Was ist das Gattungsvermächtnis?

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Zusammenfassung

Ein Gattungs­vermächtnis erlaubt Ihnen, im Testament nur die Art eines Gegenstands zu bestimmen, statt ein konkret benanntes Objekt festzulegen, sodass Erbe und Begünstigte später gemeinsam oder in festgelegter Zuständigkeit einen passenden Gegenstand auswählen. Dabei muss das gewählte Objekt zu den Lebens­verhältnissen der Empfänger:innen passen, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Bei der Nachlassplanung steht Ihnen eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine davon ist das Gattungs­vermächtnis - eine besondere Form der testamentarischen Zuwendung, die mehr Flexibilität bietet als klassische Vermächtnisse. Dieser Artikel erklärt Ihnen, was ein Gattungs­vermächtnis ist, wie es funktioniert und wann es für Sie sinnvoll sein könnte.

Was ist ein Gattungsvermächtnis?

Ein Gattungs­vermächtnis ist eine Art des Vermächtnisses, bei dem der Erblasser (also die Person, die das Testament verfasst) den zugewendeten Gegenstand nicht konkret bestimmt, sondern lediglich seine Art bzw. Gattung festlegt[2][8].

Beispiel: Wenn Sie in Ihrem Testament formulieren “Meinem Neffen vermache ich einen Schrank”, ohne zu präzisieren, welchen Schrank genau, handelt es sich um ein Gattungs­vermächtnis[2].

Anders als bei einem normalen Vermächtnis, wo ein bestimmter Gegenstand zugewendet wird (z.B. “Mein Klavier der Marke XY”), wird beim Gattungs­vermächtnis nur die Art des Gegenstandes beschrieben[10].

Gesetzliche Grundlage des Gattungsvermächtnisses

Die rechtliche Basis für das Gattungs­vermächtnis bildet § 2155 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)[3][13]. Darin heißt es:

“(1) Hat der Erblasser die vermachte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so ist eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache zu leisten.”[3]

Wichtig zu verstehen: Bei einem Gattungs­vermächtnis ist nicht einfach eine Sache mittlerer Art und Güte zu leisten, sondern eine, die speziell den persönlichen Verhältnissen des Bedachten entspricht[7].

Wie funktioniert ein Gattungsvermächtnis in der Praxis?

Bei einem Gattungs­vermächtnis erhalten die Begünstigten einen Anspruch auf einen Gegenstand der bezeichneten Gattung. Der zugewendete Gegenstand muss dabei nicht unbedingt zum Nachlass gehören - falls nötig, muss der Erbe ihn sogar beschaffen[10].

Wer wählt den konkreten Gegenstand aus?

Der Erblasser kann festlegen, wer die Auswahl des konkreten Gegenstandes treffen soll[2][7]:

  • Der Beschwerte (also die erbe­berechtigte Person)
  • Der Bedachte (also die vermächtnis­berechtigte Person)
  • Eine dritte Person

Trifft der Erblasser keine Regelung zur Auswahl, hat in der Regel der Beschwerte (Erbe) das Bestimmungsrecht[7].

Die Angemessenheit ist entscheidend

Eine wichtige Besonderheit: Das ausgewählte Objekt muss den Lebens­verhältnissen des Bedachten angemessen sein[2][3].

Beispiel: Wenn Sie Ihrem Enkel “einen Schrank” vermachen und dieser in bescheidenen Verhältnissen lebt, kann er nicht verlangen, einen besonders wertvollen Antik­schrank zu erhalten[2].

Falls die getroffene Auswahl den Verhältnissen des Bedachten “offenbar nicht entspricht”, greift § 2155 Abs. 3 BGB. Dann erfolgt die Leistung so, als hätte der Erblasser keine Anordnung über die Bestimmung getroffen[3].

Typische Beispiele für Gattungs­vermächtnisse

Gattungs­vermächtnisse können verschiedenste Gegenstände betreffen:

  • “Meinem Sohn vermache ich ein Auto”[10]
  • “Meiner Tochter vermache ich 100 Aktien”[10]
  • “Meinem Freund F vermache ich 50 Flaschen aus meiner Wein­sammlung”[7]
  • “Meiner Nichte vermache ich ein Urlaubs­reise”[8]
  • “Meinem Neffen vermache ich ein Grundstück”[8]

Auch Geldbeträge können Gegenstand eines Gattungs­vermächtnisses sein[2].

Unterschied zu anderen Vermächtnisarten

Um das Gattungs­vermächtnis besser zu verstehen, ist ein Vergleich mit anderen Vermächtnisarten hilfreich:

Gattungsvermächtnis vs. Wahlvermächtnis

Beim Wahl­vermächtnis (§ 2154 BGB) werden mehrere konkrete Gegenstände benannt, aus denen der Berechtigte einen auswählen darf[4]. Beispiel: “Mein Begünstigter darf zwischen meinem Audi, meinem BMW oder meinem Mercedes wählen.”

Beim Gattungs­vermächtnis wird dagegen nur die Art des Gegenstands bestimmt[2]. Beispiel: “Mein Begünstigter erhält ein Auto.”

Gattungsvermächtnis vs. Zweckvermächtnis

Beim Zweck­vermächtnis (§ 2156 BGB) bestimmt der Erblasser einen Zweck und überlässt die genaue Ausgestaltung dem Ermessen des Beschwerten oder eines Dritten[5]. Beispiel: “Ich vermache meinem Neffen einen Betrag für seine Ausbildung.”

Vorteile des Gattungsvermächtnisses

Ein Gattungs­vermächtnis bietet verschiedene Vorteile:

  • Flexibilität: Sie müssen sich nicht auf einen konkreten Gegenstand festlegen
  • Zukunfts­sicherheit: Der vermachte Gegenstand muss zum Zeitpunkt der Testament­erstellung noch nicht existieren
  • Anpassungs­fähigkeit: Die Auswahl kann später entsprechend den aktuellen Verhältnissen getroffen werden
  • Vereinfachung: Besonders bei sich ändernden Vermögens­verhältnissen praktisch

Fallstricke und Herausforderungen

Bei der Verwendung eines Gattungs­vermächtnisses sollten Sie einige mögliche Probleme beachten:

  • Unklarheit: Zu vage Beschreibungen können zu Streitigkeiten führen
  • Auslegungs­schwierigkeiten: Was bedeutet “den Verhältnissen des Bedachten entsprechend”?
  • Beschaffungs­pflicht: Der Erbe muss ggf. einen nicht im Nachlass vorhandenen Gegenstand erst beschaffen

Praktische Tipps für die Gestaltung eines Gattungsvermächtnisses

Wenn Sie ein Gattungs­vermächtnis in Ihrem Testament einsetzen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Klare Beschreibung der Gattung: Je präziser Sie die Gattung beschreiben, desto weniger Interpretations­spielraum bleibt
  2. Bestimmungs­recht eindeutig regeln: Legen Sie fest, wer den konkreten Gegenstand auswählen darf
  3. Rahmen­bedingungen definieren: Geben Sie evtl. Wert­grenzen oder Qualitäts­merkmale an
  4. Alternativen vorsehen: Für den Fall, dass die Gattung nicht mehr existiert oder nicht beschafft werden kann
  5. Recht­zeitige Aktualisierung: Überprüfen Sie regelmäßig, ob Ihre Festlegungen noch Ihren Wünschen entsprechen

Fazit

Das Gattungs­vermächtnis ist ein nützliches Instrument zur flexiblen Gestaltung Ihres letzten Willens. Es erlaubt Ihnen, Vermögens­werte zu vermachen, ohne sich auf konkrete Gegenstände festlegen zu müssen. Gleichzeitig erfordert es eine sorgfältige Formulierung, um spätere Unklarheiten zu vermeiden.

Für eine rechtssichere Gestaltung eines Gattungs­vermächtnisses empfiehlt sich die Beratung durch erbrecht­lich spezialisierte Rechts­anwält:innen oder Notar:innen, die Sie bei der konkreten Formulierung unterstützen können.