Was ist Erbschaftssteuer?

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Zusammenfassung

Die Erbschaftssteuer in Deutschland ist eine Steuer, die beim Erwerb von Vermögenswerten durch Erbschaft anfällt und sich nach dem Verwandtschaftsgrad sowie dem Wert des Erbes richtet. Es gibt persönliche Freibeträge, die je nach Beziehung zum Erblasser variieren, und Möglichkeiten wie Schenkungen zu Lebzeiten oder eine kluge Testamentsgestaltung, um die Steuerlast zu reduzieren. Eine frühzeitige Planung und professionelle Beratung sind entscheidend, um steuerliche Vorteile optimal zu nutzen.

Die Erbschaftssteuer betrifft viele Menschen in Deutschland, wenn sie ein Erbe erhalten oder ihre Vermögens­nach­folge planen. Dieser Artikel erklärt alle wichtigen Aspekte rund um die Erbschaftssteuer und gibt praktische Hinweise zur steuer­opti­mierten Vermögens­über­tragung.

Was ist Erbschaftssteuer?

Die Erbschaftssteuer in Deutschland ist eine Steuer, die beim Erwerb von Vermögens­werten durch Erbschaft anfällt. Sie wird vom Erben bezahlt und richtet sich nach dem Wert des erhaltenen Vermögens sowie dem Verwandt­schafts­verhältnis zum Erblasser. Das Steuer­auf­kommen steht den Bundes­ländern zu, während die gesetzlichen Grundlagen im Erbschaft­steuer- und Schen­kungs­steuer­gesetz (ErbStG) geregelt sind[3].

Die Erb­schaft­steuer ist eine:

  • direkte Steuer, bei der Steuer­schuldner und Steuer­träger identisch sind
  • Personen­steuer, die sich an der wirtschaft­lichen Leistungs­fähigkeit des Steuer­pflichtigen orientiert
  • einmalige Steuer, die zu einem bestimmten Zeitpunkt (Todestag) entsteht[3]

Wichtig zu wissen: Die Erbschaft­steuer und die Schen­kungs­steuer sind eng miteinander verbunden. Die Schen­kungs­steuer wird bei unent­gelt­lichen Zuwendungen unter Lebenden erhoben und folgt den gleichen Regeln wie die Erbschaft­steuer[3].

Wer ist steuer­pflichtig?

Grund­sätzlich sind Erbschaften oder Schenkungen steuer­pflichtig, wenn mindestens eine der beteiligten Personen (Erblasser/Schenker oder Erbe/Beschenkter) ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhn­lichen Aufenthalt in Deutschland hat[9].

Bei der steuer­lichen Pflicht unterscheidet man zwischen:

  1. Unbe­schränkter Steuer­pflicht: Wenn Erblasser oder Erbe zum Zeit­punkt des Todes in Deutschland ansässig sind. Hier wird das gesamte welt­weite Vermögen besteuert[3][7].

  2. Be­schränkter Steuer­pflicht: Wenn weder Erblasser noch Erbe in Deutschland ansässig sind. Hier wird nur das sogenannte Inlands­vermögen besteuert (z.B. Immobilien in Deutschland oder Unternehmens­anteile von mehr als 10% an deutschen Firmen)[3][7][9].

Steuer­klassen und Frei­beträge

Die Höhe der Erbschaft­steuer hängt maß­geblich vom Verwandt­schafts­grad zwischen Erblasser und Erbe ab. Je enger die Verwandt­schaft, desto günstiger die steuer­liche Behandlung.

Die drei Steuer­klassen:

Steuer­klasse I:

  • Ehe­partner und eingetragene Lebens­partner
  • Kinder und Stief­kinder
  • Enkel und Urenkel
  • Eltern und Groß­eltern (bei Erwerb von Todes wegen)[1][10]

Steuer­klasse II:

  • Geschwister und deren Kinder
  • Stief­eltern, Schwieger­kinder und Schwieger­eltern
  • Geschiedene Ehe­gatten und getrennte Lebens­partner[1][10]

Steuer­klasse III:

  • Alle anderen Erben (z.B. Freunde, Lebens­partner ohne eingetragene Lebens­partner­schaft)[1][10]

Persönliche Frei­beträge:

Die folgenden Frei­beträge können bei jeder Erbschaft in Anspruch genommen werden:

Verhältnis zum Erblasser Freibetrag Steuerklasse
Ehepartner und eingetragene Lebenspartner 500.000 Euro I
Kinder und Stiefkinder 400.000 Euro I
Enkel, deren Eltern verstorben sind 400.000 Euro I
Enkel, deren Eltern noch leben 200.000 Euro I
Urenkel, Eltern und Großeltern 100.000 Euro I
Geschwister und deren Kinder 20.000 Euro II
Alle anderen Erben 20.000 Euro III

Quelle: § 15 ErbStG, 16 ErbStG (Stand: Januar 2025)[1]

Besonderheit für Ehepartner: Zusätzlich zum Freibetrag von 500.000 Euro steht Ehe­partnern ein Ver­sor­gungs­frei­betrag von 256.000 Euro zu[11].

Berechnung der Erbschaft­steuer

Die Erbschaft­steuer wird auf den Wert berechnet, der den jeweiligen persönlichen Freibetrag über­steigt. Der anzuwendende Steuer­satz hängt von der Steuer­klasse und der Höhe des steuer­pflichtigen Erwerbs ab.

Steuer­sätze nach Steuer­klassen:

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III
bis 75.000 Euro 7 % 15 % 30 %
bis 300.000 Euro 11 % 20 % 30 %
bis 600.000 Euro 15 % 25 % 30 %
bis 6 Millionen Euro 19 % 30 % 30 %
bis 13 Millionen Euro 23 % 35 % 50 %
bis 26 Millionen Euro 27 % 40 % 50 %
über 26 Millionen Euro 30 % 43 % 50 %

Quelle: § 19 ErbStG (Stand: Januar 2025)[1]

Praktisches Beispiel:
Wenn ein Kind von seinen Eltern 500.000 Euro erbt, beträgt der persönliche Freibetrag 400.000 Euro. Der steuer­pflichtige Erwerb beläuft sich somit auf 100.000 Euro. Darauf wird ein Steuer­satz von 11% angewendet (Steuer­klasse I, Wert bis 300.000 Euro). Die zu zahlende Erbschaft­steuer beträgt demnach 11.000 Euro[10].

Härte­ausgleich bei Grenz­beträgen

Um steuerliche Härten zu vermeiden, gibt es einen Härte­ausgleich für Fälle, in denen die Grenze eines Steuer­satzes knapp über­schritten wird. Ohne diese Regelung könnte es passieren, dass ein minimal höheres Erbe nach Steuern zu einem nied­rigeren Netto­betrag führt.

Beispiel für Härtefall:
Bei einem steuer­pflichtigen Erwerb von genau 300.000 Euro in Steuer­klasse I fällt ein Steuer­satz von 11% an, also 33.000 Euro Steuer. Bei 301.000 Euro würde ohne Härte­ausgleich der Steuer­satz auf 15% steigen, was 45.150 Euro Steuer bedeuten würde. Dank des Härte­ausgleichs beträgt die Steuer in diesem Fall nur 33.500 Euro[1].

Steuerliche Besonder­heiten bei bestimmten Vermögens­arten

Für manche Vermögens­arten gelten besondere Regelungen bei der Erbschaft­steuer:

Immobilien

Selbstgenutzte Immobilien: Wenn Kinder die selbstgenutzte Immobilie ihrer Eltern erben und selbst einziehen, kann diese unter bestimmten Voraus­setzungen komplett steuerfrei sein:

  • Die Wohn­fläche darf maximal 200 m² betragen
  • Der Einzug muss innerhalb von 6 Monaten nach dem Erbfall erfolgen
  • Die Immobilie muss für mindestens 10 Jahre als Erst­wohn­sitz genutzt werden[14]

Falls diese Bedingungen nicht erfüllt werden können, ist eine frühzeitige Schenkung oft sinnvoll, da hier dieselben Frei­beträge wie bei der Erbschaft gelten und diese alle 10 Jahre neu genutzt werden können[14].

Betriebs­vermögen

Für Unter­nehmens­vermögen gibt es steuerliche Vergünstigungen, wenn Arbeits­plätze erhalten bleiben. Nach einem Urteil des Bundes­verfassungs­gerichts mussten diese Regelungen allerdings angepasst werden, da sie gegen den Gleichheits­grundsatz verstießen[3][11].

Legale Möglich­keiten zur Reduktion der Erbschaft­steuer

Es gibt mehrere legale Wege, die Steuer­belastung bei einer Erbschaft zu verringern:

1. Schenkungen zu Lebzeiten

Eine der effektivsten Strategien ist die Über­tragung von Vermögen zu Lebzeiten durch Schenkungen, auch “vorweg­genommene Erbfolge” genannt. Dabei können die persönlichen Frei­beträge alle 10 Jahre neu genutzt werden[4][12].

Praktisches Beispiel:
Ein Vater möchte seiner Tochter ein Haus im Wert von 800.000 Euro übertragen. Statt es zu vererben, schenkt er zunächst einen Teil im Wert von 400.000 Euro (= Freibetrag für Kinder). Nach 10 Jahren überträgt er den restlichen Teil - ebenfalls steuerfrei. Bei einer Vererbung des gesamten Hauses hätte die Tochter für den Betrag über den Frei­betrag hinaus (400.000 Euro) 15% Steuer zahlen müssen, also 60.000 Euro[12].

2. Optimale Testaments­gestaltung

Die richtige Gestaltung des Testaments kann ebenfalls zur Steuer­ersparnis beitragen. Dabei sollte beachtet werden, dass das beliebte “Berliner Testament”, bei dem zunächst der überlebende Partner erbt und erst nach dessen Tod die Kinder, steuerlich oft ungünstig ist[6].

3. Nutzung aller verfügbaren Frei­beträge

Durch geschickte Vermögens­verteilung können mehrere Frei­beträge verschiedener Personen genutzt werden. So kann ein Vermögen auf mehrere Erben aufgeteilt werden, sodass jeder den entsprechenden Frei­betrag nutzen kann[6].

Erbschaft­steuer­verfahren und -erklärung

Anzeige­pflicht

Wer in Deutschland erbt, muss die Erbschaft grund­sätzlich innerhalb von drei Monaten beim Finanz­amt anzeigen. Bei notariell beurkundeten Testamenten entfällt diese Pflicht meist, es sei denn, zum Nachlass gehören Immobilien, Betriebs­vermögen oder bestimmte Unter­nehmens­beteiligungen[13].

Erbschaft­steuer­erklärung

Wenn das Finanz­amt von einer steuer­pflichtigen Erbschaft ausgeht, fordert es zur Abgabe einer Erbschaft­steuer­erklärung auf. Bei verspäteter oder fehlender Einreichung drohen Ver­spätungs­zuschläge und ggf. sogar Strafen wegen Steuer­verkürzung[13].

Nach § 20 Abs. 3 ErbStG haftet der Nachlass bis zur Auseinander­setzung für die Steuer aller am Erbfall Beteiligten[7].

Praxis­tipps für steuer­optimiertes Vererben

  1. Früh­zeitige Planung: Je früher Sie mit der Nachlass­planung beginnen, desto mehr steuerliche Gestaltungs­möglich­keiten haben Sie.

  2. Nutzung der 10-Jahres-Frist: Durch regelmäßige Schenkungen alle 10 Jahre können erhebliche Vermögens­werte steuerfrei übertragen werden.

  3. Profes­sionelle Beratung in Anspruch nehmen: Eine spezialisierte Steuer­beratung kann individuelle Strategien zur Steuer­optimierung entwickeln.

  4. Immobilien­übertragung klug gestalten: Bei selbst­genutzten Immobilien prüfen, ob eine Schenkung zu Lebzeiten oder die steuerfreie Nutzung durch Kinder nach dem Erbfall günstiger ist.

  5. Testament oder Erbvertrag sorgfältig gestalten: Eine durch­dachte testamentarische Regelung kann die Steuer­belastung deutlich reduzieren.

Fazit

Die Erbschaft­steuer kann je nach Höhe des Vermögens und Verwandt­schafts­grad erheblich sein. Mit frühzeitiger Planung und klugen Strategien lässt sich die steuerliche Belastung jedoch legal reduzieren. Berück­sichtigen Sie dabei immer, dass neben der Steuer­optimierung auch andere Aspekte wie die eigene finanzielle Absicherung und der Familien­frieden wichtig sind.

Da sich steuerliche Regelungen ändern können, empfiehlt sich eine regel­mäßige Über­prüfung Ihrer Nachlass­planung mit fach­kundiger Unter­stützung.