine juristische Beratung in Anspruch nehmen und mögliche Befreiungen oder neutrale Dritte einbeziehen.
- Was genau ist ein Insichgeschäft?
- Die zwei Arten von Insichgeschäften
- Warum sind Insichgeschäfte grundsätzlich verboten?
- Ausnahmen: Wann ist ein Insichgeschäft trotzdem erlaubt?
- Insichgeschäfte im Familienkontext
- Besondere Bedeutung für rechtliche Betreuung
- Insichgeschäfte in Unternehmensstrukturen
- Mögliche Folgen unzulässiger Insichgeschäfte
- Praktische Tipps für den Umgang mit Insichgeschäften
- Fazit: Vorsicht bei Geschäften "mit sich selbst"
Im alltäglichen Leben kommen wir immer wieder in Situationen, in denen wir für andere Personen handeln - sei es als Elternteil für ein Kind, als Betreuer:in für eine betreute Person oder als Geschäftsführer:in für ein Unternehmen. Dabei kann es vorkommen, dass Sie gleichzeitig Ihre eigenen Interessen und die Interessen der vertretenen Person wahrnehmen müssen. Genau hier kommt der Begriff des Insichgeschäfts ins Spiel, der häufig zu Missverständnissen und rechtlichen Problemen führt.
Was genau ist ein Insichgeschäft?
Ein Insichgeschäft liegt vor, wenn eine Person ein Rechtsgeschäft mit sich selbst abschließt oder wenn sie bei einem Rechtsgeschäft beide Seiten vertritt. Im deutschen Recht wird das Insichgeschäft auch als Selbstkontraktion bezeichnet und ist in § 181 BGB geregelt[1][2].
Kernmerkmal eines Insichgeschäfts ist, dass nur eine einzige Person beim Abschluss des Rechtsgeschäfts handelt, obwohl rechtlich betrachtet zwei unterschiedliche Parteien beteiligt sein müssten[5].
Die zwei Arten von Insichgeschäften
Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Arten von Insichgeschäften:
1. Selbstkontrahierung
Bei der Selbstkontrahierung handelt eine Person als Vertreter:in einer anderen Person und schließt gleichzeitig im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft ab.
Beispiel: Eine Geschäftsführerin einer GmbH verkauft ihr privates Grundstück an die GmbH, die sie vertritt. Sie handelt hier sowohl als Verkäuferin (in eigenem Namen) als auch als Käuferin (in Vertretung der GmbH)[1].
2. Mehrvertretung (Doppel- oder Mehrfachvertretung)
Bei der Mehrvertretung vertritt eine Person gleichzeitig mehrere Personen oder Unternehmen bei einem Rechtsgeschäft.
Beispiel: Ein Betreuer vertritt gleichzeitig zwei betreute Personen und schließt zwischen ihnen einen Vertrag ab[6].
Warum sind Insichgeschäfte grundsätzlich verboten?
Das deutsche Recht verbietet Insichgeschäfte im Grundsatz. Der Hauptgrund dafür ist die Gefahr von Interessenkonflikten[5]. Wenn eine Person auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts steht, kann sie kaum beide Interessen gleichermaßen gut vertreten.
Stellen Sie sich vor: Beim Verkauf Ihres eigenen Autos an eine Person, die Sie vertreten, möchten Sie als Verkäufer:in einen möglichst hohen Preis erzielen. Als Vertreter:in der Käuferseite sollten Sie jedoch einen niedrigen Preis anstreben. Diese widersprüchlichen Interessen können nicht gleichzeitig optimal verfolgt werden[5].
Das Verbot soll daher vor allem die vertretene Person vor Nachteilen und Missbrauch schützen[3].
Ausnahmen: Wann ist ein Insichgeschäft trotzdem erlaubt?
Es gibt drei wichtige Ausnahmen vom Verbot des Insichgeschäfts:
-
Ausdrückliche Gestattung: Wenn die vertretene Person dem Vertreter oder der Vertreterin das Insichgeschäft ausdrücklich erlaubt hat[1][8].
-
Erfüllung einer Verbindlichkeit: Wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich der Erfüllung einer bereits bestehenden Verpflichtung dient[1][8].
Beispiel: Ein Testamentsvollstrecker überträgt das ihm durch ein Vermächtnis zugewandte Grundstück auf sich selbst[8].
-
Rechtlicher Vorteil: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein Insichgeschäft auch dann zulässig, wenn es für die vertretene Person ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist[8][2].
Beispiel: Eltern, die ihrem Kind ein Geschenk machen.
Insichgeschäfte im Familienkontext
Besonders relevant ist das Thema Insichgeschäft für Eltern als gesetzliche Vertreter ihrer Kinder. Grundsätzlich dürfen Eltern keine Rechtsgeschäfte für sich selbst und gleichzeitig in Vertretung ihres Kindes vornehmen[2].
Zu beachten: Bei Geschenken der Eltern an das Kind ist das Insichgeschäft erlaubt, da das Kind hierbei nur einen Vorteil erlangt. Andersherum - wenn Eltern in Vertretung des Kindes sich selbst etwas schenken - ist das Insichgeschäft jedoch nicht zulässig[2][3].
Lösungsmöglichkeiten bei verbotenen Insichgeschäften zwischen Eltern und Kindern:
- Bestellung eines Ergänzungspflegers durch das Familiengericht
- Entscheidung des Familiengerichts, die die Willenserklärung der Eltern ersetzt[2]
Besondere Bedeutung für rechtliche Betreuung
Für rechtliche Betreuer:innen gilt ein striktes Verbot von Insichgeschäften. Ein Betreuer oder eine Betreuerin darf keine Rechtsgeschäfte zwischen sich selbst und der betreuten Person abschließen[2].
Wichtig: Das Verbot erstreckt sich auch auf Ehegatten, Lebenspartner:innen und Verwandte in gerader Linie des Betreuers oder der Betreuerin[2].
Bei geschäftsfähigen betreuten Personen ist es jedoch möglich, dass die betreute Person persönlich (also nicht vertreten durch den Betreuer oder die Betreuerin) mit ihrem Betreuer oder ihrer Betreuerin ein Rechtsgeschäft abschließt. Dies ist kein Insichgeschäft im Sinne des § 181 BGB, da der Betreuer oder die Betreuerin hier nicht als gesetzliche:r Vertreter:in handelt[2].
Insichgeschäfte in Unternehmensstrukturen
In Unternehmensstrukturen, besonders in Konzernverhältnissen, sind Insichgeschäfte ein häufiges Thema. Ein typisches Beispiel:
Der Geschäftsführer einer Muttergesellschaft möchte sich selbst zum Geschäftsführer der Tochtergesellschaft bestellen. Ohne eine Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts wäre diese Bestellung unwirksam, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat[7].
Um solche Probleme zu vermeiden, können Unternehmen:
Mögliche Folgen unzulässiger Insichgeschäfte
Die Konsequenzen eines verbotenen Insichgeschäfts können weitreichend sein:
Praktische Tipps für den Umgang mit Insichgeschäften
Um rechtssicher zu handeln, können Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
- Lassen Sie sich im Vorfeld beraten, wenn Sie ein Rechtsgeschäft planen, bei dem Sie möglicherweise beide Seiten vertreten.
- Holen Sie eine ausdrückliche Zustimmung der vertretenen Person ein, wenn diese geschäftsfähig ist.
- Lassen Sie sich von der Beschränkung des § 181 BGB befreien - dies kann durch eine entsprechende Klausel in der Vollmacht, im Gesellschaftsvertrag oder im Testament erfolgen[4][8].
- Ziehen Sie eine neutrale dritte Person hinzu, die eine der Parteien vertritt.
- Dokumentieren Sie sorgfältig alle Umstände, die für die Zulässigkeit des Insichgeschäfts sprechen.
Fazit: Vorsicht bei Geschäften "mit sich selbst"
Das Insichgeschäft ist ein komplexes rechtliches Konstrukt, das im Alltag häufiger vorkommt, als viele Menschen denken. Ob als Eltern, Betreuer:innen oder in Unternehmensstrukturen - das Verbot dient dem Schutz der vertretenen Personen vor Interessenskonflikten.
Mit dem richtigen Wissen und entsprechenden Vorkehrungen können Sie rechtlich sicher handeln und mögliche Probleme vermeiden. In Zweifelsfällen empfiehlt sich immer die Konsultation einer juristischen Fachperson, um die konkreten Umstände Ihres Falls zu bewerten.