Was ist das Europäische Nachlass­zeugnis?

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Zusammenfassung

Das Europäische Nachlass­zeugnis ist ein standar­disiertes Dokument, das Erben, Vermächtnis­nehmer:innen, Testaments­vollstrecker:innen und Nachlass­verwalter:innen ihre Rechte bei grenz­überschreitenden Erbfällen innerhalb der EU nachweist. Es erleichtert die Abwicklung von Nachlass­vermögen in anderen EU-Ländern, ist sechs Monate gültig und wird bei deutschen Nachlass­gerichten oder Notar:innen beantragt. Das ENZ ergänzt nationale Erbnachweise wie den deutschen Erbschein und bietet eine EU-weite Anerkennung.

Das Europäische Nachlass­zeugnis (ENZ) ist ein wichtiges amtliches Dokument für alle, die eine Erbschaft mit Bezug zu anderen EU-Ländern regeln müssen. Es dient als einheitlicher Nachweis Ihrer Rechte als Erbe oder Testaments­vollstrecker und spart Zeit, Geld und Nerven bei der Nachlass­abwicklung über Landes­grenzen hinweg.

Grundlegendes zum Europäischen Nachlass­zeugnis

Das Europäische Nachlass­zeugnis wurde durch die EU-Erbrechts­verordnung (Verordnung Nr. 650/2012) eingeführt und gilt für Todes­fälle ab dem 17. August 2015[1]. Es ist ein standar­disiertes Dokument, das in fast allen EU-Mitglied­staaten anerkannt wird - mit Ausnahme von Irland und Dänemark[4].

Anders als der deutsche Erbschein, der nur die Erben­stellung nachweist, können mit dem ENZ auch folgende Rechts­stellungen belegt werden:

Wichtig: Das ENZ ersetzt nicht die nationalen Erbnachweise wie den deutschen Erbschein, sondern ergänzt diese für grenz­überschreitende Fälle[1].

Wann benötigen Sie ein Europäisches Nachlass­zeugnis?

Sie sollten ein ENZ beantragen, wenn:

  • Nachlass­vermögen in einem anderen EU-Land liegt (z.B. eine Ferien­immobilie in Spanien oder ein Bank­konto in Frankreich)[3][15]
  • Der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Wohnsitz in Deutschland hatte, aber Vermögen im EU-Ausland hinterlassen hat[3]
  • Ausländisches Erbrecht anzuwenden ist, aber Nachlass­vermögen in Deutschland liegt[3]

Ein Beispiel: Ihre Mutter hatte neben ihrem Haus in München auch ein Ferienhaus in Italien. Mit dem ENZ können Sie als Erbe:in unkompliziert Ihre Rechte an beiden Immobilien nachweisen, ohne in jedem Land separate Verfahren durchlaufen zu müssen.

Vorteile gegenüber nationalen Erbnachweisen

Das Europäische Nachlass­zeugnis bietet mehrere praktische Vorteile:

  • EU-weite Anerkennung in allen teilnehmenden Mitglied­staaten ohne zusätzliche Verfahren[11]
  • Vermeidung von Mehrfach­anträgen in verschiedenen Ländern[4]
  • Direkte Verwendung für Eintragungen in ausländische Register (z.B. Grundbücher)[1]
  • Breiter Anwendungs­bereich für verschiedene Rechts­stellungen (nicht nur Erben, sondern auch Testaments­vollstrecker etc.)[8]

Ein ENZ ist besonders hilfreich bei der Übertragung von Immobilien, der Auflösung von Bank­konten oder der Regelung anderer Vermögens­werte im EU-Ausland[15].

Unterschiede zum deutschen Erbschein

Wenn Sie die Wahl zwischen einem deutschen Erbschein und einem ENZ haben, sollten Sie folgende Unterschiede kennen:

Europäisches Nachlass­zeugnis Deutscher Erbschein
Befristete Gültigkeit (6 Monate)[8][12] Unbefristete Gültigkeit
Nachweis für verschie­dene Rechts­stellungen[1] Nachweis nur für die Erben­stellung
Anwendbar bei Nachlass mit EU-Auslands­bezug[2] Anwendbar für innerdeutsche Erbfälle
Gutglaubens­wirkung erlischt bereits bei grober Fahrlässigkeit[4] Gutglaubens­wirkung erlischt erst bei positiver Kenntnis der Unrichtigkeit

Wer kann einen Antrag stellen?

Antragsberechtigt für ein Europäisches Nachlass­zeugnis sind:

  • Erben
  • Vermächtnis­nehmer:innen mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass
  • Testaments­vollstrecker:innen
  • Nachlass­verwalter:innen[6][7]

Wichtig zu wissen: Nachlass­gläubiger:innen sind nicht antrags­berechtigt[4].

Wo und wie wird das ENZ beantragt?

Das Europäische Nachlass­zeugnis können Sie bei folgenden Stellen beantragen:

  1. Beim Nachlass­gericht am letzten gewöhnlichen Wohnsitz des Erblassers[6]
  2. Bei einem Notar (allerdings fallen hier höhere Kosten an)[6]

Der Antrag kann in Ihrer Landes­sprache ausgefüllt werden. Da das Dokument in allen EU-Ländern ein einheitliches Standard­formular ist, wird es auch auf Deutsch in anderen Mitglied­staaten anerkannt[6].

Für die Antrag­stellung benötigen Sie folgende Dokumente:

  • Sterbeurkunde des Verstorbenen
  • Personal­ausweis oder Reisepass mit Melde­bescheinigung
  • Testamente, falls vorhanden
  • Personen­stands­urkunden (Geburts-, Heirats-, Sterbe­urkunden), die das Verwandt­schafts­verhältnis belegen
  • Bei mehreren Erben: Nachweis, dass alle die Erbschaft angenommen haben[10]

Praktische Hinweise zur Verwendung

  • Das ENZ ist grundsätzlich sechs Monate gültig, kann aber verlängert werden[8][12]
  • Die Originale werden vom ausstellenden Amt aufbewahrt; Sie erhalten beglaubigte Abschriften[1]
  • Die Verwendung des ENZ ist nicht verpflichtend, aber praktisch für grenz­überschreitende Erbfälle[1]
  • Bei komplexen Fällen kann eine Übersetzung in die Sprache des betreffenden Auslands­staates hilfreich sein[6]

Kosten­hinweis: Wenn Sie bereits einen deutschen Erbschein beantragt haben, werden drei Viertel dieser Kosten auf ein beantragtes ENZ angerechnet[12].

Praxis­tipps für die Beantragung

  • Bereiten Sie alle Unterlagen vollständig vor, um Verzögerungen zu vermeiden
  • Klären Sie im Vorfeld, ob in dem betreffenden EU-Land das ENZ problemlos akzeptiert wird, da die praktische Umsetzung noch nicht überall reibungslos funktioniert[15]
  • Nehmen Sie bei Unsicherheiten Kontakt zum Nachlass­gericht auf, um zu klären, welche Urkunden im Einzelfall erforderlich sind[10]
  • Überlegen Sie, ob Sie zusätzlich zum Europäischen Nachlass­zeugnis auch einen deutschen Erbschein benötigen

Die Verwendung des Europäischen Nachlass­zeugnisses kann die Abwicklung eines Erbfalls mit Auslands­bezug deutlich vereinfachen und beschleunigen. Es hilft Ihnen, Ihre Rechte als Erbe:in oder Testaments­vollstrecker:in in anderen EU-Ländern ohne umständliche Mehrfach­prozesse nachzuweisen.