Was ist eine Erbengemeinschaft?

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Zusammenfassung

Eine Erben­gemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen gemeinsam einen Nachlass erben, wobei alle Mit­erben gemeinschaftlich über das gesamte Vermögen verfügen. Entscheidungen müssen entweder einstimmig oder mehrheits­basiert getroffen werden, was oft zu Konflikten führt. Die Gemeinschaft wird durch Einigung, Verkauf des Erbteils oder gerichtliche Auseinander­setzung aufgelöst, wobei fachliche Beratung und klare Kommunikation hilfreich sind.

Eine Erben­gemeinschaft betrifft viele Menschen nach dem Tod eines Angehörigen - und doch wissen die wenigsten, was sie genau bedeutet und welche Folgen sie hat. Wenn mehrere Personen gemeinsam erben, entsteht automatisch eine rechtliche Gemeinschaft mit speziellen Regeln. Der folgende Artikel erklärt Ihnen, was eine Erben­gemeinschaft ist, wie sie entsteht und welche Rechte und Pflichten Sie als Mit­erbe haben.

Was ist eine Erben­gemeinschaft?

Eine Erben­gemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen gemeinsam den Nachlass eines Verstorbenen erben. Nach deutschem Recht (§ 2032 BGB) wird der Nachlass automatisch gemein­schaftliches Vermögen aller Erb­berechtigten[1][3]. Die einzelnen Personen werden als Mit­erben bezeichnet.

Rechtlich gesehen ist die Erben­gemeinschaft eine sogenannte Gesamt­hands­gemeinschaft. Das bedeutet im Klartext:

Allen gehört alles gemeinsam[2][5]. Kein Nachlassgegenstand gehört einem Mit­erbe alleine, sondern jeder Mit­erbe ist Eigentümer:in des ganzen Nachlasses[5]. Dies unterscheidet die Erben­gemeinschaft von einer Bruchteils­gemeinschaft, bei der jede Person einen ideellen Anteil an jedem einzelnen Gegenstand hätte[5].

Eine Erben­gemeinschaft ist grundsätzlich auf ihre Auflösung ausgerichtet[5]. Sie soll nur vorübergehend bestehen, bis der Nachlass unter den Erb­berechtigten aufgeteilt ist.

Wie entsteht eine Erben­gemeinschaft?

Eine Erben­gemeinschaft entsteht automatisch und unabhängig vom Willen der Beteiligten[8]. Sie bildet sich, wenn:

  1. Mehrere gesetzliche Erben vorhanden sind (z.B. wenn der Verstorbene mehrere Kinder hat)[1]
  2. Der Verstorbene per Testament oder Erbvertrag mehrere Erben eingesetzt hat[4]

Die Mit­erben­schaft kann nicht abgelehnt werden - außer durch Ausschlagung der gesamten Erbschaft[8]. Allerdings ist niemand gezwungen, in der Gemeinschaft zu bleiben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aus einer Erben­gemeinschaft auszuscheiden, etwa durch Verkauf des eigenen Erbteils.

Beispiel:

Verstirbt ein Elternteil ohne Testament, bilden in der Regel der überlebende Ehepartner und die gemeinsamen Kinder eine Erben­gemeinschaft. Die Kinder erben dabei immer zu gleichen Teilen[4].

Zusammen­setzung der Erben­gemeinschaft

Zur Erben­gemeinschaft gehören alle gesetzlichen oder testamentarisch bestimmten Erben[4]. Dies können sein:

  • Ehepartner:innen
  • Kinder und Enkel­kinder
  • Eltern und Geschwister
  • Entferntere Verwandte
  • Testamentarisch eingesetzte nicht­verwandte Personen
  • Organisationen oder Vereine[4]

Wichtig: Pflichtteils­berechtigte gehören nicht zur Erben­gemeinschaft[4]. Wer nur einen Pflichtteil erhält (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils), ist kein Mit­erbe und hat weder die entsprechenden Rechte noch Pflichten.

Rechte und Pflichten in der Erben­gemeinschaft

Als Mit­erbe haben Sie bestimmte Rechte und Pflichten, die gesetzlich geregelt sind:

Ihre Rechte als Mit­erbe:

  • Auskunfts­recht: Sie dürfen alle Informationen zum Nachlass einsehen[5]
  • Mitverwaltungs­recht: Sie sind an allen Entscheidungen zur Verwaltung des Nachlasses zu beteiligen[5]
  • Erbteil: Ihnen steht ein bestimmter Anteil am Gesamt­nachlass zu (z.B. die Hälfte oder ein Drittel)[2]
  • Verkaufs­recht: Sie können Ihren Erbteil (nicht einzelne Nachlassgegenstände) verkaufen[5]

Ihre Pflichten als Mit­erbe:

  • Gemeinsame Verwaltung: Sie müssen den Nachlass gemeinschaftlich verwalten[1]
  • Nachlassabwicklung: Sie sind mit­verantwortlich für die Ermittlung des Nachlasses, Beantragung des Erbscheins, Begleichung von Schulden und Abgabe der Erbschaftsteuer­erklärung[1]
  • Mitwirkungs­pflicht: Sie müssen an Entscheidungen mitwirken und dürfen diese nicht blockieren[5]

Entscheidungs­findung in der Erben­gemeinschaft

Ein zentraler Punkt, der häufig zu Konflikten führt, ist die Art der Entscheidungs­findung:

  • Verfügungen über Nachlassgegenstände (z.B. Verkauf eines Hauses): Hier ist Einstimmigkeit erforderlich[2][3]. Jeder Mit­erbe muss zustimmen.

  • Gewöhnliche Verwaltungs­maßnahmen (z.B. Reparaturen): Hier genügt die Mehrheit der Erbquoten[2].

Diese Regelung gibt auch Mit­erben mit sehr kleinen Erbquoten ein gewisses Blockade­potenzial[2], was in der Praxis oft zu Schwierig­keiten führt.

Besondere Herausforderungen bei Immobilien

Besonders komplex wird die Situation, wenn zum Nachlass eine Immobilie gehört:

  • Die Immobilie kann ohne Zustimmung aller Mit­erben nicht verkauft werden
  • Entscheidungen über Renovierungen, Vermietung oder Nutzung müssen gemeinsam getroffen werden
  • Die laufenden Kosten müssen von allen Mit­erben entsprechend ihrer Erbquote getragen werden

Beispiel:

Drei Geschwister erben gemeinsam das Elternhaus. Eines möchte darin wohnen, eines möchte es verkaufen und das dritte möchte es vermieten. Ohne Einigung kann keine dieser Optionen umgesetzt werden.

Auflösung der Erben­gemeinschaft

Da die Erben­gemeinschaft als vorübergehender Zustand gedacht ist, gibt es verschiedene Wege zu ihrer Auflösung:

1. Einver­nehmliche Auseinander­setzung

Die Mit­erben einigen sich darauf, wer welche Nachlassgegenstände erhält und wie ein eventueller Wert­ausgleich stattfindet[1]. Dies ist der idealste und meist günstigste Weg.

2. Verkauf des eigenen Erbteils

Jeder Mit­erbe kann seinen Anteil am Gesamt­nachlass (nicht an einzelnen Gegenständen) an andere Mit­erben oder an Dritte verkaufen[5].

3. Erbteilungs­klage

Als letzter Ausweg kann ein:e Mit­erbe:in gerichtlich die Auseinander­setzung des Nachlasses erzwingen. Dies ist jedoch oft langwierig und kostspielig.

Praktische Tipps für Mit­erben

Wenn Sie Teil einer Erben­gemeinschaft sind oder werden könnten, sollten Sie Folgendes beachten:

  1. Erbschein beantragen: Ein Erbschein dokumentiert offiziell Ihre Stellung als Mit­erbe und ist für viele rechtliche Schritte not­wendig[5].

  2. Nachlass­inventar erstellen: Verschaffen Sie sich einen vollständigen Überblick über alle Vermögens­werte und Schulden des Nachlasses.

  3. Kommunikation pflegen: Suchen Sie das offene Gespräch mit den anderen Mit­erben und versuchen Sie, gemeinsame Lösungen zu finden.

  4. Fachliche Beratung: Bei komplexen Nachlässen oder Konflikten kann die Hilfe von Fachanwält:innen für Erbrecht oder Mediator:innen sinnvoll sein.

  5. Vereinbarungen schriftlich festhalten: Einigungen sollten immer schriftlich dokumentiert werden, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.

Vorbeugung: Erben­gemeinschaft vermeiden

Wer seinen Nachlass regeln möchte, kann durch ein durchdachtes Testament oder einen Erbvertrag die Entstehung einer Erben­gemeinschaft verhindern[5]. Möglichkeiten sind:

  • Einzelne Vermögens­werte bestimmten Personen konkret zuordnen
  • Teilungs­anordnungen treffen, die festlegen, wie der Nachlass aufgeteilt werden soll
  • Eine:n Testaments­vollstrecker:in einsetzen, der/die die Verteilung des Nachlasses übernimmt

Fazit: Gemeinsam durch eine heraus­fordernde Zeit

Eine Erben­gemeinschaft stellt die Beteiligten oft vor Heraus­forderungen. Das gemeinsame Eigentum und die Not­wendigkeit einstimmiger Entscheidungen können in einer emotional belastenden Zeit zusätzlichen Stress verursachen.

Denken Sie daran: Hinter den rechtlichen Regelungen steht das Ziel, den Nachlass gerecht unter allen Erb­berechtigten zu verteilen. Mit gegenseitigem Verständnis und Kompromiss­bereitschaft lässt sich dieser Weg deutlich leichter gestalten.

Suchen Sie frühzeitig das Gespräch und scheuen Sie sich nicht, bei Bedarf fachlichen Rat einzuholen. So kann die Auseinander­setzung der Erben­gemeinschaft auch eine Chance sein, gemeinsam im Sinne der verstorbenen Person zu handeln.