Was ist ein Erbausgleichsvertrag?

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Zusammenfassung

Ein Erbausgleichsvertrag regelt die faire Verteilung von Vermögen unter Erb:innen, entweder zu Lebzeiten des Erblassers oder nach dessen Tod, um Streitigkeiten zu vermeiden und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Er kann als Erbauseinandersetzungsvertrag zur Auflösung einer Erbengemeinschaft oder als vorzeitiger Ausgleich durch Schenkungen gestaltet werden. Professionelle Beratung und klare schriftliche Vereinbarungen sind entscheidend, um rechtliche Sicherheit und Gerechtigkeit zu gewährleisten.

Ein Erbausgleichsvertrag regelt die gerechte Auf­teilung von Vermögen unter den Erb­berechtigten. Er kann zu Lebzeiten des Erb­lassers oder nach dessen Tod als Element der Erb­auseinandersetzung geschlossen werden. Im Folgenden erfahren Sie, welche Arten es gibt, wann dieser sinnvoll ist und worauf Sie achten sollten.

Was ist ein Erbausgleichsvertrag?

Ein Erbausgleichsvertrag umfasst verschiedene vertragliche Verein­barungen, die die Verteilung von Vermögen im Erb­kontext regeln. Je nach Zeitpunkt und Ausgestaltung unterscheidet man mehrere Varianten:

Der Erbauseinandersetzungsvertrag

Dies ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen allen Mit­erben. Er regelt die Verteilung des Nach­lasses und löst dadurch die Erben­gemeinschaft auf[1]. Wenn jemand verstirbt, bilden alle Erb­berechtigten zunächst eine Erben­gemeinschaft, die den gesamten Nachlass gemeinsam verwalten muss. Der Erb­auseinandersetzungsvertrag beendet diesen Zustand durch klare Vermögens­aufteilung.

Der vorzeitige Erbausgleich

Hierbei handelt es sich um eine Regelung, die es ermöglicht, bereits zu Lebzeiten über Teile oder den gesamten Nachlass zu verfügen[2]. Dies kann durch Schenkungen, Über­gabeverträge oder ähnliche Verein­barungen erfolgen. Historisch gab es eine spezielle Form des vorzeitigen Erb­ausgleichs für nicht­eheliche Kinder, diese Regelung wurde jedoch mit der Reform des Erbrechts am 1. Juli 1998 aufgehoben[4].

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grund­lagen für Erbausgleichs­regelungen finden sich im Bürgerlichen Gesetz­buch (BGB):

  • §§ 2050 ff. BGB regeln die Ausgleichungs­pflicht für Zuwendungen, die der Erb­lasser zu Lebzeiten an einen Abkömmling gemacht hat[3].
  • Die Ausgleichungs­pflicht betrifft Abkömmlinge des Erb­lassers, wenn ihr Erb­recht auf der gesetzlichen Erb­folge beruht[8].
  • Für den Erb­auseinandersetzungsvertrag gelten grund­sätzlich die allgemeinen Regeln des Vertrags­rechts.

Wann ist ein Erbausgleichsvertrag sinnvoll?

Ein Erbausgleichsvertrag kann in verschiedenen Situationen nützlich sein:

  • Bei drohenden Konflikten: Wenn absehbar ist, dass nach dem Tod des Erb­lassers Streitigkeiten über die Verteilung des Vermögens entstehen könnten[2].
  • Bei komplexen Vermögens­verhältnissen: Wenn zum Nachlass schwer teilbare Güter wie Immobilien, Unternehmens­anteile oder wertvolle Sammlungen gehören.
  • Bei unterschiedlichen Vorempfängen: Wenn einige Erb­berechtigte bereits zu Lebzeiten des Erb­lassers Zuwendungen erhalten haben und ein gerechter Ausgleich gewünscht wird.
  • Zur finanziellen Unterstützung: Wenn der Erb­lasser einzelnen Erben bereits zu Lebzeiten bei größeren Vorhaben wie Haus­bau oder Existenz­gründung helfen möchte[2].

Inhalt und Aufbau eines Erbausgleichsvertrags

Ein Erbausgleichsvertrag sollte folgende Elemente enthalten:

  1. Klare Identifikation aller Beteiligten: Alle Mit­erben müssen namentlich genannt werden.
  2. Genaue Beschreibung des Nach­lasses: Alle Vermögens­werte und eventuelle Verbindlichkeiten sollten präzise aufgeführt sein.
  3. Konkrete Aufteilungs­regelungen: Welcher Erbe erhält welche Vermögens­werte.
  4. Ausgleichs­zahlungen: Falls ein Erbe wert­mäßig mehr erhält als andere, werden Ausgleichs­zahlungen vereinbart.
  5. Regelungen zu Steuer­fragen: Wer trägt eventuelle Erbschafts­steuern.
  6. Datum und Unterschriften: Der Vertrag muss von allen Beteiligten unter­zeichnet werden.

Bei einem vorzeitigen Erbausgleich oder Erbvorbezug sollte zusätzlich festgehalten werden, ob die Zuwendung auf den späteren Erbteil angerechnet werden soll oder nicht[5].

Die Ausgleichungspflicht verstehen

Die Ausgleichungs­pflicht besagt, dass Zuwendungen, die der Erb­lasser zu Lebzeiten einem Abkömmling gemacht hat, bei der Erb­teilung berücksichtigt werden müssen. Dies dient der Gleich­behandlung aller Erb­berechtigten[3].

Ausgleichungs­pflichtige Zuwendungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie:

  • vom Erb­lasser zu dessen Lebzeiten vorgenommen wurden
  • wirtschaftlich vorteilhaft sind
  • keine oder nur eine geringere Gegen­leistung aufweisen[8]

Der Erb­lasser kann allerdings bei der Zuwendung bestimmen, dass keine Ausgleichungs­pflicht entstehen soll. Dies ist jedoch nur möglich, soweit dadurch nicht das Pflichtteils­recht anderer Erben beeinträchtigt wird[8].

Vor- und Nachteile eines Erbausgleichsvertrags

Vorteile

  • Konfliktvermeidung: Durch klare Regelungen werden Streitigkeiten unter den Erben vermieden.
  • Rechtssicherheit: Alle Beteiligten wissen genau, was ihnen zusteht.
  • Maßgeschneiderte Lösungen: Individuelle Wünsche und Bedürfnisse können berücksichtigt werden.
  • Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten: Bei vorzeitigem Erbausgleich können Freibeträge mehrfach genutzt werden[2].

Mögliche Nachteile

  • Bindungswirkung: Besonders bei Erbverträgen entsteht eine rechtliche Bindung, die später schwer zu ändern ist[6].
  • Eingeschränkte Flexibilität: Nach Abschluss des Vertrags kann der Erb­lasser über sein Vermögen nicht mehr frei verfügen.
  • Risiko der Unterversorgung: Bei vorzeitigem Erbausgleich besteht das Risiko, dass der Erb­lasser durch zu großzügige Zuwendungen später selbst in finanzielle Schwierigkeiten gerät[2].

Praktische Tipps für den Abschluss eines Erbausgleichsvertrags

  1. Professionelle Beratung in Anspruch nehmen: Lassen Sie sich von Fach­anwält:innen für Erbrecht beraten, um rechtlich sichere Lösungen zu finden.

  2. Offene Kommunikation pflegen: Sprechen Sie mit allen Beteiligten offen über Ihre Absichten und hören Sie deren Wünsche und Bedenken.

  3. Vollständige Vermögensaufstellung erstellen: Erfassen Sie alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, damit nichts vergessen wird.

  4. Bewertung durch Expert:innen: Lassen Sie wertvolle Vermögensgegenstände wie Immobilien oder Kunstwerke professionell bewerten.

  5. Dokumentation nicht vergessen: Halten Sie alle Vereinbarungen schriftlich fest und bewahren Sie die Dokumente sicher auf.

  6. Regelmäßige Überprüfung: Prüfen Sie bei längerfristigen Vereinbarungen regelmäßig, ob Anpassungen nötig sind.

Die Durchführung des Ausgleichs

Die tatsächliche Ausgleichung erfolgt im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Dabei werden Ausgleichungsrechte und -pflichten bei der wertmäßigen Bestimmung der Auseinandersetzung eingerechnet[8]:

  1. Der Wert des zu verteilenden Nachlasses wird um die Ausgleichungspflichten erhöht.
  2. Von diesem Gesamtwert wird der auf jeden Erben entfallende Anteil berechnet.
  3. Für Erben, die bereits Zuwendungen empfangen haben, wird ihr Anteil um diese Zuwendung verringert.

Hat ein Miterbe im Rahmen des Vorempfangs bereits mehr erhalten, als ihm nun zustehen würde, muss er diesen Betrag nicht zurückzahlen. Es besteht keine Nachschusspflicht[8].

Formvorschriften beachten

Ein Erbauseinandersetzungsvertrag ist grundsätzlich an keine strengen Formvorschriften gebunden[1]. Dennoch empfiehlt sich aus Beweisgründen die Schriftform. Bei Grundstücken oder anderen Vermögenswerten, die besonderen Formvorschriften unterliegen (wie etwa Immobilien), ist eine notarielle Beurkundung erforderlich.

Fazit

Ein Erbausgleichsvertrag bietet die Möglichkeit, den Nachlass klar und fair aufzuteilen - entweder zu Lebzeiten des Erblassers oder nach dessen Tod. Er kann dazu beitragen, Streitigkeiten zu vermeiden und jedem Erben den ihm zustehenden Anteil zu sichern.

Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein und alle Interessen angemessen zu berücksichtigen, empfiehlt sich die Beratung durch erfahrene Fachleute für Erbrecht. Mit professioneller Unterstützung können Sie eine Lösung finden, die allen Beteiligten gerecht wird und rechtlich Bestand hat.