Was ist eine Erbverzichtserklärung?

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Zusammenfassung

Eine Erb­ver­zichts­er­klä­rung ist ein notariell beurkundeter Vertrag, bei dem eine erb­be­rech­tigte Person zu Lebzeiten des Erblassers auf ihr gesetzliches Erbrecht oder den Pflichtteil verzichtet. Sie ermöglicht eine individuelle Nach­lass­pla­nung, vermeidet potenzielle Erb­strei­tig­keiten und wird oft gegen eine Abfindung abgeschlossen. Der Verzicht ist bindend und hat weitreichende rechtliche und finanzielle Konsequenzen, weshalb eine fachkundige Beratung unerlässlich ist.

Die Erb­ver­zichts­er­klä­rung ist ein rechtlich bindender Vertrag, bei dem eine erb­be­rech­tigte Person zu Lebzeiten des Erblassers auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet. Diese Person wird dadurch so behandelt, als würde sie zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr leben. In der Praxis spielt der Erb­ver­zicht eine wichtige Rolle für die Nach­lass­pla­nung und hilft, potenzielle Erb­strei­tig­keiten zu vermeiden. Oft erfolgt ein solcher Verzicht gegen eine finanzielle Abfindung oder als Teil einer umfassenden Vermö­gens­nach­folge, besonders bei Fami­li­en­un­ter­nehmen oder komplexen Vermö­gens­ver­hält­nissen.

Rechtliche Grundlagen des Erb­ver­zichts

Die Erb­ver­zichts­er­klä­rung basiert auf § 2346 BGB, wonach Verwandte sowie Ehe­part­ner:innen des Erblassers durch einen Vertrag auf ihr künftiges gesetzliches Erbrecht verzichten können[19]. Ein solcher Vertrag muss notariell beurkundet werden, um rechtlich wirksam zu sein[3][10].

Rechtliche Merkmale des Erb­ver­zichts:

  • Es handelt sich um einen zweiseitigen Vertrag zwischen dem Erblasser und der ver­zich­tenden Person[9]
  • Der Erblasser muss persönlich anwesend sein, die ver­zich­tende Person kann sich vertreten lassen[3][9]
  • Die Erklärung kann nicht einseitig widerrufen werden und ist für beide Parteien bindend[2]
  • Der Verzicht kann sich auf das gesamte Erbe oder nur auf den Pflichtteil beziehen[9][10]

Anders als oft angenommen, bezieht sich der Erb­ver­zicht nicht nur auf die gesetzliche Erbfolge, sondern auch auf das Pflicht­teils­recht - sofern keine anderen Regelungen vereinbart werden[2][3]. Dies bedeutet, dass die ver­zich­tende Person nach dem Tod des Erblassers keinen Anspruch mehr auf den Pflichtteil hat.

Unterschied zwischen Erb­ver­zicht und Erb­aus­schla­gung

Viele Menschen verwechseln den Erb­ver­zicht mit der Erb­aus­schla­gung. Es handelt sich jedoch um zwei verschiedene rechtliche Vorgänge[17][19]:

Merkmal Erb­ver­zicht Erb­aus­schla­gung
Zeitpunkt Zu Lebzeiten des Erblassers Nach dem Tod des Erblassers
Form Notarielle Beurkundung erforderlich Erklärung gegenüber dem Nach­lass­ge­richt
Gegenleistung Häufig mit Abfindung verbunden Keine Gegenleistung
Rechtswirkung Ausschluss von der Erbfolge vor dem Erbfall Ausschluss nach Eintreten des Erbfalls

Der Erb­ver­zicht ist Teil der vorweg­ge­nom­menen Erbfolge und ermöglicht es dem Erblasser, seine Nach­lass­ver­tei­lung bereits zu Lebzeiten nach seinen Vorstellungen zu regeln[17]. Die Erb­aus­schla­gung hingegen tritt erst nach dem Tod ein und wird einseitig vom Erben erklärt.

Typische Anwendungs­fälle für einen Erb­ver­zicht

Ein Erb­ver­zicht kann in verschiedenen Situationen sinnvoll sein[5][7][17]:

Erhalt von Fami­li­en­un­ter­nehmen

Praxis­bei­spiel: Ein Unternehmer hat drei Kinder, möchte aber, dass nur eines davon den Betrieb übernimmt. Um den Bestand des Unternehmens zu sichern, vereinbart er mit den anderen beiden Kindern einen Erb­ver­zicht gegen eine angemessene Abfindung. So ist gewährleistet, dass das Unternehmen nicht zersplittert wird und dennoch alle Kinder angemessen bedacht werden[17].

Entlastung des über­le­benden Ehe­part­ners

Bei einem “Berliner Testament”, bei dem sich Ehe­part­ner:innen gegenseitig als Allein­er­ben einsetzen, haben die gemeinsamen Kinder beim Tod des ersten Elternteils einen Pflicht­teils­an­spruch. Um zu vermeiden, dass der über­le­bende Ehepartner diesen Pflichtteil auszahlen muss, wird oft ein Pflicht­teils­ver­zicht vereinbart. Die Kinder werden dann zu Schluss­er­ben des zuletzt versterbenden Elternteils eingesetzt[17].

Bereits erhaltene Zuwendungen

Wenn ein Kind bereits zu Lebzeiten größere Geld- oder Sach­zu­wen­dungen erhalten hat (z.B. Finanzierung eines Studiums, Unterstützung beim Hausbau), kann ein Erb­ver­zicht für Aus­gleichs­ge­rech­tig­keit sorgen[3][7].

Vermeidung von Erb­strei­tig­keiten

Ein Erb­ver­zicht kann helfen, späteren Streit unter den Erben zu verhindern, indem klare Verhältnisse geschaffen werden[5][19].

Rechtliche Auswirkungen eines Erb­ver­zichts

Die Folgen eines wirksam erklärten Erb­ver­zichts sind weitreichend:

  • Die ver­zich­tende Person wird so behandelt, als ob sie zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr leben würde[2][10]
  • Der Verzicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Ab­kömm­linge (Kinder, Enkel) der ver­zich­tenden Person, sofern nichts anderes vereinbart wurde[10]
  • Bei einem vollständigen Erb­ver­zicht verliert die ver­zich­tende Person sowohl ihr gesetzliches Erbrecht als auch ihren Pflicht­teils­an­spruch[3]
  • Bei einem auf den Pflichtteil beschränkten Verzicht bleibt das gesetzliche Erbrecht bestehen, nur der Pflicht­teils­an­spruch entfällt[9]

Wichtig: Ein einmal erklärter Erb­ver­zicht kann vor dem Erbfall nicht mehr einseitig widerrufen werden. Er ist für beide Vertrags­par­teien bindend[2].

Vor- und Nachteile eines Erb­ver­zichts

Vorteile für den Erblasser:

  • Pla­nungs­si­cher­heit: Der Erblasser kann seinen Nachlass nach eigenen Vorstellungen regeln, ohne durch gesetzliche Erb- und Pflicht­teils­rechte eingeschränkt zu sein[7][10]
  • Nach­fol­ge­pla­nung: Besonders bei Unternehmen und land­wirt­schaft­lichen Betrieben kann die Nachfolge klar geregelt werden[17]
  • Kon­flikt­ver­mei­dung: Potenzieller Streit zwischen Erben kann vermieden werden[5]

Vorteile für die ver­zich­tende Person:

  • Sofortiger Vermö­gens­zu­fluss: In der Regel erhält die ver­zich­tende Person eine Abfindung, die sofort genutzt werden kann[7][17]
  • Pla­nungs­si­cher­heit: Keine Unsicherheit über den Zeitpunkt und die Höhe des Erbes[7]
  • Ver­mei­dung von Ver­bind­lich­keiten: Bei überschuldeten Nachlässen kann ein Erb­ver­zicht vorteilhaft sein[5]

Nachteile und Risiken:

  • Un­wi­der­ruf­lich­keit: Die Entscheidung ist endgültig und kann nicht einseitig rückgängig gemacht werden[2]
  • Wert­ent­wick­lung: Die ver­zich­tende Person profitiert nicht von einer möglichen Wert­stei­ge­rung des Nachlasses[5]
  • Steuer­nach­teile: Je nach individueller Situation können steuerliche Nachteile entstehen[5]

Praktische Hinweise zur Gestaltung eines Erb­ver­zichts

Wenn Sie einen Erb­ver­zicht in Betracht ziehen, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Bestandsaufnahme des Vermögens: Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller Vermö­gens­werte und Ver­bind­lich­keiten[5]

  2. Fachkundige Beratung: Lassen Sie sich vor Abschluss eines Erb­ver­zichts­ver­trags unbedingt notariell und steuerlich beraten[9]

  3. Klare Vereinbarungen: Legen Sie genau fest, ob der Verzicht vollständig sein soll oder nur den Pflichtteil betrifft[9][10]

  4. Angemessene Abfindung: Die Höhe der Abfindung sollte in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Erbes stehen[7]

  5. Aus­wir­kungen auf Ab­kömm­linge: Bedenken Sie, dass sich der Verzicht grundsätzlich auch auf Ihre Kinder erstreckt, sofern nichts anderes vereinbart wird[10]

Ein Erb­ver­zicht sollte nie überstürzt erklärt werden. Die Entscheidung hat lang­fris­tige Auswirkungen und sollte gut durchdacht sein. Beide Seiten - Erblasser und ver­zich­tende Person - müssen die Konsequenzen verstehen.

Fazit: Wann ist ein Erb­ver­zicht sinnvoll?

Die Erb­ver­zichts­er­klä­rung ist ein mächtiges Instrument der Nach­lass­pla­nung mit weitreichenden Folgen. Sie kann in vielen Situationen hilfreich sein, besonders wenn es um den Erhalt von Unternehmen, die Ausgleichsgerechtigkeit zwischen Erben oder den Schutz des über­le­benden Ehe­part­ners geht. Gleichzeitig ist sie eine schwerwiegende Entscheidung, die nicht rückgängig gemacht werden kann.

Sowohl für den Erblasser als auch für die ver­zich­tende Person ist eine umfassende rechtliche und steuerliche Beratung unerlässlich. Der Erb­ver­zicht muss notariell beurkundet werden und sollte klar festlegen, ob er vollständig ist oder nur den Pflichtteil betrifft. Wenn dies beachtet wird, kann ein Erb­ver­zicht dazu beitragen, den Familienfrieden zu wahren und klare Verhältnisse für alle Beteiligten zu schaffen.