Was ist indirekte Sterbehilfe?
Indirekte Sterbehilfe bedeutet die Verabreichung schmerzlindernder Medikamente, die als Nebenwirkung den Tod beschleunigen können, wobei das Hauptziel die Leidensminderung ist und nicht die Herbeiführung des Todes. Sie ist in Deutschland rechtlich erlaubt und ethisch akzeptiert, solange sie dem Wohl der Patient:innen dient und deren Willen entspricht. Eine Patientenverfügung kann helfen, die eigenen Wünsche klar zu dokumentieren und Sicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.
Synonym: Indirekte Euthanasie
- Was bedeutet indirekte Sterbehilfe?
- Rechtliche Situation in Deutschland
- Voraussetzungen für die indirekte Sterbehilfe
- Praktische Beispiele aus dem medizinischen Alltag
- Ethische Überlegungen zur indirekten Sterbehilfe
- Handlungsempfehlungen für Sie und Ihre Angehörigen
- Abschließende Gedanken zur indirekten Sterbehilfe
Die indirekte Sterbehilfe stellt eine wichtige Option für schwerkranke Menschen dar, die unter starken Schmerzen leiden. Sie unterscheidet sich wesentlich von anderen Formen der Sterbehilfe und ist in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Dieser Artikel erklärt, was genau indirekte Sterbehilfe bedeutet, wann sie angewendet werden darf, und welche rechtlichen und ethischen Aspekte Sie kennen sollten.
Was bedeutet indirekte Sterbehilfe?
Von indirekter Sterbehilfe sprechen Fachleute, wenn bei unheilbar kranken Patient:innen schmerzlindernde Medikamente verabreicht werden, die als Nebenwirkung möglicherweise den Tod beschleunigen können[2][3]. Der entscheidende Unterschied zu anderen Formen der Sterbehilfe: Das Hauptziel ist nicht das Herbeiführen des Todes, sondern die Linderung von Leiden und Schmerzen[2].
Ein typisches Beispiel: Eine Ärztin oder ein Arzt verabreicht einer schwerkranken Person im Endstadium hohe Dosen Morphium gegen unerträgliche Schmerzen. Diese Medikation kann als Nebenwirkung die Atmung beeinträchtigen und dadurch möglicherweise das Leben verkürzen. Die Fachkraft nimmt diese mögliche Lebensverkürzung in Kauf, beabsichtigt sie aber nicht direkt[5][11].
Abgrenzung zu anderen Formen der Sterbehilfe
Um die indirekte Sterbehilfe besser zu verstehen, hilft ein Blick auf die verschiedenen Formen der Sterbehilfe:
Passive Sterbehilfe: Hierbei werden lebensverlängernde Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder Ernährung unterlassen oder beendet. Die medizinische Grundversorgung und Schmerzbehandlung werden jedoch fortgesetzt[2][3][4]. Diese Form ist in Deutschland erlaubt, wenn sie dem Willen der Patient:innen entspricht.
Aktive Sterbehilfe: Diese bezeichnet die gezielte Tötung auf Wunsch der betroffenen Person, zum Beispiel durch Verabreichung eines tödlichen Medikaments[2][3][4]. Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nach § 216 StGB verboten und wird mit Freiheitsstrafe bestraft.
Beihilfe zur Selbsttötung/Assistierter Suizid: Hier stellt jemand alles Nötige für einen Suizid bereit, die letzte Handlung muss jedoch von der sterbewilligen Person selbst durchgeführt werden[3][12].
Rechtliche Situation in Deutschland
Indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt[2][4][11][12]. Dies geht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1996 zurück[4][11]. Ärzt:innen dürfen also in der Regel durch die Gabe von Medikamenten indirekte Sterbehilfe leisten, ohne strafrechtliche Folgen befürchten zu müssen.
Die gesetzliche Grundlage bildet der § 34 des Arzneimittelgesetzes (AMG)[2]. Dieser erlaubt die Anwendung von Schmerzmitteln und anderen Medikamenten zur Linderung von Symptomen bei schwerkranken und sterbenden Patient:innen, auch wenn dies eine unbeabsichtigte Lebensverkürzung zur Folge haben kann.
Juristisch gibt es verschiedene Begründungen für die Straffreiheit der indirekten Sterbehilfe:
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Nach einer Ansicht liegt kein strafbares Handeln vor, da eine schmerzlindernde Behandlung einen anderen sozialen Sinngehalt hat als eine Tötungshandlung (teleologische Restriktion)[5].
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Nach der vorherrschenden Ansicht, zu der auch der Bundesgerichtshof gehört, ist die Handlung durch § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) gerechtfertigt[5]. Das geschützte Rechtsgut ist dabei der Anspruch auf einen Tod in Würde und ohne Schmerzen, der das Leben in der Sterbephase überwiegt.
Voraussetzungen für die indirekte Sterbehilfe
Damit Ärzt:innen indirekte Sterbehilfe leisten können, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein:
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Die Medikamente müssen dem Wohl der Patient:innen dienen[2]. Die Schmerzlinderung muss im Vordergrund stehen.
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Die Absicht darf nicht im Herbeiführen des Todes bestehen[2]. Die mögliche Lebensverkürzung wird lediglich in Kauf genommen.
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Eine Willenserklärung oder Patientenverfügung sollte vorliegen[11]. Dies gibt den behandelnden Ärzt:innen Rechtssicherheit.
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Die Behandlung muss dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der Patient:innen entsprechen[5].
Praktische Beispiele aus dem medizinischen Alltag
Um das Konzept der indirekten Sterbehilfe greifbarer zu machen, hier ein konkretes Beispiel:
Eine Person mit einer fortgeschrittenen Krebserkrankung leidet unter starken Schmerzen. Nach ausführlicher Aufklärung verabreicht die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt Morphium in einer hohen Dosierung. Diese Dosierung lindert die Schmerzen wirksam, kann aber als Nebenwirkung die Atmung verlangsamen und dadurch möglicherweise den Tod beschleunigen[5]. Die Ärztin oder der Arzt handelt hier mit dem primären Ziel der Schmerzlinderung - nicht, um den Tod herbeizuführen.
Es ist wichtig zu verstehen: Bei der indirekten Sterbehilfe steht immer die Leidensminderung im Vordergrund. Die mögliche Lebensverkürzung ist eine in Kauf genommene, aber nicht beabsichtigte Nebenfolge der Behandlung.
Ethische Überlegungen zur indirekten Sterbehilfe
Aus ethischer Sicht wird die indirekte Sterbehilfe weitgehend akzeptiert, da sie dem Prinzip folgt, Leiden zu lindern - einem Grundprinzip der Medizin.
Interessanterweise gibt es unter Mediziner:innen eine Diskussion, ob es durch fachgerecht durchgeführte palliativmedizinische Maßnahmen überhaupt zu einer tatsächlichen Lebensverkürzung kommt[12]. Manche Fachleute betrachten die Unterscheidung der indirekten Sterbehilfe als hauptsächlich theoretisches Konstrukt[12].
Befürworter:innen argumentieren, dass die Schmerzlinderung und der Erhalt der Lebensqualität in der letzten Lebensphase wichtige medizinische Ziele sind. Die mögliche Lebensverkürzung wird als ethisch vertretbar angesehen, wenn dadurch unerträgliches Leiden gelindert werden kann.
Handlungsempfehlungen für Sie und Ihre Angehörigen
Wenn Sie sich mit dem Thema Sterbehilfe auseinandersetzen, sei es für sich selbst oder für Angehörige, können folgende Empfehlungen hilfreich sein:
Erstellen Sie eine Patientenverfügung: Legen Sie darin fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen. Sie können auch Ihre Haltung zur Schmerztherapie und zu palliativen Maßnahmen dokumentieren.
Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen: Teilen Sie Ihre Wünsche und Vorstellungen mit. Dies gibt allen Beteiligten mehr Sicherheit in schwierigen Entscheidungssituationen.
Beraten Sie sich mit medizinischem Fachpersonal: Ärzt:innen und Pflegefachkräfte können Ihnen helfen, die verschiedenen Optionen zu verstehen und eine informierte Entscheidung zu treffen.
Informieren Sie sich über palliative Versorgungsmöglichkeiten: Die Palliativmedizin bietet viele Möglichkeiten, Schmerzen und andere belastende Symptome zu lindern.
Abschließende Gedanken zur indirekten Sterbehilfe
Die indirekte Sterbehilfe stellt eine wichtige Option dar, um schwerkranken Menschen ein würdevolles Leben bis zum Ende zu ermöglichen. Sie ist rechtlich zulässig und ethisch weitgehend akzeptiert, da sie dem Grundsatz folgt, Leiden zu lindern.
Die Entscheidung für oder gegen bestimmte medizinische Maßnahmen am Lebensende bleibt immer eine sehr persönliche. Daher ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und Ihre Wünsche in einer Patientenverfügung festzuhalten.
Denken Sie daran: Auch in schwierigen Lebensphasen haben Sie das Recht auf Selbstbestimmung und eine angemessene Behandlung, die Ihre Würde wahrt und Ihr Leiden lindert.